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Sergej Magnitski.

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Update

Magnitski-Prozess in Russland: Schuldspruch gegen toten russischen Whistleblower

Ein russisches Gericht verurteilt den Anwalt Sergej Magnitski wegen Steuerbetrugs – fast vier Jahre nach seinem Tod. Dabei hatte Magnitski selbst einen riesigen Steuerbetrug aufgedeckt und Beamte angezeigt.

Ein Moskauer Gericht hat am Donnerstag den 2009 in Haft gestorbenen russischen Anwalt Sergej Magnitski der Steuerhinterziehung für schuldig befunden. Magnitski hatte im Jahr 2008 selbst einen gigantischen Steuerbetrug aufgedeckt, den russische Beamte gemeinsam mit Personen aus dem organisierten Verbrechen begangen haben sollen. Wenig später wurde er von Mitarbeitern eben jener Offiziere des Innenministeriums festgenommen, die er zuvor beschuldigt hatte. Im Jahr darauf starb der Anwalt im Alter von 37 Jahren unter bis heute ungeklärten Umständen im Gefängnis.

Unmittelbar vor seinem Tod im November 2009 soll der in der Haft schwer erkrankte Magnitski von mehreren Wachleuten geschlagen worden sein.  Außerdem wurde ihm über längere Zeit eine angemessene medizinische Behandlung verweigert.  Dass Russland einem Toten den Prozess machte, statt den von ihm erhobenen Vorwürfen nachzugehen und seinen Tod zu untersuchen, hatte weltweit Kritik ausgelöst. Die Verurteilung des toten Magnitski sei „ein weiterer Beleg für die Sowjetisierung Russlands“, erklärte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger am Donnerstag.

Gemeinsam mit dem toten Magnitski wurde auch dem britischen Staatsbürger William Browder, dem Chef des Investmentfonds Hermitage Capital, für den der Anwalt in Moskau gearbeitet hatte, der Prozess gemacht. Browder wurde am Donnerstag  in Abwesenheit ebenfalls wegen Steuerhinterziehung zu neun Jahren Haft verurteilt. 

Putin gehe in die Geschichte ein, sagt Browder.

Der russische Präsident Wladimir Putin gehe nun in die Geschichte ein, sagte Browder dem Tagesspiegel: „Putin ist der erste Präsident in Europa in den letzten tausend Jahren, der einen Prozess gegen einen Toten angeordnet hat.“

Seit Jahren bemüht sich Browder darum, die für den Tod seines Anwalts Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Da er dafür in Russland selbst derzeit keine Möglichkeit sieht, wirbt er dafür, die betreffenden russischen Beamten nicht mehr in westliche Länder einreisen zu lassen und ihre Konten einzufrieren. 

Die USA haben im Zusammenhang mit dem Fall Magnitski bereits Einreiseverbote gegen 16 russische Beamte verhängt, darunter zwei Offiziere des Innenministeriums, eine Steuerbeamtin und die Haftrichterin. Einige dieser Personen verfügten nach Magnitskis Tod plötzlich über erstaunlich große Vermögen, das nach Recherchen von Journalisten offenbar aus dem von Magnitski angezeigten Steuerbetrug stammte.

Das „Magnitski-Gesetz“ löste Verstimmungen zwischen Washington und Moskau aus – und führte dazu, dass Russland US-Eltern verbot, russische Kinder zu adoptieren.

Auch Großbritannien verweigert offenbar bereits Personen die Einreise, die für den Tod Magnitskis verantwortlich gemacht werden, wie der „Telegraph“ kürzlich berichtete. Allerdings ließ die britische Regierung einen entsprechenden Hinweis aus einem öffentlichen Dokument nach dessen Bekanntwerden wieder streichen, möglicherweise um die Beziehungen zu Moskau nicht zu verschlechtern. Im Europäischen Parlament gibt es derzeit ebenfalls Bemühungen, eine ähnliche schwarze Liste auf EU-Ebene durchzusetzen.

„Die Entscheidung, einen Toten vor Gericht zu stellen, zeigt, wieviel Angst der Putin vor den Magnitski-Sanktionen hat“,  sagte Browder. Doch diese würden nun noch wahrscheinlicher, glaubt er.

Russland kann sich im übrigen wenig Hoffnung darauf machen, den unermüdlich für Sanktionen werbenden Browder hinter Gitter zu bringen: Interpol hat bereits das russische Verfahren gegen ihn als politisch motiviert eingestuft.

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