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Gustl Mollath vor dem Landgericht Regensburg . Hinter ihm ein Banner mit der Aufschrift "Recht & Freiheit für Gustl Mollath".

© dpa

Maßregelvollzug: Psychisch kranke Straftäter sollen öfter ins Gefängnis

Die Kliniken für psychisch kranke Straftäter sind zu voll. Nun soll per Gesetz weniger zwangseingewiesen werden - auch um Fälle wie den von Gustl Mollath zu vermeiden.

Oft stand in Deutschland der Vorwurf gegen die Richter im Raum, sie würden vorschnell in psychiatrische Kliniken einweisen. Auch Zweifel an der Auswahl der Gutachter wurden immer wieder laut. Am Mittwoch hat das Bundeskabinett nun eine Neuregelung der Vorschriften für eine Zwangseinweisung beschlossen.

Es soll höhere Hürden geben. Außerdem sollen  Behandlungen nicht mehr unverhältnismäßig lange dauern. Von externen Gutachtern soll die Unterbringung nun häufiger als bisher überprüft werden. Eine womöglich lebenslange Unterbringung soll auf extreme Einzelfälle beschränkt sein. Wichtig sei dabei aber auch, "dass wir die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit nicht aus dem Auge verlieren", betont Bundesjustizminister Heiko Maas.

In Zukunft gilt: Straftäter werden nur dann in eine psychiatrische Klinik eingewiesen, wenn von ihnen eine erhebliche Gefahr ausgeht. Also wenn befürchtet wird, dass andere Menschen starke körperliche oder seelische Schäden zu befürchten haben. Oder wenn erheblicher wirtschaftlicher Schaden entstehen kann. Für diese Feststellungen wird es einen konkreten Anforderungskatalog geben, um Willkür zu vermeiden.

Die Einschätzung soll dann alle drei Jahre – bisher alle fünf Jahre – überprüft werden. In der Regel soll eine Unterbringung nicht länger als zehn Jahre dauern. Damit bleiben die Voraussetzungen für die Unterbringung in einer psychiatrischen Anstalt aber weiterhin deutlich niedriger als für die Anordnung einer Sicherheitsverwahrung. In Härtefällen wird es sogar möglich werden, den Klinikaufenthalt auf andere Freiheitsstrafen anzurechnen.

Etwa 10.000 Straftäter sind derzeit anstatt in einem Gefängnis in solchen Anstalten untergebracht. Psychiatrieverbände machen darauf aufmerksam, dass ihre Zahl in den letzten Jahren stark zugenommen hat. Außerdem ist die Behandlungsdauer deutlich gestiegen.

Im Jahr 2012 erfuhr das Thema Zwangseinweisungen besondere Aufmerksamkeit durch den Fall des Nürnbergers Gustl Mollath. Gutachter hatten bei ihm eine „paranoide Wahnsymptomatik“ festgestellt. Daraufhin und aufgrund falscher Zeugenaussagen war er zwangsweise in einer Psychiatrie untergebracht worden. Erst nach sieben Jahren wurde das Urteil aufgehoben.

Fachgesellschaften fordern weitere Reformen

Die beschlossene Neuregelung wird von den großen Gesellschaften für Psychiatrie zwar begrüßt, stößt aber auch auf scharfe Kritik. Sie sei „allenfalls ein erster kleiner Schritt auf einem viel längeren Weg notwendiger Reformen“, heißt es in einer Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie e.V. Besonders fragwürdig sei auch die Zusammensetzung der vom Justizministerium eingesetzten Bund-Länder-Arbeitsgruppe. Ihr gehörten weder Experten aus der Wissenschaft, noch aus der Praxis an.

Auch die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie(DGPPN) äußert sich enttäuscht. Sie hatte sich im Vorfeld immer wieder eine bundesweit einheitliche Regelung des psychiatrischen Maßregelvollzugs gewünscht. Bislang gäbe es mancherorts deutliche Mängel bei den Unterbringungsstandards Auch die Personalausstattung sei in den Bundesländern gravierend verschieden.

Es müsse an einer umfassenden Verbesserung der Rahmenbedingungen gearbeitet werden, heißt es von Seiten der DGPPN. Dazu bedarf es einer grundlegenderen Reform. Darin müssten auch endlich eindeutige Regelungen über das Wahlrecht und die Rentenansprüche der Patienten enthalten sein. Des Weiteren sei es nicht mehr angemessen, Patienten durch Begriffe wie "Schwachsinn" oder "schwere seelische Abartigkeit“ unnötig zu stigmatisieren.

Die Regierung erhofft sich nebenbei durch das neue Gesetz Geld zu sparen. Denn in einer Klinik fallen zusätzliche Behandlungskosten an. Durch die Konkretisierung der Voraussetzungen sollen jetzt weniger Personen als bislang zwangseingewiesen werden. So könnten Unterbringungs- und Behandlungskosten deutlich reduziert werden. Die Anrechenbarkeit des Klinikaufenthalts auf Haftstrafen aus anderen Urteilen würde auch den Gefängnissen Kosten einsparen.

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