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Eine illegal entsorgte Matratze liegt auf einem Gehweg in Neukölln.

© Jörg Carstensen/dpa

Martenstein über Touristen als Müllsammler: Mit Eichenlaub und Pizzaresten

Touristen haben Spaß beim Kennenlernen durch Müllsammeln – so stellt es sich der Bezirk Pankow vor. Unser Kolumnist ist sich da nicht so sicher. Eine Glosse.

Eine freundliche Leserin hat mich gebeten, nicht so oft die SPD zu kritisieren, sondern öfter mal zum Beispiel die CDU. Die Grünen kritisiere ich ja oft genug. Was die AfD betrifft, habe ich gelesen, dass man mit ihr keinen Dialog führen soll, und weil Kritik in meinen Augen eine Form des Dialogs ist, scheidet das auch aus.

Nun habe ich von der originellen Idee erfahren, das Berliner Müllproblem zu lindern, indem Touristen einen Teil des Mülls wegräumen. Ich würde gern schreiben, dass es sich um eine Idee der CDU handelt. Leider kriege ich dann Ärger, die CDU würde mir mächtig einheizen, zu Recht. Um mein Versprechen nicht zu brechen, verrate ich nicht, aus welchen Parteien die Idee stammt.

Federführend ist der Bezirk Pankow. Die Touristen, dies sei betont, sollen freiwillig mitmachen, das ist schon mal viel wert. Gesäubert werden erst mal der Mauerpark und der Ernst-Thälmann-Park. Die meisten Touristen interessieren sich für die Berliner Mauer, und wenn sie dann sehen, dass der Mauerpark nur ein Park ist, können sie nicht mehr zurück. Hinterher kriegen sie „eine Anerkennung“ – womöglich die Ernst-Thälmann-Medaille mit Eichenlaub und Pizzaresten.

Die Managerin Lisa John, die das Evententmüllen organisiert, betont laut RBB „das Erlebnis, sich als Teil der Stadt fühlen zu können“, wenn man Bierflaschen und fettige Dönerreste einsammelt. Dies ist zweifellos richtig. Müllmäßig ist Berlin vielerorts Haiti. Andere Befürworter der Aktion verwenden die Trendwörter „nachhaltig“, „sensibilisieren“ und „Spaß“. Letzterer stelle sich beim gegenseitigen Kennenlernen von Einheimischen und Touristen ein. Da bin ich nicht so sicher.

Solche Müllsammel-Aktionen gibt es auch in Barcelona

In der Regel macht das Einsammeln von Müll nicht unbedingt Spaß. Die Touristen kehren dann von ihrem Drei-Tage-Trip nach New York oder Tokio zurück und auf die Frage, was sie gesehen haben, antworten sie: „Da in Berlin gibt es unglaublich viel fettiges Papier, aber die Leute haben eine Menge Spaß damit. Ich war Teil davon.“

Vielleicht könnte man Touristen auch als Lehrer einsetzen, zum Beispiel in Englisch, Sensibilität und Erdkunde. Touristen mit technischer Begabung würde ich an der BER-Baustelle einsetzen. Solche Müllsammel-Aktionen gibt es auch in Barcelona.

Zufällig war ich kürzlich in Barcelona. Das Müllproblem dort ist mit den Berliner Dimensionen nicht zu vergleichen. Geben die mehr Geld für die Müllabfuhr aus oder sind dort die Touristen fleißiger? Da tippe ich auf Ersteres.

Berlintouristen machen viel Müll, das stimmt. Aber im Gegensatz zu den Dealern lassen sie Geld hier. Die Stadt nimmt das Geld, den Müll räumt sie leider nicht so weg, wie es nötig wäre. In der Berliner Politik sind nämlich für Probleme meistens die anderen zuständig.

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