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Politik: Mehr Ungerechtigkeit! (Kommentar)

Natürlich, es wird sie auch in Zukunft geben, die roten Ledersofas, die genauso zur britischen Politik gehören wie der Schlag von Big Ben oder die "question time", das berühmte Frage-Antwort-Spiel mit dem Premierminister im Londoner Unterhaus. Die roten Ledersofas gehören zum "House of Lords", dem Oberhaus.

Natürlich, es wird sie auch in Zukunft geben, die roten Ledersofas, die genauso zur britischen Politik gehören wie der Schlag von Big Ben oder die "question time", das berühmte Frage-Antwort-Spiel mit dem Premierminister im Londoner Unterhaus. Die roten Ledersofas gehören zum "House of Lords", dem Oberhaus. Aber seit der Premierminister Tony Blair heißt, ist eben doch nicht mehr alles so, wie man das gewohnt ist aus der britischen Politik. Der "question time" im Parlament weicht Blair häufiger aus als seine Vorgänger, und nun stehen auch noch dem Oberhaus revolutionäre Veränderungen bevor. Die erblichen Lords haben ihre jahrhundertelange Schuldigkeit getan, nun müssen sie gehen - zumindest die meisten von ihnen.

Das ist schade. Auf den roten Ledersofas bleiben vor allem die auf Lebenszeit ernannten "Life-Peers" zurück. Deren politische Weisheit ist zwar auch nicht verachtenswert. Aber was ist so ein Lord - zumal einer von Tony Blairs Gnaden - schon gegen Leute vom Schlage eines Grafen von Burford, des Erben des Herzogs von St. Albans? Der randalierte bei der entscheidenden Abstimmung, mit der sich das Oberhaus selbst enthauptete, und musste des Saales verwiesen werden. Künftig droht der britischen Politik Langeweile.

Nun mag man zwar einwenden, dass sich die Lords in ihrer 800-jährigen Geschichte nicht immer wie ausgesuchte Menschenfreunde verhalten haben. Beispielsweise haben sie die Aufhebung der Sklaverei hinausgeschoben und wollten ehedem auch Juden nicht zum Unterhaus zulassen. Also weg mit dem Muff von fast tausend Jahren? Die komplette Abschaffung des Oberhauses pünktlich zum Jahr 2000 wagt ja selbst ein Modernisierer wie Tony Blair nicht. Gäbe es schließlich das Oberhaus nicht mehr, dann ließen sich verdiente Labour-Gefolgsleute auch nicht mehr in den Adelsstand und das "House of Lords" abschieben.

Es lässt sich allerdings auch nicht erkennen, warum "König Tonys" Oberhaus künftig verstärkt die Farben von "New Labour" tragen soll. Ist diese heimliche Machtverschiebung in der britischen Politik nun gerechter als das erbliche Recht der "Peerage"? Sicher nicht. Und im Sinne des Unterhaltungswertes muss man wohl hinzufügen: Wenn es schon ungerecht zugeht in der Politik, dann auch bitte richtig.

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