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Kanzlerin Merkel und Frankreichs Staatschef Macron begrüßen einander am Sonntag im Bundestag.

© REUTERS

Macrons Rede im Bundestag: Macron eine Bühne zu bieten, reicht nicht aus

Der französische Präsident Macron sprach im Bundestag - aber auch das wird ihn seiner Idee von Europa nicht näher bringen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Es läuft derzeit nicht gut für Emmanuel Macron. In der Innenpolitik schlägt ihm der Zorn der Bürger entgegen, die sich über die geplante Erhöhung der Spritpreise empören. Und in Europa muss er befürchten, dass sein Elan verpufft. Frankreichs Präsident war mit dem Anspruch angetreten, ein Budget für die Euro-Zone zu schaffen und Europas Verteidigungsmacht zu stärken. Hinzugekommen ist inzwischen seine Forderung, Konzerne wie Google und Facebook mit einer Digitalsteuer in der EU stärker zur Kasse zu bitten.

Euro-Zonen-Budget, europäische Armee, Digitalsteuer – im Grunde stehen diese Projekte als Chiffre für eine EU, die tatsächlich Ergebnisse abliefert und sich in den Augen ihrer Bürger als handlungsfähig erweist. Anders als EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker, der seltsamerweise die Abschaffung der Zeitumstellung als ein bürgernahes Vorhaben identifizierte, hat Frankreichs Präsident erkannt, was die Europäer in diesen Tagen wirklich brauchen: die Gewissheit, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten ihnen Schutz gewähren. Dieser Schutz kann sich eben ausdrücken in einer stärkeren Selbstbehauptung gegenüber Digitalriesen oder durch die Stärkung des europäischen Pfeilers innerhalb der Nato. Deren Zusammenhalt ist seit der Amtsübernahme von US-Präsident Donald Trump geschwächt.

Die Geste, Macron eine Bühne zu bieten, reicht noch nicht aus

Seine Rede im Bundestag bot Macron noch einmal Gelegenheit, den deutschen Freunden ins Gewissen zu reden. Der Appell, gemeinsam mit Frankreich ein „neues Kapitel“ in der Europapolitik aufzuschlagen, lässt sich auch als ein flehentlicher Wunsch deuten: Bitte lasst mich nicht im Stich!

Macron wusste es bei seiner kraftvollen Rede zu würdigen, dass ihm der Bundestag die seltene Möglichkeit bot, noch einmal unmittelbar bei den Parlamentariern für seine Idee von Europa zu werben. Allerdings weiß der Staatschef auch, dass diese Geste allein noch nicht ausreicht. Denn an Gesten und Absichtserklärungen hat es in den zurückliegenden eineinhalb Jahren seit der Wahl Macrons wirklich nicht gemangelt. Sechs Monate vor der Europawahl ist jetzt die Zeit zum Liefern gekommen.

Macron könnte sich neue Partner bei Liberalen, Grünen und Sozialdemokraten suchen

So sieht es auch Kanzlerin Angela Merkel. Sie hat es in der Hand, das Ende ihrer Kanzlerschaft in den Dienst einer Wiederbelebung der deutsch-französischen Führungsrolle in der EU zu stellen. Gegenwärtig sieht es allerdings danach aus, dass sie Macron nur mit den allerkleinsten Schritten entgegenkommt: Ein Budget für die Euro-Zone wird zwar auch von der Bundesregierung befürwortet, allerdings nur in geringem Umfang. Die Digitalsteuer findet Finanzminister Olaf Scholz im Prinzip zwar richtig, aber nicht unbedingt im EU-Rahmen. Und bei der gemeinsamen Verteidigungspolitik machte Macron am Sonntag im Kanzleramt deutlich, dass er den Ehrgeiz der Kanzlerin noch für ausbaufähig hält. Da soll sich keiner wundern, falls sich Frankreichs Staatschef demnächst unter Europas Parteienfamilien neue Verbündete suchen sollte – bei Liberalen, Grünen und Sozialdemokraten.

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