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Mehr Frauen in den Chefetagen: Mehr Vielfalt für mehr Wettbewerbsfähigkeit

In deutschen Chefetagen gibt es mehr Männer mit Namen Thomas und Michael als Frauen. Warum das schlecht für die Wettbewerbsfähigkeit ist. Ein Gastbeitrag.

Thomas heißt er, wurde 1964 in Deutschland geboren und in Westdeutschland zum Wirtschaftswissenschaftler oder Ingenieur ausgebildet – und er ist das durchschnittliche Vorstandsmitglied der 160 in den Auswahlindizes der Frankfurter Börse notierten Unternehmen. 93 Prozent der Vorstandsmitglieder sind Männer, die sich in Alter, Herkunft und Ausbildung geradezu haarsträubend ähneln, denn der deutsche CEO umgibt sich am liebsten mit Spiegelbildern seiner selbst: Fünf Prozent der Vorstandsvorsitzenden heißen Thomas, und es gibt mehr Vorstandsmitglieder, die Thomas oder Michael heißen (nämlich 49), als es insgesamt Frauen gibt (46).

Die letzte Studie der AllBright Stiftung zeigt, wie die Unternehmen ihre Vorstände rekrutieren: als sei nur ein männlicher, 53-jähriger, in Westdeutschland ausgebildeter Betriebswirt in der Lage, an der Unternehmensführung mitzuwirken. Das ist natürlich keine rationale Entscheidung. Fachliche und persönliche Kompetenz verteilt sich ja nicht nur auf 53-jährige Männer, ein großer Teil des Talent-Pools fällt durchs Raster.

Da jedoch im Top-Management die Auswahlprozesse so gut wie gar nicht formalisiert sind, entscheidet im hohem Maße das Bauchgefühl, und die Frage „wer passt zu uns, wer ist wie wir?“ hat am Ende mehr Gewicht als die Frage „welcher Erfahrungshintergrund und welche Kompetenz fehlt uns noch?“. Man strebt nach größtmöglicher Reibungslosigkeit und schafft: Einseitigkeit.

Das zuzulassen, ist unternehmerisch riskant. Nichts spricht gegen den einzelnen Thomas. Aber ein gutes Team ist möglichst vielfältig aufgestellt, um Selbstkritik, Innovationsfähigkeit und Profitabilität zu gewährleisten. Zu homogene Führungsteams haben einen verengten Blickwinkel und die Tendenz, sich gegenseitig vor allem zu bestätigen – und so manövrieren sie sich einstimmig in die Krise, wie die Beispiele Deutsche Bank und Volkswagen gezeigt haben. Zur Überwindung der Krise haben dann auch beide Unternehmen Frauen in den Vorstand berufen.

Mehr als nur „nice to have“

Eine Handvoll Dax-Unternehmen hat den unternehmerischen Wert von Vielfalt auch ohne Krise erkannt und schon mehrere Frauen im Vorstand wie Allianz, Daimler, Munich Re oder SAP. In den allermeisten Unternehmen jedoch hält sich die alte Schablone hartnäckig und Thomas rekrutiert weiterhin nur Thomas: Die Vorstands-Neuzugänge des vergangenen Jahres waren wieder zu rund 90 Prozent Männer, die exakt dem bekannten Schema entsprechen.

Diese Fixierung ist ein merkwürdig deutsches Phänomen. Noch sind es vor allem ausländische Investoren, die mehr Vielfalt in den Konzernspitzen fordern – im eigenen Interesse sollten das alle Aktionäre tun. Die Erfahrung aus Schweden, wo sich in den letzten Jahren sehr viel bewegt hat und ein Frauenanteil von gut 20 Prozent in den Vorständen (und in Kürze voraussichtlich auch ein 40-prozentiger Frauenanteil in den Aufsichtsräten) ohne gesetzliche Quoten erreicht wird, zeigt außerdem: Auch aufmerksame Medien können zur nachhaltigen Veränderung in den Köpfen beitragen, indem sie die schablonenhaften Personalentscheidungen, die in ihrer ewigen Reproduktion des Immergleichen ja nichts anderes als ängstlich, unflexibel und rückwärtsgewandt sind, genau beobachten und kommentieren.

Mehr Vielfalt auf oberster Führungsebene ist eben nicht nur „nice to have“. Sie ist essenziell dafür, auch im künftigen Wettbewerb zu bestehen. In Zeiten von Digitalisierung und sich wandelnden Märkten braucht die Wirtschaft flexiblere und breiter aufgestellte Führungsstrukturen. Erreichen wird man sie am Ende nur, wenn die deutschen CEOs diese unternehmerische Notwendigkeit erkennen und konsequent anders rekrutieren – nämlich auf der Basis kühler strategischer Planung und klar formulierter Anforderungsprofile anstelle von Bauchgefühl und Spiegelbildeffekt.

Wiebke Ankersen und Christian Berg sind Geschäftsführer der AllBright Stiftung in Berlin. Die gemeinnützige deutsch-schwedische AllBright Stiftung setzt sich für mehr Frauen und Diversität in wirtschaftlichen Führungspositionen ein.

Wiebke Ankersen, Christian Berg

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