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Platzhirsch in Berlin: die "Mall of Berlin".

© Kai-Uwe Heinrich

"Mall of Berlin": Im Rausch der Größe

Die "Mall of Berlin", die an diesem Donnerstag ihren Betrieb aufgenommen hat, wird sofort der Platzhirsch sein. Erst einmal sieht es so aus, als grabe sie dem alten Einkaufszentrum am Potsdamer Platz die Kundschaft ab. Ist das gut für Berlin? Ein Kommentar.

Natürlich wird es auch wieder Gemecker geben – wir sind schließlich in Berlin. Noch ein Einkaufszentrum! Und wieder die immer gleichen Marken, die in Berlin an jeder zweiten Ecke präsent sind! Alles nur für Touristen! Richtig, zumindest zum Teil. Aber vor allem ist die Eröffnung der „Mall of Berlin“ ein Grund zur Freude für die Stadt, weil nun endlich das fast zwei Jahrzehnte andauernde Gewürge um die Bebauung des Leipziger Platzes vorbei ist. Weil die Historie des legendären Wertheim-Kaufhauses an eben diesem Platz eine würdige Fortsetzung erfährt. Und schließlich, weil die lästige Lücke zwischen Friedrichstraße und Potsdamer Platz jetzt geschlossen ist, und zwar so, dass auch Fußgänger nicht mehr das Gefühl haben, auf der Flucht zu sein.

Ein Neubau kann nie die Altstadt ersetzen

Es ist vollendet, das ist schön, aber auch dieses Ende ist nur eine Zäsur in der Stadtgeschichte. Denn ob all das, was da am heutigen Donnerstag in Betrieb genommen wird, die hohen Erwartungen auch erfüllt, wird sich erst allmählich zeigen. Selbst ein noch so akkurat geplanter Neubau kann nie die Altstadt mit historisch gewachsenen Fußgängerzonen und kleinen, spezialisierten Fachgeschäften ersetzen, wie wir sie in anderen Großstädten im In- und Ausland ganz selbstverständlich erwarten. Berlin kann also niemals Paris werden – aber vielleicht die belebte Variante steriler Shopping-Paradiese wie Dubai?

Nimmt die Mall dem Potsdamer Platz die Kundschaft ab?

Doch selbst das wäre ein fernes Ziel. Denn bislang sieht es erst einmal so aus, als grabe das neue Einkaufszentrum einfach dem alten, gegenüber am Potsdamer Platz, die Kundschaft ab – einige wichtige Geschäfte haben ja schon die Seiten gewechselt. Es mag also das Pfeifen im Walde sein, wenn man am Potsdamer Platz die gestiegene Attraktivität der gesamten Gegend lobt. Oder auch nicht. Denn die Zusammenballung mehrerer großer Kaufzentren an der Schlossstraße beispielsweise hat sich durchaus als erfolgreich erwiesen. Und man könnte auch die Parallele zum Berliner Hotelmarkt ziehen, der sich gut entwickelt, obwohl das Angebot der Nachfrage immer ein ganzes Stück vorauseilte.

Die „Mall of Berlin“ wird damit keine Probleme haben, weil sie ab sofort der Platzhirsch in der Innenstadt ist – dem Zentrum, das alle Kunden mit einschlägigen Kauf- und Guck-Absichten als Erstes ansteuern werden. Doch wenn der wie üblich von Sonderangeboten beflügelte Start vorüber ist, muss sie beweisen, dass sie jene Aufenthalts- und Erlebnisqualität bieten kann, die wir heute als selbstverständlich ansehen, die uns mehr bietet als das Gehetze von Ladentür zu Ladentür auf dem traditionellen Boulevard.

Das Grundproblem ist Uniformität

Daran sind Zweifel durchaus angebracht. Denn das Grundproblem der großen Einkaufszentren, mögen sie nun „Arkaden“, „Mall“ oder „Schloss“ heißen, ist immer ihre Uniformität. Auf der einen Seite ist es die ewig gleiche Systemgastronomie, auf der anderen sind es die üblichen auf Unterhaltungselektronik und Kleidung spezialisierten Läden: Alle, die ohnehin schon da sind, verkaufen nun auch dort. Und in einer Stadt mit dem Anspruch Berlins fällt zudem auf, dass selbst ein so zentrales und von Superlativen bestimmtes Einkaufszentrum wie die „Mall“ den absoluten Luxussektor kaum bedienen kann und damit für begüterte Touristen wenig attraktiv ist.

Der Berliner aber kann sich nun dem Rausch der Größe in der Mall hingeben, er kann aber auch dem kleinen Spezialisten im Kiez die Treue halten – oder sich unbeeindruckt von all dem im Internet bedienen. Mehr Auswahl war nie.

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