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Die Grünen-Parteichefs Robert Habeck und Annalena Baerbock versprechen Milliardeninvestitionen

© Kay Nitfeld/dpa

Mehr Geld für Klima, Kinder und Soziales: Das kosten die Versprechen der Grünen

Die Grünen halten „gigantische“ Investitionen für notwendig. Doch bei der Gegenfinanzierung bleiben sie noch vage.

Die Grünen versprechen im Moment vieles: Sie wollen Milliardenbeträge ausgeben für Klimaschutz, eine andere Mobilität, digitale Infrastruktur, mehr Wohnraum, aber auch fürs Soziale und Familien. „Gigantische Investitionen“ seien nötig, sagte Bundestags-Fraktionschef Anton Hofreiter vor kurzem. Summiert man die Vorschläge auf, kommt man auf eine Summe von mindestens 150 Milliarden Euro. Doch wenn es darum geht, wie all das finanziert werden soll, bleibt die Ökopartei zum Teil vage – oder verplant Gelder gleich mehrfach.

Dabei könnte es schon bald ernst werden mit dem Regieren. Wenn die große Koalition platzen sollte, können die Grünen hoffen, gestärkt aus Neuwahlen hervorzugehen, in den Umfragen liegen sie derzeit auf Augenhöhe mit der Union. Mehr Prozente im Bundestag würden mehr Verhandlungsmacht bedeuten, aber auch mehr Verantwortung. In der Vergangenheit konnten die Grünen als kleine Partei viel versprechen; dass viele Forderungen Koalitionsverhandlungen nicht überleben würde, war stets eingepreist. Mit 20 Prozent oder mehr würde sich das ändern. Die Grünen müssten ihre eigenen Versprechen auf den Prüfstand stellen – mit dem Risiko, Hoffnungen zu enttäuschen.

Wo wollen die Grünen investieren?

Mindestens 100 Milliarden Euro sollen in den Klimaschutz gehen. Katrin Göring-Eckardt, Chefin der Grünen-Bundestagsfraktion, brachte dafür zuletzt einen Staatsfonds ins Gespräch, in dem Investitionen für Bau, Umwelt und Verkehr gebündelt werden sollen. Klimaforscher hielten Investitionen in dreistelliger Milliardenhöhe für notwendig, sagt sie. Die Gelder sollen in den weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien oder das Dämmen von Wohnungen fließen (klimafreundlichen Infrastruktur), aber auch für Maßnahmen gegen die nicht mehr abwendbaren Folgen des Klimawandels ausgegeben werden, wie den Bau von Dämmen in Überflutungsgebieten.

Göring-Eckardt rechnet vor, dass allein die Strafzahlungen an die EU für das Verfehlen der Klimaziele für die nächsten zehn Jahre auf bis zu 60 Milliarden Euro geschätzt würden. Ihre Botschaft lautet, es sei besser, das Geld gleich in den Klimaschutz investieren. Auf einen solchen Betrag kommt auch die Denkfabrik Agora Energiewende. Politiker der großen Koalition zweifeln diese Summe an. Die Landesbank Baden-Württemberg dagegen hält sie in einer Studie für plausibel.

Für den Bundesetat 2019 haben die Grünen über den Ansatz der Koalition hinaus Mehrausgaben für eine Verkehrs- und Energiewendewende, mehr internationalen Klimaschutz und die ökologische Landwirtschaft in Höhe von fast 6,5 Milliarden Euro vorgeschlagen. Auch in den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs soll deutlich mehr Geld fließen. Fraktionschef Hofreiter fordert, dass Bund, Länder und Kommunen zusätzlich zehn Milliarden Euro pro Jahr investieren.

So soll die Zahl der Fahrgäste bis 2030 verdoppelt werden. Auch in den Ausbau des Bahnnetzes wollen die Grünen mehr Geld stecken. Um die Wohnungsnot in Ballungsräumen zu lindern, wollen die Grünen außerdem den Bau von bezahlbaren Wohnungen mit Bundesmitteln fördern. Dafür ist ein Investitionsprogramm von bis zu drei Milliarden Euro pro Jahr geplant. Über die nächsten zehn Jahre sollen so pro Jahr 100 000 neue Wohnungen entstehen.

Was sind die größten Brocken im Sozialen und in der Familienpolitik?

Die Grünen wollen sich von Hartz IV verabschieden und eine sanktionsfreie Garantiesicherung einführen. Parteichef Robert Habeck will die Regelsätze anheben, das Schonvermögen ausweiten, Altersvorsorge freistellen und die Zuverdienstmöglichkeiten großzügiger gestalten. All das würde dazu führen, dass mehr Menschen Anspruch auf die Leistung hätten. Die Kosten veranschlagt Habeck auf grob 30 Milliarden Euro. Das sei „viel Geld“, heißt es in seinem Konzept, gemessen an der Wirtschaftsleistung sei es aber „nur ein Prozent“. Zur Gegenfinanzierung schlägt der Grünen-Chef lediglich vor, diese müsse „aus einer gerechteren Verteilung der Wohlstandsgewinne dieses Landes“ erfolgen.

Mit rund zehn Milliarden Euro schlägt die Kindergrundsicherung zu Buche, die Parteichefin Annalena Baerbock vor kurzem gemeinsam mit Göring-Eckardt vorgestellt hat. Nach dem Willen der Grünen sollen Eltern künftig für jedes Kind einen Mindestbetrag von 280 Euro im Monat erhalten. Um Kinder aus der Armut zu holen, sollen Familien mit kleinem Einkommen oder Alleinerziehende mehr Unterstützung erhalten können.

