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Politik: Mehr Mobbing und sexuelle Belästigung bei der Bundeswehr Soldatinnen fordern

Berlin. Sexuelle Belästigung und Mobbing von Frauen werden in den deutschen Streitkräften immer mehr zu einem Problem.

Berlin. Sexuelle Belästigung und Mobbing von Frauen werden in den deutschen Streitkräften immer mehr zu einem Problem. „Die gemeldeten Fälle nehmen massiv zu“, sagte Oberleutnant Katja Roeder, Vorsitzende der Arbeitsgruppe Soldatinnen des Deutschen Bundeswehr-Verbandes. Allein in den vergangenen sechs Monaten haben sich bei den Bundeswehr-Ansprechstellen für Frauen 20 Soldatinnen gemeldet, die sich gemobbt fühlten, in 15 weiteren Fällen ging es um den Vorwurf sexueller Belästigung. „Auch der Wehrbeauftragte und wir beim Bundeswehrverband beobachten, dass sich die Fälle deutlich häufen. Außerdem rechnen wir mit einer enorm hohen Dunkelziffer“, sagte Roeder dem Tagesspiegel nach einer Tagung der Arbeitsgruppe am Freitag in Berlin.

Viele Soldatinnen verzichteten aus Angst, die Situation zu verschlimmern, auf eine dienstrechtliche Beschwerde. Als einen Grund für die steigende Zahl der Fälle von sexueller Belästigung und Mobbing vermutet Roeder die Tatsache, dass Frauen inzwischen bei der Besetzung von Stellen zur Konkurrenz für ihre männlichen Kollegen werden. „Außerdem ist es kein Geheimnis, dass die Frauen in der Truppe noch nicht völlig akzeptiert werden.“ Nach einer Studie des sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr ist jeder siebte männliche Soldat gegen Frauen beim Militär.

7228 Soldatinnen leisten derzeit in der Bundeswehr Dienst. 5000 sind im Sanitätsdienst beschäftigt und etwa 100 im Musikcorps. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes, dass der Ausschluss der Frauen aus der Bundeswehr gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung im Berufsleben verstoße, und der entsprechenden Gesetzesänderung im Januar 2001, leisten inzwischen rund 2000 Frauen Dienst an der Waffe. Der Organisationsgrad der Frauen im Bundeswehrverband, der mit 240 000 Mitgliedern größten Interessenvertretung der Bundeswehrangehörigen, liegt mit mehr als 60 Prozent deutlich höher als bei den Männern.

„Die Integration der Frauen in die Streitkräfte ist längst nicht abgeschlossen“, sagte Roeder. Die Soldatinnen fordern vom Bundesverband mehr Druck auf die Politik. „Es muss sich etwas bewegen“, sagte die Offizierin. Eines der vorrangigen Ziele müsse sein, dass das Gleichstellungsgesetz auch – wie geplant, aber anders beschlossen – für die Bundeswehr gelte. „Das ist die Voraussetzung für die Ernennung einer Gleichstellungsbeauftragten, die mehr Handlungsmöglichkeiten hätte.“

Zudem müssten auch bei der Kinderbetreuung dringend Fortschritte erzielt werden. 80 Prozent aller allein Erziehenden seien Frauen. „Bislang sind sie nicht zu Ausländseinsätzen herangezogen worden. Aber theoretisch ist das möglich“, erklärte Roeder. Und bei mehr als 10 000 deutschen Soldaten, die außerhalb der Grenzen der Bundesrepublik im Einsatz sind, stelle sich die Frage, wie lange noch Rücksicht genommen werden könne. Zurzeit dienen 185 Frauen freiwillig im Ausland. Um Soldatinnen Teilzeitarbeit zu ermöglichen, müsse außerdem dringend ein Arbeitsgesetz für Soldaten eingeführt werden. Sven Lemkemeyer

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