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Der türkische Präsident und die deutsche Kanzlerin im Gespräch.

© Murat CETINMUHURDAR / TURKISH PRESIDENTIAL PRESS SERVICE / AFP

Merkel auf Abschiedsbesuch bei Erdogan: Zur Lösung vieler Konflikte „haben 16 Jahre nicht ausgereicht“

Deutsche in türkischen Gefängnissen, Flüchtlinge aus Afghanistan – mit Erdogan hatte es Merkel nicht immer leicht. Sie betont aber: Ohne Dialog geht es nicht.

Recep Tayyip Erdogan hatte beim Abschiedsbesuch von Angela Merkel in Istanbul eine Empfehlung: Die Deutschen sollten es doch mal mit seinem Präsidialsystem versuchen. Mit der Bundeskanzlerin habe er sich stets verstanden, sagte der türkische Präsident am Samstag, die deutschen Koalitionsregierungen hätten die Verständigung allerdings erschwert.

Ohne Koalitionspartner wären die Beziehungen noch viel besser gewesen. Die Türkei habe solche Probleme nicht mehr, seit sie das Präsidialsystem eingeführt habe, fügte der Präsident hinzu. Merkel lehnte seinen Rat lachend ab. Deutschland habe nicht die Absicht, ein Präsidialsystem einzuführen, wolle aber trotzdem gut mit der Türkei zusammenarbeiten.

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Aus Erdogans Kritik an den Berliner Koalitionen sprach seine Befürchtung, dass er es mit Deutschland künftig schwerer haben wird. Und aus Merkels Worten waren Ratschläge an die neue Bundesregierung herauszuhören.

Merkel und Erdogan arbeiten seit dem Amtsantritt der Kanzlerin vor 16 Jahren zusammen. „Wir haben hier noch eine Menge Schwierigkeiten zu überwinden“, sagte die scheidende Regierungschefin nach ihrem Gespräch mit dem Präsidenten. „Dafür haben 16 Jahre nicht ausgereicht“.

Beide betonten nach ihrer mehrstündigen Begegnung in einem der Amtssitze Erdogan in Istanbul ihr gutes Arbeitsverhältnis in dieser Zeit. Das habe auch dann gegolten, „wenn es Meinungsverschiedenheiten gab und gibt“, sagte Merkel. Das gemeinsame Gespräch über schwierige Fragen lohne sich.

Die neue Regierung könnte eine härtere Linie fahren

So sprach Merkel den türkischen Präsidenten auf die inhaftierten Bundesbürger in der Türkei an. Einige Fälle habe man im Laufe der Zeit durch Gespräche lösen können, sagte Merkel, auch wenn immer wieder neue dazu kämen. Wenige Tage vor ihrem Besuch war ein weiterer Deutscher von einem türkischen Gericht wegen Äußerungen in den sozialen Medien zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden.

Auch in anderen Fragen sei der Dialog zwischen Deutschland und der Türkei der richtige Weg, sagte die Kanzlerin. Beide Länder seien geostrategisch voneinander abhängig. Als Beispiele nannte sie die Flüchtlingsfrage und die Lage in Afghanistan nach der Machtübernahme der Taliban.

Die Türkei und Deutschland hätten ein gemeinsames Interesse daran, eine Massenflucht aus Afghanistan zu verhindern. Beim EU-Gipfel am kommenden Donnerstag und Freitag will sich Merkel für eine Anschlussregelung für den europäisch-türkischen Flüchtlingspakt einsetzen.

Türkische Beobachter erwarten, dass die sich abzeichnende Ampelkoalition in Berlin gegenüber Ankara eine härtere Linie fahren wird, als unter Merkel. Erdogan äußerte die Hoffnung, dass Merkel in der internationalen Politik aktiv bleiben werde.

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