Die neue Kindergrundsicherung soll Kindergeld und Kinderfreibetrag ersetzen. Zur Finanzierung setzen die Grünen auf die Abschaffung von klimaschädlichen Subventionen, die allerdings auch schon an anderer Stelle herhalten müssen. Außerdem verweisen sie auf zusätzliche Bundesmittel durch die Einführung einer Finanztransaktionssteuer.

Überschaubare Kosten für die Garantierente

Im Vergleich dazu sind die Kosten für die Garantierente – das Pendant der Grünen zur SPD-Grundrente – überschaubar. Der Rentenexperte der Bundestagsfraktion, Markus Kurth, veranschlagt diese anfangs auf 450 Millionen Euro, die aus Steuermitteln aufgebracht werden sollen. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) rechnet hingegen für sein Modell mit Einführungskosten von 3,8 Milliarden Euro, die innerhalb von vier Jahren auf 4,8 Milliarden Euro steigen. Ein wesentlicher Unterschied liegt darin, dass die Grünen die Garantierente nicht zahlen wollen, wenn der Partner über ein höheres Einkommen verfügt. „Uns geht es in erster Linie darum, Altersarmut zu bekämpfen“, sagt Kurth. Außerdem erwartet er, dass die Garantierente nicht für alle Rentner gezahlt würde, sondern nur für Neuzugänge. „Wir müssen die Finanzlage im Blick behalten“, sagt Kurth.

Wie wollen die Grünen ihre Versprechen finanzieren?

Seit Jahren zieht sich durch Reden und Interviews vor allem eine Antwort auf diese Frage: Umweltschädliche Subventionen müssten gestrichen werden. Die Grünen würden also das Steuer- und Fördersystem umkrempeln, um Mittel für ihre Projekte freizumachen. Die erforderlichen Milliarden sollen über viele einzelne Maßnahmen zusammengekratzt werden, denn Forderungen nach größeren Steuererhöhungen vermeiden derzeit auch die Grünen (obwohl ein Teil der Partei mit der Vermögensteuer nach wie vor liebäugelt).

Für den Etat 2019 hatten die grünen Haushaltspolitiker die Streichung von klimaschädlichen Subventionen im Umfang von gut 13 Milliarden Euro gefordert. Zu den Streichposten gehört der Abbau von Ausnahmen bei der Ökosteuer für Unternehmen, das Ende des Steuerprivilegs für die stoffliche Nutzung von Erdöl, das Ende des Dienstwagenprivilegs bei schweren Pkw und ein „Abschmelzen“ der Steuervergünstigung für Diesel.

Mit Maximalforderungen operiert es sich nicht mehr so leicht

Zum Paket gehört auch eine Erhöhung der Luftverkehrssteuer und die Ausweitung der Lkw-Maut auf Fernbusse und hinunter auf 3,5 Tonnen bei Lastwagen. Die Subvention von Agrardiesel soll beendet werden. Streichen würden die Grünen auch den ermäßigten Mehrwertsteuersatz in der Hotelbranche. Über die bessere Bekämpfung von Steuerbetrug soll es zu Mehreinnahmen von einer Milliarde Euro kommen.

Natürlich ginge nach Grünen-Ansicht auch mehr, aber mit Maximalforderungen operiert es sich in Regierungsnähe nicht mehr so leicht. Das ist auch der Grund, weshalb zum Beispiel die Abschaffung des Ehegattensplittings nicht mehr so offensiv verlangt wird wie früher, auch wenn die Forderung weiterhin grüne Politik ist. Den Solidaritätszuschlag wollen die Grünen – anders als die große Koalition – nicht abschaffen, sondern in einen Soli für gleichwertige Lebensverhältnisse umwandeln. Für die strukturschwachen Regionen im Osten und Westen sei weiter finanzielle Unterstützung notwendig, argumentieren sie.

Schuldenbremse ist nicht tabu

Neuerdings ist auch die Schuldenbremse nicht tabu, welche die Grünen bisher mitgetragen haben. Allerdings wird auch hier nicht die direkte Attacke gefahren. In einem aktuellen Papier verlangen die Finanzpolitiker Danyal Bayaz und Anja Hajduk, die Festlegung auf den ausgeglichenen Etat in Normaljahren um eine Investitionsregel zu ergänzen - die Schuldenbremse also zu lockern. Deutschland lebe bei der öffentlichen Infrastruktur von der Substanz und müsse auch bei der Digitalisierung mehr tun, konstatieren die beiden Grünen. Die Investitionsregel solle sich daher am Wertverlust der Infrastruktur orientieren, also eine Art jährliche Mindestinvestitionshöhe festschreiben.

Zudem könne bei einer niedrigen Schuldenquote - noch in diesem Jahr sinkt sie auf unter 60 Prozent – hochgefahren werden. Bayaz und Hajduk schlagen zudem, ähnlich wie Göring-Eckardt, einen öffentlichen Investitionsfonds vor, der sich auch über Kredite finanzieren würde. Ein Nebenhaushalt also, mit Zweckbindung. Sie propagieren die Abkehr von der schwarzen Null als „reiner Symbolpolitik“. Wer an die Zukunft künftiger Generationen denke, müsse heute in die Infrastruktur investieren, argumentiert auch Fraktionschef Hofreiter.

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