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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beim UN-Klimagipfel

© dpa/AP/Jason Decrow

Merkel bei den UN in New York: Wie die Kanzlerin ihre Klimapolitik verteidigt

Beim Klimagipfel erklärt Merkel ihr Dilemma. Keine einfache Aufgabe - nach Vorrednerin Greta Thunberg und mit Donald Trump als Zuhörer.

Irgendwann während der Rede der neuseeländischen Premierministerin Jacinda Ardern taucht überraschend Donald Trump im großen Saal auf. Er setzt sich ganz rechts in die Reihe, die für die amerikanische Delegation reserviert ist. Links neben ihm sitzt sein Vizepräsident Mike Pence.

Kaum einem der Anwesenden scheinen die beiden Männer im ersten Moment aufzufallen, es ist dunkel, nur die Bühne vor der blauen Wand ist angestrahlt. Überraschend ist Trumps Erscheinen deswegen, weil der US-Präsident dem Klimagipfel bei den Vereinten Nationen an diesem Montag in New York eigentlich fernbleiben wollte und stattdessen, so empfinden viele das, eine Gegenveranstaltung auf dem UN-Gelände organisiert hat. Thema: der Schutz der Religionsfreiheit.

Vor Jacinda Ardern haben bereits andere gesprochen. Die hat Trump verpasst. UN-Generalsekretär António Guterres zum Beispiel, der den Gipfel um 10.10 Uhr eröffnet und die Weltgemeinschaft auffordert, sich im Kampf gegen den Klimawandel endlich mehr anzustrengen.

"Wenn wir nicht dringend unseren Lebensstil ändern, gefährden wir das Leben an sich", mahnt er die rund 60 anwesenden Staats- und Regierungschefs. "Die Natur lässt sich nicht täuschen."

"Wir könnt ihr es wagen?"

Aber Trump hat auch eine andere Rednerin verpasst, wahrscheinlich bewusst. Denn deren Appelle klingen so dramatisch, wie es der Bedeutung dieses Gipfels angemessen scheint.

Um 10.36 Uhr ist es wieder einmal Greta Thunberg, dieses schmale 16-jährige Mädchen mit langem Zopf und pinker Bluse, die in Worte fasst, was so viele ihrer Altersgenossen jeden Freitag auf die Straße treibt: "Meine Botschaft ist: Wir werden euch beobachten." Die Zuhörer klatschen, vereinzelt sind amüsierte Lacher zu hören.

Greta wirkt irritiert. Und wütend. "Das ist alles falsch. Ich sollte nicht hier oben sitzen. Ich sollte zurück in der Schule sein, auf der anderen Seite des Ozeans. Aber ihr alle kommt zu uns jungen Leuten auf der Suche nach Hoffnung. Wir könnt ihr es wagen!", schleudert die junge Schwedin den Erwachsenen im Raum entgegen.

Die Kameras zeigen, dass sie dabei sogar Tränen in den Augen hat. "Wie könnt ihr es wagen, meine Träume und meine Kindheit zu stehlen mit euren leeren Worten? Wir stehen am Anfang eines Massenaussterbens, und alles, worüber ihr reden könnt, ist Geld und die Märchen von einem für immer anhaltenden wirtschaftlichen Wachstum - wie könnt ihr es wagen?" Das Lachen im ehrwürdigen Saal der UN-Generalversammlung verstummt.

Nach Greta wird der Papst mit einer Video-Mahnung eingeblendet, allerdings versagt da kurz die Technik, die letzten Worte sind gar nicht mehr zu hören. Dann folgt Ardern, alle Redner haben nun drei Minuten Zeit. Bei der Rede von Indiens Premier Narendra Modi ist Donald Trump dann schon da - und klatscht. Die beiden verstehen sich.

Der US-Präsident bleibt auch noch, als Angela Merkel spricht, applaudieren sieht man ihn da aber nicht. Was wohl mehr an seiner grundsätzlichen Klimawandel-Skepsis als an der Ansprache der deutschen Bundeskanzlerin liegt, auch wenn diese eher nicht unter ihre Glanzreden eingehen wird. Dafür wirkt sie zu technokratisch, selbst ohne den direkten Vergleich zu Greta.

Merkel verteidigt das Klimaschutzpaket

Zwar geht Merkel auf die besondere Verantwortung ein, die Deutschland und andere Industrieländer hätten, da sie "die Hauptverursacher" der Erderwärmung seien, unter der vor allem die Entwicklungsländer litten. Sie gibt zu, dass das mit der Vorbildrolle noch nicht so richtig klappt.

