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Autos stauen sich. In Essen wird es nun Diesel-Fahrverbote geben.

© Martin Gerten/dpa

Matthies meint: Bitte nichts dem Wachstum sagen!

Das Gericht hat Diesel-Fahrverbote in Teilen Essens angeordnet. Dann wird die Luft auf der Autobahn gut, aber neben dem Museum schlecht. Eine Glosse

Die Konjunktur geht runter, hören wir, endlich lässt das böse Wachstum nach, dem wir ja bekanntlich so gut wie jedes Unheil der Gegenwart verdanken, vom Fußpilz bis zum Reichtum, der immer die Falschen trifft. Aber es kann sicher nicht schaden, noch ein bisschen zu schubsen, ganz leicht nur, heute stehen wir am Abgrund, morgen sind wir schon einen Schritt weiter. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat nun also fürs nächste Jahr Diesel-Fahrverbote in Teilen von Essen angeordnet, die auch Teile der Autobahn 40 betreffen.

Schon klar, das sind Juristen, die denken nicht pragmatisch, schon gar nicht, wenn ihnen die Leute von der Umwelt-Hilfe im Nacken sitzen. Was also wird passieren? Ein Szenario: Am Folkwang-Museum (nur ein willkürliches Beispiel) biegen demnächst alle Diesel unter Euro 6 rechts ab und stauen dann die Ecke und das schöne Museum zu – mit der Folge, dass sich dort die Stickoxide auf früher nie gekannte Werte anreichern. Auf der Autobahn dagegen wehen alsbald Lüftchen wie im Hochsauerland, und damit ist der Umwelt echt geholfen, nicht wahr?

Ein gigantischer Schuss in den Ofen

Nein, so läuft es natürlich nicht. Vielmehr so: Die Stadt Essen wird schöne große Verbotsschilder aufstellen, die Polizei wird mitteilen, dass sie das nicht kontrollieren kann, weil das mit dem Diesel auf Autos ja nicht draufsteht; alle fahren also weiter, und hallo, das ist doch eine Autobahn, oder? Das Ganze wird also, was die Luftqualität angeht, ein gigantischer Schuss in den Ofen, der an den Berliner Kapweg erinnert, der ja auch für Diesel gesperrt werden soll, während die Zivilluftfahrt sich 50 Meter drüber weiter frei entfalten darf.

Der verständige Normalbürger, der ja als Kunstfigur Grundlage der allgemeinen Rechtsprechung sein sollte, er kann sich bei solchen Kapriolen nur noch verzweifelt an den Kopf fassen. Bis er begreift, dass es hier nicht um die Essener Luft geht, sondern um eine Kampagne, die einfach dieses sittenwidrige Wirtschaftswachstum aufhalten soll. Ganz, ganz lieben Dank dafür!

Am Donnerstag hat das Bundeskabinett nun eine Gesetzesänderung auf den Weg gebracht, derzufolge Fahrverbote bei nur geringer Überschreitung der Stickoxid-Grenzwerte unverhältnismäßig sind. Ich hätte nicht gedacht, dass ich das diesem Kabinett noch einmal attestieren darf: Aber darin manifestiert sich die reine, pragmatisch-praktische Vernunft in einer Weise, die exemplarisch zu nennen ist. Nur das Wachstum darf davon nie, nie erfahren.

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