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Zwei Kosovarinnen laufen durch die Hauptstadt Pristina.

© Armend Nimani/AFP

Mehr als ein Viertel aller Rückkehrer: Warum die meisten Infizierten aus dem Kosovo einreisen

Von mehr als 6400 infizierten Reiserückkehrern nach Deutschland kommen allein rund 1800 aus dem Kosovo. Das hat nicht nur politische Gründe.

Die Zahl der Corona-Infektionen steigt in Deutschland in den vergangenen Wochen wieder deutlich an. Ein Grund dafür sind auch die Reiserückkehrer, die sich seit dem 8. August testen lassen müssen, wenn sie aus Risikogebieten einreisen. So weit, so bekannt.

Das Land, aus dem die meisten infizierten Reisrückkehrer in den vergangenen vier Wochen gekommen sind, ist der Kosovo. Das geht aus Zahlen des Robert Koch-Institutes (RKI) hervor. Mehr als ein Viertel der insgesamt 6433 infizierten Rückkehrer in diesem Zeitraum reiste aus dem Kosovo ein. Die konkrete Zahl: 1755.

Natürlich ist auch diese hohe Zahl einerseits mit dem hohen Testvolumen zu erklären. Allerdings gibt es eine Statistik des RKI, die noch weitere Rückschlüsse zulässt. Diese geht mit der schwierigen Lage im Kosovo selbst einher. 

Das Land am Balkan zählt seit dem 15. Juni zu den ausgewiesenen Risikogebieten. Das hindert allerdings zahlreiche deutsch-kosovarische Familien nicht daran, zum Sommerurlaub in die zweite Heimat zu reisen. Das ist klar in einer Statistik des RKI zu erkennen.

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Denn es gibt eine Auffälligkeit bei der Betrachtung der unterschiedlichen Altersgruppen: So seien unter den infizierten Personen, die bei der Einreise angaben, sich zuvor im Kosovo aufgehalten zu haben, eher Kinder und Personen mittleren Alters. 

Das weise, so schreibt es das RKI in seinem Lagebericht vom Dienstag, auf mögliche Reisen im Familienverbund hin. Und auf eben diesen Reisen nahmen es wohl viele der nun infizierten Personen nicht ganz so genau mit den Corona-Vorschriften.

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„Die Menschen haben sich nach der Isolation verpflichtet gefühlt, ihre Familien zu besuchen. Und das häufig ohne angemessene Schutzmaßnahmen“, erklärte etwa Infektiologe Sali Ahmeti vom Universitätsklinikum Pristina in der ZDF-Sendung „Kosovo: Corona außer Kontrolle“. „Das hat die Ausbreitung des Virus gefördert“, so Ahmeti.

Im ZDF-Bericht wird deutlich, dass die Vorgaben wie Mindestabstände oder die Maskenpflicht häufig missachtet werden. Zwar kosten Verstöße gegen die allgemeine Maskenpflicht und Ausgangssperre ab 22:30 Uhr die Bürger des Kosovo bis zu 500 Euro – das hält aber nicht alle von langen Treffen ohne Maske ab.

Mehr zur Reiserückkehr aus Risikogebieten

„Hier ist die Gefahr der Bestrafung nicht so hoch“, erklärt Gastwirt Selver Islamaj – und rechtfertigt die lasche Einhaltung der Vorschriften sogar. Man sei ja ohnehin meist mit Familienmitgliedern in Kontakt. „Wenn sich da einer angesteckt hat, dann sind eh alle angesteckt“, erklärt er dem ZDF.

Das zeigt, dass viele den Ernst der Lage im Kosovo noch nicht erkannt haben oder denken, das Virus sei besiegt. Daran hat allerdings auch die Politik ihren Anteil. Zu Beginn der Pandemie galten im ganzen Land strenge Ausgangssperren. Im Juni wurde gelockert – seitdem steigen die Infektions- und Todeszahlen rasant an.

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11.545 Infektionen zählt die Johns Hopkins Universität am Donnerstag, 390 Tote – und das bei nur knapp zwei Millionen Einwohnern. Seit den Lockerungen lag die Zahl der täglichen Neuinfektionen stets im dreistelligen Bereich.

Sogar der neue Ministerpräsident Avdullah Hoti wurde in der vergangenen Woche positiv getestet. Neu deshalb, da der alte Regierungschef zu Beginn der Pandemie ein Misstrauensvotum nicht überstand. Die Hintergründe zeigen, wie wenig Ernst auch die führenden Politiker das Virus lange Zeit nahmen.

Ex-Regierungschef Albin Kurti lehnte es im März ab, aufgrund der Pandemie den Ausnahmezustand auszurufen. Er entließ sogar seinen Innenminister, da dieser darauf gedrängt hatte. Das Misstrauensvotum Ende März fiel dann zu Kurtis Ungunsten aus.

Strikte Corona-Maßnahmen von seinem Nachfolger Hoti, der seit Juni im Amt ist, sind nun allein schon deshalb nötig, da die Kapazitäten für intensivmedizinische Behandlungen und Tests sehr begrenzt sind. Laut Auswärtigem Amt ist „eine medizinische Versorgung nach deutschem Standard nicht gewährleistet“. 

Deshalb ist nicht auszuschließen, dass die kosovarische Regierung demnächst Landgrenzen und Flughäfen schließt. In der Vergangenheit erließ sie häufig kurzfristige Corona-Maßnahmen.

Und auch Maßnahmen der Bundesregierung sind nicht auszuschließen. Sollten die Zahlen sich weiter entwickeln wie derzeit, bleibt beiden Parteien wohl keine andere Wahl.

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