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Rita Süssmuth (CDU, v. l. n. r.), Manuela Schwesig (SPD), Angela Merkel (CDU), Franziska Giffey (SPD) und Christine Bergmann (SPD) sprechen am Rande der Feierlichkeiten für 100 Jahre Frauenwahlrecht in Deutschland.

© imago/Markus Heine

Mehr Frauen in der Politik: Feste Quote oder Selbstverpflichtung

Die Parteien wollen mehr Frauen in der Politik in Deutschland – doch über den Weg dahin gibt es Streit.

An Deutlichkeit ließ es Angela Merkel nicht fehlen: Der Anteil weiblicher Abgeordneter im Bundestag sei mit 30,9 Prozent „genau der Frauenanteil, den auch der Südsudan in seinem Parlament hat“, sagte die Kanzlerin am Montag in Berlin. Deutschlands Regierungschefin feuert damit eine Debatte an, die etliche führende Politikerinnen von Linke, SPD, Grünen, aber auch der CDU schon angestoßen haben: Parteiübergreifend dringen sie auf eine Reform des Wahlrechts, um sicherzustellen, dass der Frauenanteil bei der nächsten Bundestagswahl wieder steigt. Damit ist eine sowohl juristisch als auch machtpolitisch wichtige Schlacht eröffnet.

Denn es gibt grundsätzlich zwei Wege, um den Missstand zu beenden: über Reformen in den Parteien selbst bei der Kandidatenaufstellung oder gesetzliche Vorgaben, die Parteien zu mehr Gleichberechtigung zwingen. Für eine Wahlrechtsänderung dient dabei vor allem Frankreich mit seinem Paritätsgesetz als Vorbild. So haben etwa CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer und Justizministerin Katarina Barley (SPD) Frankreich als Vorbild genannt. Laut Barley könnten in Deutschland „größere Wahlkreise mit zwei direkt gewählten Abgeordneten unterschiedlichen Geschlechts“ geschaffen werden. Dies würde garantieren, dass ein gleich großer Anteil an Männern und Frauen ins Parlament einzöge. Barley kritisierte in der „Bild am Sonntag“, dass bei der Union, der FDP und der AfD der Frauenanteil zwischen zehn und knapp über 20 Prozent liege.

Das französische Modell ließe sich wegen der anderen Rechtslage nicht einfach auf Deutschland übertragen. Den Handlungsdruck sieht aber auch Merkel als groß an: Denn CDU und CSU wurden in der Vergangenheit überproportional oft von Frauen gewählt. Bei der Bundestagswahl etwa stimmten nach Angaben des Bundeswahlleiters 29,8 Prozent der Wählerinnen für die CDU – aber nur 23,5 Prozent der Wähler. Nach dem Abwandern männlicher Unions-Wähler zur AfD und zur FDP folgt nun die Abkehr der Frauen, die zahlreich grün wählen würden. Und spätestens nach der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 bestimmen vor allem lautstarke, oft konservative CDU-Männer das Bild der Partei.

Die Union leidet dabei unter einem Sonderproblem: Denn die auch bei den Konservativen geltende Quotenregelung greift nur für die Landeslisten, die auch für die Bundestagswahl aufgestellt wurden. Aber diese Listen zogen bei der Auswahl der Parlamentarier nicht, weil CDU und CSU im September 2017 trotz schrumpfender Prozentzahlen die meisten Direktmandate gewannen. Bei der Auswahl der Wahlkreiskandidaten auf den unteren Parteiebenen aber gebe es keinerlei Quotierung, sagte Merkel.

FDP-Fraktionsvize Katja Suding lehnt eine Wahlrechtsveränderung ab

Deshalb wird als erster Ansatz eine Reform innerhalb der Partei selbst angesehen. Kramp-Karrenbauer ließ alle Fachausschüsse der Partei mit einer Doppelspitze besetzen. Damit, so Merkel, wolle man dafür sorgen, dass eine ausreichende Anzahl von Frauen in Führungspositionen kommen, die sich dann auch zutrauen, etwa bei der Bundestagswahl oder Landtagswahlen anzutreten. Die Frauenunion will sogar noch weiter gehen: „Das Frauenquorum muss künftig Vorrang vor anderen in den Satzungen und Verfahrensordnungen der Partei festgelegten oder praktizierten Quoten haben“, heißt es in einem Beschluss des FU-Bundesvorstands. Das wollen aber keineswegs alle in der CDU mittragen.

Eine Änderung über die Parteien selbst favorisiert auch FDP-Fraktionsvize Katja Suding. Sie lehnt eine Wahlrechtsveränderung ab. „Ich will keine feste Quote, sondern eine Selbstverpflichtung“, sagte sie im Deutschlandfunk. Eine gesetzliche Regelung Richtung Parität der gewählten Abgeordneten bezeichnete der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagfraktion, Marco Buschmann, auf Twitter sogar als verfassungswidrig.

Die Befürworter einer gesetzlichen Regelung weisen das zurück. „Die anstehende Wahlrechtsreform im Bundestag bietet die Chance, alle Optionen für eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen zu prüfen“, sagt die Frauen-Unions-Vorsitzende Annette Widmann-Mauz zu Reuters. Die Organisation plädiert auch dafür, Parteien notfalls wie in Frankreich über die Wahlkampfkostenerstattung dafür zu bestrafen, wenn sie nicht genügend Frauen aufstellen. Auch Maria Noichl, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF), besteht auf einer Wahlrechtsänderung.

Das Problem: Eigentlich hatten die Parteien schon in der vergangenen Legislaturperiode die Regeln zur Wahl des Bundestages ändern wollen, um eine weitere Aufblähung durch die vielen Überhangs- und Ausgleichsmandate zu verhindern. Einigen konnte man sich allerdings schon vor dem Einzug der AfD in den Bundestag nicht – nun kommt noch die Forderung nach einer Frauenregelung dazu. (Reuters)

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