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Angela Merkel und Emmanuel Macron am Samstag in Compiegne.

© AFP

Matthies meint: Europa - du willst es doch auch

Die Bundeskanzlerin hat einen vollen Terminkalender. Das bringt unseren Kolumnisten auf den einen oder anderen Gedanken. Eine Glosse.

Eine Glosse von Lars von Törne

Mehr Geschichte war schon lange nicht und mehr Merkel auch nicht. Das Ende ihrer Ära hat sich in den letzten Tagen eher wie ein höherer Gipfel angefühlt im Bilderstrom aus den lichten Höhen der Weltpolitik. Allerdings scheint es, dass die früher geradezu chemisch neutrale Kanzlerin irgendwie durchscheinender wirkt und eine Art Emotion zeigt: Kopf an Kopf mit Donald Trump zum Foto ausgerichtet – übellauniger kann kein Veganer in den Gulaschtopf schauen. Dagegen die ikonische Szene mit Emmanuel Macron im Wald von Compiegne: Sie seitlich blickend mit backfischhafter Glut, er, obwohl viel jünger, ein väterlich raunender Erklärbär im Mahlstrom der Geschichte. „Lass uns jetzt Europa machen!“ scheint er zu sagen, „du willst es doch auch!“

Aber das ist ein vager Eindruck; möglicherweise gratuliert er ihr auch zum baldigen Traumjob als Ex-Bundeskanzlerin oder erläutert nur beiläufig, was dran sei an den Berichten über eine Ehekrise im Hause Macron. Kein Wunder jedenfalls, dass die Kanzlerin am Rand des Festaktes von einer greisen Besucherin gefragt wurde, ob sie Frau Macron sei. So oder so: Die Emotionen sind zurück im Kanzleramt, uns erwartet eine lang anhaltende Was-ich-schon-immer-mal-sagen-wollte-Tournee mit täglich neuen Wendungen und Vorführungen, ja, es scheint, als habe die Ära der Event-Kanzlerin begonnen.

Zitierfähig

Am gestrigen Montag zum Beispiel sahen wir sie in der ungewohnten Rolle der Kämpferin für Frauenrechte mit einer Rede, prall gefüllt von Sätzen, die ohne Bearbeitung zitierfähig waren. Allerdings nicht ohne Widersprüche: Einerseits beklagte sie den Frauenanteil im Bundestag, der sogar vom Parlament des Sudan übertroffen werde. Andererseits zeigte sie sich stolz aufs selbst Geleistete und teilte mit, niemand lache ein Mädchen mehr aus, wenn es Ministerin oder Kanzlerin werden wolle, „es soll sogar schon Fragen geben, ob es auch ein Mann sein darf“. Was denn nun?

Weiter, immer weiter. Ihr Terminkalender für den Rest der Woche: Dienstag Nacht der Europäischen Wirtschaft, Mi/Do Kabinettsklausur zur Digitalisierung. Freitag zupft sie das ungebärdige Chemnitz ein wenig glatt, verschnauft am Sonnabend, um Kraft zu tanken für den Volkstrauertag mit Macron und Steinmeier. Abends lecker essen mit den Spitzen der europäischen Industrie, und dann mit Schmackes rein in die nächste Woche.

Ja, dieses Pensum ist klar zu viel für einen Nachfolger und verlangt nach einem Duo: AKK und Friedrich Merz im Jobsharing. Dann wäre auch da die Quote perfekt. Und niemand müsste mehr lachen.

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