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Versteht er mich? Immer mehr Ärzte in Deutschland haben einen ausländischen Pass.

© dpa

Mediziner in Deutschland: Jeder zwölfte Arzt hat keinen deutschen Pass

Mehr als 300.000 Mediziner und Pflegekräfte aus dem Ausland arbeiten nach einer Studie bereits in Deutschland. Und es werden immer mehr.

Das deutsche Gesundheitssystem ist immer stärker auf ausländische Fachkräfte angewiesen. Jeder zwölfte der hierzulande praktizierenden Ärzte (8,2 Prozent) hat keinen deutschen Pass, die Zahl hat sich seit 1991 fast vervierfacht. Und in der Pflege ist die Quote noch höher. Unter den Krankenschwestern hat mehr als jede siebte einen Migrationshintergrund (15 Prozent), bei den Altenpflegerinnen nahezu jede Vierte (23 Prozent).

Insgesamt arbeiten in Deutschland bereits mehr als 300.000 Mediziner und Pflegekräfte mit ausländischen Wurzeln. Dies ist einer aktuellen Studie der Prognos AG zu entnehmen, die vom Gesundheitsministerium in Auftrag gegeben wurde. Rechnet man alle Gesundheitsberufe zusammen, sind es gut 630 000 Menschen.

40 000 Mediziner aus dem Ausland

Die Zahl ausländischer Ärzte erhöhte sich auf knappe 40.000, die meisten (81 Prozent) arbeiten in Krankenhäusern, nur elf Prozent haben eine eigene Praxis. Der Anteil syrischer Mediziner hat sich seit 1991 sogar verfünffacht – und durch die gelernten Ärzte, die in den vergangenen Monaten als Flüchtlinge kamen, könnten es bald noch deutlich mehr sein.

73 Prozent der Arztmigranten stammen aus dem europäischen Ausland – 56 Prozent aus der EU. An der Spitze der Herkunftsländer steht Rumänien mit 3857 Ärzten – vor Griechenland mit 3011 und Österreich mit 2695 Medizinern. Es folgen Russland (1996), Polen (1936), Syrien (1656) und Ungarn (1597). Rumänischen Statistiken zufolge haben seit dem EU-Beitritt des Landes vor acht Jahren etwa 14 000 Ärzte ihre Heimat verlassen. Bei den abgewanderten Krankenpflegern liegt die Zahl sogar noch zwei- bis dreimal höher.

Mehr Ärzte aus Iran als aus Italien

Auch nichteuropäische Staaten sind in deutschen Kliniken und Praxen gut vertreten. Aus dem Iran kommen mehr Ärzte als aus Italien, Ägypten und Jordanien stellen jeweils mehr Mediziner als das EU-Land Spanien.

Beim nicht-ärztlichen Personal kommen zwei von drei Migranten aus Europa. Die meisten – ziemlich genau 100.000 – sind aus Polen. Aus der Türkei stammen 62.000, aus der Russischen Föderation 53.000, aus Kasachstan 45.000 und aus Rumänien 25.000. In der Altenpflege arbeiten 140.000 Menschen mit Migrationshintergrund, in der Krankenpflege 127.000.

Anerkannt wird eine im Ausland erworbene Qualifikation hierzulande nur, wenn sie als gleichwertig mit einem deutschen Referenzberuf gilt. Jedoch variieren die Anerkennungsverfahren bei Gesundheitsberufen von Bundesland zu Bundesland. In der Altenpflege etwa wurde zwischen April 2012 und Dezember 2013 fast die Hälfte aller Anträge abgelehnt. Der Grund: Außerhalb Deutschlands gibt es kaum Studiengänge oder Ausbildungen in speziell dieser Fachrichtung.

Die größte Hürde ist der Spracherwerb

Die größte Hürde für Gesundheitsfachkräfte aus dem Ausland sei der Spracherwerb, heißt es in der Studie. Um den Bedarf zu decken, müssten berufsspezifische Deutschkenntnisse stärker gefördert werden.

Zwar wird bei Pflegekräften ein niedrigeres Sprachniveau akzeptiert. Doch die Fachsprachenkenntnis der Mediziner werde oft zu lax geprüft, kritisiert die Klinikärztegewerkschaft Marburger Bund.

Da die Anforderungen so unterschiedlich seien, gebe es unter zugewanderten Ärzten bereits einen innerdeutschen „Prüfungstourismus“, sagte NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens dem „Hamburger Abendblatt“. Es dürfe nicht sein, dass sich Mediziner Ärzte „mit schwachen Deutschkenntnissen gezielt Bundesländer mit niedrigen Anforderungen an das Sprachniveau aussuchen können, um dort eine bundesweit gültige Approbation zu erhalten“.

Im bevölkerungsreichsten Bundesland hat bereits jeder vierte Krankenhausarzt einen ausländischen Pass. Bei den Sprachtests dort fielen im vergangenen Jahr jedoch 35 bis 40 Prozent durch.

Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste wiederum klagt, dass die Berufsanerkennung für Pflegekräfte zu schwierig sei. „Die Messlatte für die geforderten Deutschkenntnisse hängt so hoch, dass viele Pflegefachkräfte lieber nach Skandinavien, Großbritannien oder Frankreich gehen, statt sich bei uns in die Mühlen der Bürokratie zu begeben“, sagte Verbandspräsident Bernd Meurer dem Tagesspiegel. Angesichts des Pflegefachkräftemangels sei man aber die Zuwanderung ausländischer Pflegefachkräfte „dringend angewiesen“.

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