zum Hauptinhalt
Sollen junge Menschen im Bundestag nur zuschauen oder mitentscheiden dürfen? In wichtigen Fraktionen ist ihr Einfluss gestiegen.

© Wolfgang Krumm/picture alliance / dpa

Mehr Junge im Parlament: „Einen anderen Sound im Bundestag anstellen“

In den Fraktionen von SPD, Grünen und FDP steigt der Anteil der Jungen. Wird das die Politik verändern? Wie reagieren ältere Abgeordnete? Ein Überblick.

Die gewachsene Zahl junger Abgeordneter in wichtigen Bundestagsfraktionen begrüßt der Berliner Politikwissenschaftler Benjamin Höhne. „Für die gesellschaftliche Anerkennung ist es wichtig, dass der Bundestag ein Stück weit jünger, weiblicher und diverser geworden ist“, sagt der Vizechef des Instituts für Parlamentarismusforschung.

Das drängende Thema der Generationengerechtigkeit könne damit größeres politisches Gewicht entfalten.

Junge Menschen könnten dazu beitragen, „dass neue Ideen diskutiert und als bewährt geltende Trampelpfade auch mal verlassen werden“. Die Verjüngung könne aber „durchaus aus mehr Konflikte bedeuten“. Höhne hatte kürzlich eine kleine Studie zu Diversität in den Parteien vorgelegt.

Bei der SPD hatte Juso-Chefin Jessica Rosenthal vor der Wahl angekündigt, die mehr als 80 Bundestagskandidatinnen und -kandidaten aus ihrem Verband wollten „einen anderen Sound im Bundestag anstellen“ und „ziemlich viel dafür liefern“.

Mehr als die Hälfte, nämlich 49 von ihnen, haben es nun tatsächlich ins Parlament geschafft, darunter auch die Juso-Chefin selbst, ihr Vorgänger Kevin Kühnert, die ehemalige Berliner Juso-Chefin Annika Klose und die beiden 24-jährigen Jungpolitiker Jakob Blankenburg (Lüchow-Dannenberg) und Fabian Funke aus Sachsen (Sächsische Schweiz).

Rosenthals Ziel ist es, nicht nur die Anliegen junger Menschen zu vertreten, sondern sie wolle „vor allem aus unserer jungsozialistischen Perspektive eine ganze Menge verändern und ich glaube auch, dass wir auch in der Fraktion diese Veränderung brauchen“.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

SPD-Parteichefin Saskia Esken hatte dem Kanzlerkandidaten Olaf Scholz am Wahlabend bescheinigt, der Wahlerfolg sei vor allem sein Verdienst. Gemeint war damit offenbar auch, sein pragmatischer, eher unideologischer Politikstil habe viele Deutsche davon überzeugt, dass er als Nachfolger Angela Merkels geeignet ist. Die Jusos dagegen fremdelten lange mit ihrem Vizekanzler - und trugen 2019 entschieden dazu bei, dass er im Wettbewerb um den Parteivorsitz unterlag.

Juso-Chefin Jessica Rosenthal bei ihrer Wahl im Januar 2021
Juso-Chefin Jessica Rosenthal bei ihrer Wahl im Januar 2021

© dpa/Kay Nietfeld

Einen möglichen innerparteilichen Machtzuwachs von Scholz als Folge des Wahlausgangs sehen sie kritisch. Dass eine hohe Zahl von Jusos unter den Abgeordneten den Kurs der SPD-Fraktion weiter links verschieben würden, schaffe für Scholz eine „schwierige Lage“, urteilte kürzlich der Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Allerdings beweist die Geschichte der Jusos auch, dass gewachsene politische Verantwortung eher mäßigend wirkt - sowohl Gerhard Schröder als auch Olaf Scholz selbst sind dafür Beispiele. Und nicht alle SPD-Abgeordneten im Juso-Alter dürften die Programmatik des Jugendverbandes inhaliert haben. Als pragmatisch gelten etwa Ye One-Rhie aus Aachen, Nachfolgerin von Ex-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt im Wahlkreis, oder die Startup-Unternehmerin Verena Hubertz aus Trier.

FDP-Chef Lindner weiß, dass seine Partei bei Jungen gut ankommt

Für die FDP sind die Jungen beinahe die wichtigsten Wählerinnen und Wähler. 23 Prozent der Erstwähler gaben bei der Bundestagswahl ihre Stimme den Liberalen, keine Partei schnitt in dieser Gruppe besser ab. Bei den Unter-25-Jährigen lagen die Freidemokraten mit 21 Prozent auf Platz zwei, nur zwei Punkte hinter den Grünen. Dass seine Partei vor allem bei den Jungen gut ankommt, hat FDP-Chef Christian Lindner schon vor längerer Zeit erkannt.

Entsprechend hat er über die Jahre das Image der Liberalen aufpoliert – weg von der Honoratioren-Partei, hin zur Vertreterin der leistungsorientierten Jugend. Das spiegelt sich auch innerhalb der FDP wieder, die auf einen Mitgliederrekord von 76.000 zustrebt – viele davon sind jung, die meisten Männer.

