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Feuriger Start. Die Trägerrakete der "Mars 2020"-Mission der NASA mit dem Rover Perseverance.

© AFP(NASAA/Joel Kowsky

Mallorca der Raumfahrt: Alles fliegt auf den Mars - zu Recht

Der Rote Planet ist zum Lieblingsziel irdischer Missionen geworden. Denn der Mars bedeutet viel mehr für unsere Zukunft, als uns bewusst ist. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gregor Dotzauer

Der Mars ist auf dem besten Weg, ein Mallorca der Raumfahrt zu werden. Unter allen acht Planeten unseres Sonnensystems – Pluto wird seit 2006 aus Definitionsgründen nicht mehr offiziell als Nummer neun geführt – hat er sich zum Lieblingsziel irdischer Missionen entwickelt.

Vor allem die NASA wird nicht müde, Orbiter um Lander um Rover in Richtung Mars zu schicken, als würde sie von den zurückliegenden Missionen nicht noch auf Bergen unausgewerteter Daten sitzen. Und jetzt haben zu allem Überfluss auch die Vereinigten Arabischen Emirate und China den Roten Planeten als Sehnsuchtsort entdeckt.

Im Lauf weniger Julitage haben sich von der japanischen Insel Tanegashima aus erst die Sonde al-Amal (Hoffnung) auf die sechsmonatige Reise gemacht, dann von einem Kosmodrom auf Hainan aus die Sonde Tianwen-1. Schließlich sind am Donnerstag von Cape Canaveral mit Hilfe einer Trägerrakete der Rover Perseverance (Durchhaltevermögen) und der Helikopter Ingenuity (Einfallsreichtum) gestartet.

Unbemannte Unternehmungen, deren Sinn sich neben einer neu aufgeflammten Konkurrenz der politischen Systeme nur erschließt, wenn man sie als Probeläufe für bemannte Expeditionen versteht: Je weniger hier schiefgeht, desto früher kann man es wagen, Menschenleben zu riskieren.

Elon Musk mag als Chef des privaten Raumfahrtunternehmens SpaceX im vergangenen Jahr allzu vollmundig die Besiedlung des Roten Planeten für 2025 angekündigt haben. Doch selbst wenn es nie gelingen wird, dort Liegestühle aufzustellen, sind die Lebensbedingungen weniger feindlich als auf anderen Planeten: Der Mars hat eine Zukunft, weil die Venus unsere Zukunft ist.

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In rund hundert Millionen Jahren, sagen Forscher, könnten bei uns Verhältnisse herrschen wie auf der Venus, wo gut drei Milliarden Jahre lang erdähnliche Temperaturen geherrscht haben müssen, bevor sie ein noch unverstandener Treibhauseffekt auf 464 Grad steigen ließ. Der Luftdruck liegt mit 92 bar um das 90-fache höher, und die Atmosphäre besteht zu 96 Prozent aus Kohlendioxid. Die Venus zu erforschen, ist von daher eine lohnende Zeitreise.

Das Venusprogramm der NASA stagniert

Doch das 2015 vorgestellte High Altitude Venus Operational Concept (HAVOC) der NASA stagniert bei der Umsetzung. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, die sich mit den USA seit den 1960er Jahren einen Wettlauf um die Venus (und den Mars) geliefert hatte, tauchten im neuen Jahrtausend mit der europäischen Venus Express und der japanischen Sonde Akatsuki (Morgendämmerung) auch keine ernsthaften Rivalen mehr auf.

Die politischen Voraussetzungen für ein globales wissenschaftliches Miteinander mögen heute nur geringfügig besser sein als zu Zeiten des alten Blockdenkens. Die Einsicht, dass es dabei nicht um symbolische Formel1-Rennen im Weltraum geht, sondern um Menschheitswissen, dürfte jedoch massiv gewachsen sein.

Die chinesische Sonde trägt nicht zu Unrecht den bedeutungsträchtigsten Namen aller aktuellen Marsprojekte. Benannt nach „Tian Wen“, einem rätselhaften, aus 172 mythologischen, kosmologischen und astronomischen Fragen bestehenden Gedicht, das Qu Yuan, einem Dichter aus dem dritten vorchristlichen Jahrhundert zugeschrieben wird, stellt es tatsächlich „Fragen an den Himmel“. Dieser gibt uns Antworten, für die wir nur offene Ohren brauchen.

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