"National stellt sich die Lage folgendermaßen dar: Deutschland hat ein Prozent der Weltbevölkerung, verursacht aber zwei Prozent der weltweiten Emissionen. Wenn alle so handeln würden wie Deutschland, würden sich die Emissionen weltweit verdoppeln. Jeder weiß, was das bedeutet."

Aber zum Ende ihrer drei Minuten versucht sie, den Spagat zu erklären, der ihrer Ansicht nach von ihr erwartet wird. Dass es neben denen, die mit ihren Demonstrationen Druck machten, auch "Zweifler" gebe, dass es die Aufgabe jeder Regierung sei, "möglichst alle Menschen mitzunehmen".

Ihre Botschaft: Die am vergangenen Freitag von der Bundesregierung beschlossenen Klimaschutzmaßnahmen, die nicht nur von Umweltverbänden als große Enttäuschung kritisiert wurden, sind eben das, was in Deutschland derzeit möglich sei. Aber sie seien der Beginn eines "tiefgreifenden Wandels". Es wird sie gefreut haben, dass wenigstens die "New York Times" ihr Klimaschutzpaket als "ambitionierten Plan zur Reduzierung der Emissionen" bezeichnete. In Deutschland selbst war die Kritik riesig.

Kritik von Umweltverbänden

Greta Thunberg wird diese Botschaft allerdings nicht zufrieden stellen. Auch wenn Merkels Sprecher Steffen Seibert kurz darauf ein Bild der beiden twittert, auf dem die immer so ernst wirkende Schwedin das Lächeln der Kanzlerin zu erwidern scheint. Aber wie der Tweet von Seibert klar macht: Das Bild wurde vor den Reden aufgenommen. "Begegnung vor den Reden beim @UN #ClimateActionSummit", steht da.

Nicht zufrieden sind ganz offensichtlich auch die Umwelt- und Entwicklungsverbände. "Angela Merkels Rede war so überflüssig wie das CO2 ihres Atlantikflugs", erklärt der deutsche Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser kurz darauf. Während sie in New York Anstrengungen zum Klimaschutz anmahne, tue sie zu Hause genau das Gegenteil.

Der Präsident des Umwelt-Dachverbands Deutscher Naturschutzring, Kai Niebert, spricht von einem "Totalausfall der Klimakanzlerin", der auf den "Totalausfall des Klimakabinetts" folge. "Wer in Berlin versagt, kann auch in New York nicht glänzen", sagt auch die Präsidentin von Brot für die Welt, Cornelia Füllkrug-Weitzel.

Das Bekenntnis in ihrer Rede zum Pariser Klimaabkommen sei "nichts wert, wenn Deutschland selbst beim Klimaschutz enttäuscht". Positiv sei lediglich, dass Merkel in New York feste finanzielle Zusagen gemacht habe.

Damit spielt Füllkrug-Weitzel darauf an, was die Kanzlerin während ihres ersten Auftritts bei der Amazonas-Konferenz am Morgen angekündigt hat: Deutschland stellt demnach zum Schutz der Regenwälder zusätzliche 250 Millionen Euro zur Verfügung, gibt außerdem 200 Millionen für ein neues Kreditprogramm der Weltbank, 30 Millionen für die Zentralafrikanische Waldinitiative sowie 20 Millionen zum Schutz für indigene Gemeinschaften zum Waldschutz. Diese Versprechen kommen an.

Nach Merkels Rede verlässt Trump den Klimagipfel

Dazu kommt, dass sich nach Angaben aus Regierungskreisen auch Deutschland in New York verpflichtet hat, bis zum Jahr 2050 CO2-Neutralität zu erreichen - als einer von insgesamt 66 Staaten. Bei der CO2-Neutralität geht es darum, nicht mehr Kohlendioxid auszustoßen als gleichzeitig abgebaut oder gespeichert werden kann.

Eine weltweite CO2-Neutralität bis zur Mitte dieses Jahrhunderts ist nach Einschätzung des Weltklimarats die Voraussetzung dafür, die Erderwärmung noch auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter begrenzen zu können. Dieses Ziel hatte sich die internationale Gemeinschaft im Pariser Klimaabkommen 2015 gesetzt. Jenem Abkommen, aus dem die USA unter der Führung von Donald Trump ausgestiegen sind.

Nach Merkels Rede hat der US-Präsident genug gehört. Trump verlässt den Saal, um zu seiner eigenen Veranstaltung zu gehen. Knapp 15 Minuten war er nur da. Auf seinem Stuhl nimmt wieder eine stellvertretende Abteilungsleiterin im Außenministerium Platz.

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