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Zehntausende demonstrierten auf dem Wenzelsplatz.

© Reuters

Massenproteste in Prag: Zehntausende fordern den Rücktritt von Premier Babis

Tschechiens Regierungschef ist in einen Skandal um EU-Subventionen verwickelt. Jetzt eskaliert der Konflikt - mit Brüssel und mit den Bürgern.

Prag habe die größte Demonstration seit der „samtenen Revolution“ vor 30 Jahren gesehen, sagen die Veranstalter. Rund 120000 Menschen versammelten sich am Dienstagabend auf dem Wenzelsplatz, um den Rücktritt von Regierungschef Andrej Babis und seiner Justizministerin Marie Benesova zu fordern. Die Zehntausenden protestieren dagegen, dass sich der Regierungschef an die Macht klammert, obwohl der Skandal über den Missbrauch von EU-Subventionen, in dem er der Protagonist ist, immer größer wird.

Schon seit April gibt es Demonstrationen in Prag und an anderen Orten. Am vergangenen Freitag nun veröffentlichte die Wirtschaftszeitung „Hospodarske noviny“ einen noch vertraulichen vorläufigen Untersuchungsbericht der EU. In dem 71-seitigen Report wird festgestellt, dass Tschechien Subventionen in Höhe von 17,5 Millionen Euro zu Unrecht erhalten habe und zurückzahlen müsse.

Das Geld, das eigentlich für mittelständische Unternehmen beantragt war, kam dem Agrofert-Konzern zugute – und der gehörte Babis. Der Milliardär hat ihn, als er 2017 das Amt des Regierungschefs antrat, an zwei Treuhandfonds überschrieben. Einziger Nutznießer dieser Fonds ist – Babis. Die EU-Ermittler nennen das einen Interessenkonflikt. Der tschechische Generalstaatsanwalt sagte, möglicherweise müsse wegen Straftaten ermittelt werden.

Der Unternehmer Babis, dessen Vermögen auf vier bis fünf Milliarden Euro geschätzt wird, war mit seiner Partei Ano 2011 in die Politik mit dem Versprechen eingestiegen, die politische Klasse abzulösen. Leicht gelang es Babis, aus dem Verdruss der Tschechen Kapital zu schlagen. In der Folge schien nichts den Ambitionen des Oligarchen schaden zu können. Die Ermittlungen wegen Subventionsbetrugs laufen immerhin schon seit gut zweieinhalb Jahren.

Auch als vor Kurzem das Europaparlament gewählt wurde, schien der Skandal um Babis kaum eine Rolle zu spielen. Seine Ano-Partei wurde mit 21,6 Prozent der Stimmen stärkste Kraft. Allerdings gingen nicht einmal 30 Prozent der Tschechen zur Wahl. Babis geht offensichtlich dennoch davon aus, dass er noch Rückhalt in der Öffentlichkeit hat. Schon vor der Demonstration ging er zum Gegenangriff über. Der EU-Bericht sei eine „dreckige Lüge“, einer Vertrauensfrage im Parlament werde er sich nicht stellen.

Lebensgefährlich ist die Krise für die Sozialdemokraten, den Koalitionspartner von Babis. Es war schon gefährlich, als Juniorpartner in eine von Populisten geführte Regierung einzutreten, die von den Kommunisten toleriert wird. Nun fordern die Demonstranten von den Sozialdemokraten, sie müssten sich entscheiden: für oder gegen Babis. Die Partei spielt auf Zeit, wie schon im November 2018. Damals hatte der Senat, das Oberhaus des tschechischen Parlaments, Babis bereits mit Mehrheit zum Rücktritt aufgefordert. In der Abgeordnetenkammer fiel der Antrag jedoch durch.

Jetzt verweisen die Sozialdemokraten darauf, bisher gebe es nur einen vorläufigen Bericht. Man müsse das Endergebnis abwarten. Bei den Europawahlen kam die Strafe: Kein einziger sozialdemokratischer Kandidat errang einen Sitz. Ein Ausstieg aus der Regierung käme jetzt ohnehin wohl zu spät. Bei vorgezogenen Neuwahlen würde ihnen eine Katastrophe drohen, sagen die Umfragen.

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