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Der Hauptangeklagte reckt die Faust. Den von der Türkei verfolgten Kommunisten verurteilten die Richter in München zu mehr als sechs Jahren Haft.

© Matthias Balk/dpa

Mehr als sechs Jahre Haft: Deutschland verurteilt türkische Kommunisten

Nach vier Jahren endet ein Mammutprozess gegen zehn türkische Kommunisten in München - dabei ist ihre Partei nur in der Türkei verboten.

Das Oberlandesgericht (OLG) München hat zehn Kommunisten aus der Türkei wegen Mitgliedschaft in einer von Ankara als "Terrorgruppe" eingestuften Partei verurteilt. Nach vier Jahren Verhandlung verkündeten die Richter am Dienstag, der Hauptangeklagte Müslüm E. erhält wegen Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland sechseinhalb Jahre Haft, die übrigen neun Angeklagten - darunter Ärzte und Pädagogen - wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland zwischen knapp drei und fünf Jahren Haft.

Die Angeklagten haben laut Gericht für die Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) in Deutschland neue Mitglieder geworben, Schriften verbreitet und Geld besorgt. Die maoistische Kleinpartei TKP/ML ist in Deutschland nicht verboten. Die Anwälte prüfen, ob sie Rechtsmittel einlegen.

In Frankreich und den Benelux-Staaten sollen sich TKP/ML-Anhänger weitgehend unbehelligt betätigen können, hieß es in Justizkreisen. In Deutschland sei dies wegen der engen Beziehungen zur Regierung in Ankara anders.

In der Türkei kämpft die militante TKP/ML für eine Revolution. Das Verfahren war von Protesten begleitet worden, die Verteidiger der Angeklagten sprachen von einem politischen Prozess im Dienste des türkischen Staatschefs Recep Tayyip Erdogan.

Die für solche Verfahren nötige Verfolgungsermächtigung des Bundesjustizministeriums hätte nicht erteilt werden dürfen, erklärten die Verteidiger, das Verfahren also eingestellt werden müssen. Der türkische Staat sei kein Schutzgut im Sinne des deutschen Strafrechtsparagrafen 129 b, der die Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung unter Strafe stellt.

Deutschland geht härter gegen PKK vor

Ähnlich wird immer wieder auch in Prozessen wegen mutmaßlicher Nähe zur Kurdischen Arbeiterpartei PKK argumentiert. Belgische Richter erklärten zuletzt, die PKK befinde sich in einem bewaffneten Konflikt mit der türkischen Armee – kurdische Aktivisten der Partei seien deshalb nicht als „Terroristen“ zu verfolgen. In Deutschland geht die Justiz da härter vor, Parolen, Spenden und Veranstaltungen für die PKK werden bestraft.

Die Verteidiger in München hatten insbesondere die offenkundige Kooperation mit staatlichen Stellen in der Türkei kritisiert. So wurde 2017 bekannt, dass türkische Geheimdienstler die Szene um die TKP/ML auch in Deutschland beobachten. In dem vor Gericht diskutierten Schreiben heißt es, als „Resultat der Zusammenstellung geheimdienstlicher Informationen“ über die Szene der Angeklagten ergebe sich, dass „in Deutschland ein zirka 700 bis 800 Personen starkes Kader existiert und sich diese Zahl bei den ausgerichteten Veranstaltungen auf 2000 heraufsetzt“. Damit sind Deutsch-Türken gemeint, die sich im Umfeld der kommunistischen Kaderpartei TKM/ML bewegen.

Das OLG München blieb in seinem Urteil nur knapp unter der Forderung der für Staatsschutzdelikte zuständigen Bundesanwaltschaft von sechs Jahren und neun Monaten. Dabei hatten auch deutsche Ankläger zuletzt von einer „repressiven Politik“ der Türkei gesprochen.

In einem PKK-Prozess in Berlin sagte der Staatsanwalt im Februar, dass sich die sozialistische Kurdenpartei gerade für ihre weiblichen Mitglieder in der Türkei „als überlebenswichtig“ erwiesen habe. Ohne die schlagkräftige Kaderpartei also wäre es Kurdinnen in der patriarchalen Gesellschaft schlecht ergangen.

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