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Im Schnittpunkt der europäischen Balance der Geschlechter und Parteien: Ursula von der Leyen.

© Thierry Roge/BELGA/dpa

Machtkampf um die EU-Kommission: Mehr Transparenz, weniger Frauen

Das Aufbegehren des Europäischen Parlaments gegen von der Leyens Vorschlag für die EU-Kommission nimmt eine ironische Wendung. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Entscheidend sei, was hinten rauskommt, hat Helmut Kohl gesagt. Was bei einer Emanzipationsbewegung am Ende rauskommt, ist freilich schwer vorhersehbar, wenn das Aufbegehren beginnt. Die Französische Revolution führte nach wenigen Jahren zur Inthronisierung eines anderen Herrschergeschlechts: Bonaparte statt Bourbon.

Und der Einspruch des Europäischen Parlaments gegen Ursula von der Leyens Personalvorschlag für die EU–Kommission hat nach wenigen Wochen die ironische Folge, dass dort, erstens, weniger Frauen vertreten sein werden als beabsichtigt. Und, zweitens, der Anteil der Konservativen noch steigt, obwohl die Parlamentslinke sich schon zuvor schlecht repräsentiert fühlte.

Für abgelehnte Frauen werden Männer nominiert

Mit einem Team aus 12 Frauen und 14 Männern hatten die Anhörungen im EP Mitte September begonnen – annähernde Geschlechterparität, wenn man von der Leyen einrechnet. Der Rechtsausschuss ließ die Rumänin Rovana Plumb (Sozialisten) und den Ungarn László Trócsányi (Europäische Volkspartei, EVP) wegen Interessenkonflikten erst gar nicht zur Anhörung zu.

Die Französin Sylvie Goulard (Liberale) konnte die Bedenken wegen ihrer Finanzaffären in den Anhörungen nicht widerlegen. Von der Leyen musst die drei Staaten um neue Vorschläge bitten. Ungarn und Frankreich nominierten Männer nach, Oliver Varhelyi und Thierry Bretton.

In Rumänien war mittlerweile die sozialistische Regierung über ein Misstrauensvotum gestürzt. Die EU hatte ihr ebenfalls Korruption und eine fragwürdige Justizreform vorgeworfen, was wiederum negativ auf ihre potenzielle Nachnominierung für die Kommission abfärbte. Zudem stritten die amtierende sozialistische Regierung und der nationalliberale Präsident Klaus Johannis, wer in dieser Lage das Vorschlagsrecht habe.

Der Regierungswechsel in Rumänien verändert die Balance

Am Montag wurde der Nationalliberale Ludovic Orban zum neuen Regierungschef gewählt. Er und Johannis können sich leicht einigen auf eine Person aus ihrem Lager, das zur EVP zählt. Aber wird es eine Frau sein oder noch ein Mann – was das Geschlechterverhältnis auf elf zu 16 bringen würde? Durch Rumäniens Nachnominierung verschiebt sich zudem die Balance zwischen den Parteifamilien, auf die von der Leyen geachtet hatte, zu Gunsten der konservativen EVP.

Wie wird das Parlament reagieren? Mit einer zweiten Welle des Aufbegehrens? Alle drei Nachnominierten müssen in die Anhörungen. Am Ende stimmt das EP auch über die gesamte Kommission ab. Die Abgeordneten werden das nachgebesserte Team wohl bestätigen. Sie haben ihre Macht und ihr Drängen auf Ethik und Transparenz erneut bewiesen. Mit dem Ungleichgewicht der Geschlechter können sie leben. Die neue Kommission soll endlich die Arbeit aufnehmen. Zum 1. Dezember. Das hat jetzt Priorität.

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