Auch in der Bundestagsfraktion sind erneut viele junge Menschen vertreten. Neu dabei ist Jens Teutrine, 27 Jahre alt, seit August Chef der Jungen Liberalen (JuLis). Seine Organisation hat zuletzt starken Einfluss auf das FDP-Programm genommen. Die Forderung eines Wahlrechts ab 16 oder der Wunsch nach weniger Gebühren für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk stammen von den JuLis.

Hat keine Berührungsängste gegenüber den Grünen: Ria Schröder von den Jungen Liberalen zog auch in den Bundestag ein.
Hat keine Berührungsängste gegenüber den Grünen: Ria Schröder von den Jungen Liberalen zog auch in den Bundestag ein.

© Imago Images/Hanno Bode

Manch Älterer betrachtet die „Diskussionsfreude“ der Jung-Liberalen zwar mit Skepsis, auch gab es in der Vergangenheit Kritik, der Nachwuchs würde sich zu sehr dem grünen „Zeitgeist“ unterwerfen. Zwischendurch legten sich die JuLis mit Lindner wegen dessen Umgang mit „Fridays for Future“ an.

Doch echte „Parteirebellen“ sind die Jung-Liberalen nicht. Die 29 Jahre alte Ria Schröder etwa, ehemalige JuLi-Chefin und ebenfalls neue gewählte Abgeordnete, tritt stets verbindlich auf – und kommt auch gut mit Vertretern der Grünen aus.

Etwas stärker ausgeprägt als im Rest der FDP ist bei jungen Liberalen vielleicht der Sinn fürs Digitale, für Vielfalt, Bürgerrechte und Klima. Doch wirtschaftsliberal sind sie auch. Die Gefahr von Konflikten mit dem „Parteiestablishment“ ist gering.

Dass Lindner im Laufe der Wahlperiode in der Fraktion auf Widerstand von „jungen Wilden“ trifft, ist unwahrscheinlich. Die meisten der jungen Abgeordneten liegen ihm zu Füßen. Der 42-Jährige gilt vielen als Vorbild – schließlich hat auch er seine politische Laufbahn einst bei den JuLis begonnen.

Die neue Fraktion der Bündnisgrünen ist so jung wie noch nie

Die neue Grünen-Fraktion ist nicht nur so groß wie nie zuvor, sondern auch so jung wie noch nie. Bei 42 Jahren liegt das Durchschnittsalter, 22 Abgeordnete sind jünger als 30 Jahre. 26 Abgeordnete hat die Grüne Jugend unterstützt, die damit eine Machtbasis in der neuen Fraktion darstellen.

„Natürlich tauschen sich unsere Abgeordnete aus und versuchen für ihre Themen zu kämpfen“, sagt Anna Peters, Sprecherin der Grünen Jugend. Die Jugendorganisation hat alle Kandidaten in den vergangenen Monaten methodisch und inhaltlich auf die Arbeit im Bundestag vorbereitet, ein erstes Briefing nach der Wahl gab es ebenfalls bereits.

Will eine Jamaika-Koalition unbedingt verhindern: Anna Peters von der Grünen Jugend
Will eine Jamaika-Koalition unbedingt verhindern: Anna Peters von der Grünen Jugend

© Imago/Willi Schewski

Gemeinsam setzen sich die 26 Abgeordneten dafür ein, dass es nicht zu einer Jamaika-Koalition kommen soll – eine Forderung der Grünen Jugend. Vor allem drei Themenfelder wollen die Jungen bearbeiten. „Wir wollen radikalen Klimaschutz, echte Gerechtigkeit in der Arbeitswelt und Maßnahmen für das gute Leben vor Ort“, sagt Peters.

Ein Durchmarsch der Aktivisten ist es aber auch bei den Grünen nicht geworden. Von Fridays for Future scheiterten mit Jakob Blasel, Urs Liebau und Annkatrin Esser drei Kandidaten auf aussichtsreichen Listenplätzen. Dafür sind andere Bewegungen vertreten. Mit Julian Pahlke und Kassem Taher Saleh sind zwei Aktivisten für zivile Seenotrettung eingezogen.

Auch Katrin Henneberger, die frühere Sprecherin von „Ende Gelände“, einem Bündnis gegen Atom- und Kohlekraft, ist neu im Bundestag. Sie will sich für einen radikalen Klimaschutz einsetzen. „Wir brauchen Sofortmaßnahmen im Kampf gegen die Klimakrise und müssen bei den C02-Emissionen auf die Notbremse treten.“ Sie werde sich deshalb dafür einsetzen, dass ein früherer Kohleausstieg in Koalitionsverhandlungen durchgesetzt werde.

Eine Jamaika-Koalition unter einem Kanzler Armin Laschet, gegen dessen Politik Henneberger in der Vergangenheit regelmäßig demonstriert hat, sei für sie daher undenkbar. „Die Union wurde abgewählt. Armin Laschet darf nicht Kanzler werden.“

Zur Startseite