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Wasser für die Demonstranten. In Israel gingen Tausende Menschen auf die Straße.

© Oded Balilty/dpa

Update

Massive Kritik an Ministerpräsident Netanjahu: Tausende demonstrieren gegen Corona-Kurs der Regierung in Israel

Aufgrund neuer Beschränkungen sind Tausende Israelis auf die Straße gegangen. Und auch die Korruptionsvorwürfe setzen Ministerpräsident Netanjahu weiter zu.

Tausende Israelis haben am Samstagabend erneut gegen den Umgang der Regierung mit der Coronavirus-Krise demonstriert.

In Jerusalem versammelten sich zahlreiche Menschen vor dem Anwesen von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, auch in einem Park in Tel Aviv kam es zu Protesten. Unter den Demonstranten waren auch Mitglieder der Bewegung „Schwarze Flaggen“. Sie warfen der politischen Führung vor, sie sei korrupt und habe sich vom Volk entfernt. Sie hielten Plakate in die Höhe, auf denen Slogans wie „Corona-Diktatur“ und „Wirtschaftliche Sicherheit für uns alle!“ standen.

Die Polizei ging mit Wasserwerfern gegen die Demonstranten vor, nachdem mancherorts Straßen blockiert und Polizisten mit Pfefferspray attackiert worden waren. Mehrere Menschen wurden festgenommen. Die israelische Regierung steht derzeit wegen der Ausbreitung des Coronavirus massiv in der Kritik. Bereits vergangene Woche hatten tausende Menschen gegen Netanjahus Krisenmanagement demonstriert.

Zunächst hatte die israelische Regierung eine großflächige Ausbreitung des Virus verhindert, indem sie Mitte März eine strikte Ausgangssperre verhängt hatte. Ende Mai wurden viele Coronavirus-Regeln aber gelockert, in der Folge schnellten die Infektionszahlen in die Höhe.

Corona-Lockdown setzt Israels Wirtschaft zu

Am Freitag ordnete die Regierung deshalb eine Reihe erneuter Beschränkungen an. Geschäfte, Einkaufszentren, Friseure und Schönheitssalons müssen an den Wochenenden geschlossen bleiben. Restaurants dürfen nur noch Lieferservice oder Essen zum Mitnehmen anbieten. Viele Restaurantbesitzer wollen jedoch gegen die Vorschriften rebellieren.

Netanjahu hat bereits eingeräumt, die Coronavirus-Maßnahmen zu früh gelockert zu haben. Angesichts der Proteste kündigte er vor kurzem finanzielle Soforthilfen in Milliardenhöhe für alle Bürger an. Experten kritisierten den Schritt und forderten stattdessen gezielte Maßnahmen zur Stärkung der Wirtschaft.

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Die Folgen der Einschränkungen haben der Wirtschaft des Landes schwer zugesetzt. Die Arbeitslosenquote lag zuletzt bei mehr als 20 Prozent.

Die Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus in Israel stieg zuletzt auf immer neue Rekordwerte. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums ist der Erreger Sars-CoV-2 bisher bei 49.204 Menschen in Israel nachgewiesen worden; 400 Infizierte sind gestorben. Im besetzten Westjordanland wurden nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums bisher 8132 Menschen infiziert, 58 starben.

Demonstranten fordern Rücktritt wegen Korruptionsvorwürfen

Einige Demonstranten forderten am Samstag auch Netanjahus Rücktritt wegen der gegen ihn erhobenen Korruptionsvorwürfe. Der Regierungschef muss sich derzeit wegen des Vorwurfs der Bestechlichkeit, des Betrugs und der Untreue vor Gericht verantworten. Am Sonntag entschied die Richterin, dass die Beweisaufnahme im Januar 2021 beginnen soll.

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Netanjahu müsse dann dreimal in der Woche vor Gericht erscheinen. Dabei handelt es sich nach Medienberichten um einen Kompromiss zwischen Anklage und Verteidigung. Der Ministerpräsident wird verdächtigt, als Kommunikationsminister dem Telekom-Riesen Bezeq Vergünstigungen gewährt zu haben. Im Gegenzug soll das zum Konzern gehörende Medium „Walla“ positiv über Netanjahu berichtet haben.

Außerdem wird Netanjahu verdächtigt, von befreundeten Milliardären Luxusgeschenke im Wert von rund 700.000 Schekel (184.000 Euro) angenommen zu haben – Schmuck, Zigarren und rosa Champagner. Zudem soll er dem kritischen Zeitungsverleger Arnon Moses angeboten haben, im Gegenzug für positive Berichterstattung dessen Konkurrenzblatt zu schwächen.

Netanjahu streitet alle Vorwürfe ab und wirft Polizei und Staatsanwaltschaft vor, sie hätten die Anklage gegen ihn „fabriziert“. (AFP, dpa)

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