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Martin Schulz spricht auf dem Kirchentag im Berliner Dom über Vertrauen und Politik. Er selbst vertraue seiner Frau am meisten. Rat suche er außerdem bei seinem alten Freund und Wegbegleiter Achim Großmann.

© Gregor Fischer/AFP

Martin Schulz auf dem Kirchentag: "Ich höre jetzt immer: Du hast das Charisma eines Eisenbahnschaffners"

Nein, sagt Martin Schulz auf dem Kirchentag, er beneide Angela Merkel nicht um die weltpolitische Bühne. Und mischt dann doch ein bisschen mit – und äußert sich zu der Kritik an seiner Person.

Von Anna Sauerbrey

„Ich habe noch kein Bild von diesem Mann.“ Erika Laudenbach, 80 Jahre alt, aus Gladbeck im Ruhrgebiet, hat einen guten Sitzplatz ergattert im Berliner Dom, Reihe vier. In wenigen Minuten wird hier SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz mit Elisabeth von Thadden aus dem Kirchentagspräsidium und dem Soziologen Armin Nassehi über „Glaubwürdigkeit in der pluralen Gesellschaft“ diskutieren. Erika Laudenbach ist hier, weil sie Schulz kennenlernen will. Sie hat schon öfters SPD gewählt, manchmal auch etwas anderes. Dass Hannelore Kraft in NRW abgewählt wurde, tut ihr leid. Aber über Schulz wisse sie einfach noch zu wenig, um sich zu entscheiden.

Martin Schulz porträtierte sich als optimistischer Kämpfer gegen den Populismus

Ein bisschen Klaviermusik, dann kommen von Thadden, Nassehi und Schulz auf die Bühne. Schulz darf anfangen. In seiner kurzen Rede sagt er, das Vertrauensverhältnis zwischen Politik und Bürgern habe einen "klaren Bruch erlitten". Das schreibt er der systematischen Zerstörung des Vertrauens durch den Populismus zu, aber auch der Vielzahl möglicher Perspektiven in einer komplexer werdenden Welt. Populisten würden das ausnutzen, „bis am Ende keiner mehr keinem glaubt." Schulz porträtierte sich als optimistischer Kämpfer gegen den Populismus: "Ich glaube, wir können diese Kräfte aufhalten. Ich glaube auch an unsere Gemeinschaft als Demokratinnen und Demokraten."

Der Soziologe Armin Nassehi wird ihm in der Problembeschreibung später weitgehend zustimmen. Es gebe eine überstarke Sehnsucht nach Eindeutigkeit – dabei heiße Vertrauen gerade, eine gewissen „Unschärfe in der Beobachtung der Welt aushalten zu können.“ Nassehi warnt aber auch die SPD und das Kirchentagspublikum vor zu wohlfeilen, einfachen Weltsichten. „Sie klatschen alle zu schnell, wenn das Wort Lobbyist fällt“, stellt er fest.

Schulz nutzt die Gelegenheit der Vertrauensdebatte, um sich als informierter Bauchpolitiker zu porträtieren. Er beschreibt, wie er oft mit widerstreitenden Experten- oder Beratermeinungen konfrontiert ist. "Je mehr man weiß, desto schwieriger wird es, zu entscheiden", sagt Schulz - und dass er deshalb auch oft auf seine Intuition höre.

Martin Schulz: „Ich höre jetzt immer: Deine Brille ist falsch. Du musst den Bart abnehmen."

Er möge das Wort „Authentizität“  nicht, sagt Schulz. Aber er wolle sich auch nicht verändern. „Ich höre jetzt immer: Deine Brille ist falsch. Du musst den Bart abnehmen. Du hast das Charisma eines Eisenbahnschaffners. Versuch Hannover-Deutsch zu sprechen. Seien Sie nicht böse, aber: Nee.“ Ständig würde er jetzt lesen, er habe einen Nachteil gegenüber Angela Merkel, der die große außenpolitische Bühne gehöre. Doch er bereue das nicht. Er wolle lieber mit den Leuten reden, ihre Probleme verstehen. Ich bin echt. Ich bin vor Ort – das ist seine Nachricht. Einen tagespolitischen Angriff auf Donald Trump lässt er sich dennoch nicht nehmen. Der US-Präsident habe sich beim Nato-Gipfel "im Stile eines autokratischen Herrschers" aufgeführt, sagt Schulz mit Verweis auf Trumps scharfe Kritik an den Rüstungsausgaben der europäischen Nato-Mitglieder. Trump habe die Repräsentanten demokratischer Länder "demütigend behandelt." "Das braucht man nicht zu akzeptieren.“

Erika Laudenbach, die Gladbeckerin, wird später sagen, am besten habe ihr an Schulz gefallen, dass er sich nicht größer oder anders zu machen versuche, als er ist. Und ja, sie habe jetzt das Gefühl, ihn besser zu kennen.

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