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Im Mittelpunkt des Interesses. Juan Guaidó mit seiner Frau Fabiana und seiner dreijährigen Tochter Miranda.

© Federico Parra/AFP

Machtkampf: Juan Guaidó legt seine Pläne für Venezuela vor

Was, wenn Maduro abgelöst werden sollte? Sein Kontrahent will das Land zur Marktwirtschaft zurückführen und privates Unternehmertum wieder möglich machen.

Entbürokratisierung, Ende des Überwachungsstaates, Vertrauen in das kreative und produktive Potential der venezolanischen Bürger: Mit seinem „Plan Pais“ hat der konservative Oppositionsführer Juan Guaidó (35) seine Vorstellung für den Neuaufbau Venezuelas vorgelegt.

Damit wissen seine Landsleute, die derzeit für einen Regierungswechsel im ganzen Land auf die Straße gehen, wofür der junge charismatische Ingenieur steht, der seit seiner Wahl zum Parlamentspräsidenten am 5. Januar und der Selbstvereidigung zum Interims-Präsidenten am 23.Januar einen kometenhaften Aufstieg hingelegt hat.

Bislang einte die Regimegegner vor allem das Ziel: die Ablösung Maduros und der Sozialisten. Guaidó ist die dafür dringend benötige Führungsfigur. Jetzt hat er seinen Führungsanspruch innerhalb der Opposition und im Land auch inhaltlich untermauert. Er gibt den Sozialisten aber auch eine Angriffsfläche: Die werfen ihm vor, das Land ans Ausland verkaufen zu wollen.

Kein Ausverkauf - aber Geschäfte

In der Tat dürften besonders die Ölkonzerne dieser Welt genau hingeschaut haben, als Guaidó am Donnerstag in der Aula der Zentraluniversität seine Pläne vorstellte. Der staatliche Ölkonzern PDVSA, praktisch im Parteibesitz, soll sich laut Guaidós Plänen wieder auf seine Aufgabe konzentrieren: die Förderung von Öl und Gas.

Internationale Investoren sind willkommen, die Lagerstätten bleiben aber fest in venezolanischer Hand: Das ist einerseits ein Signal an alle, die einen Ausverkauf fürchten, andererseits aber auch an die westliche Welt, wieder stärker in Venezuela zu investieren – wenn es denn zu einem Regierungswechsel kommen sollte.

Auf das Treuhandkonto hätte die Regierung keine Zugriff

Der Ausverkauf des venezolanischen Öls ins Ausland hat längst stattgefunden: Das Land ächzt unter den Milliardenschulden, die Venezuela an Russland und China zurückzuzahlen hat – mit Öl selbstverständlich. Die Regierungen Chavez/Maduro haben sich mit Milliardenkrediten in die Abhängigkeit Russlands und Chinas begeben.

Wirklich Geld verdient Venezuela nur mit dem Verkauf des Öls in die USA, die in Dollar zahlen. Doch auch das ist seit den jüngsten Sanktionen Washingtons kaum noch möglich. Die Rechnungen für das venezolanische Öl sollen auf Treuhandkonten gezahlt werden, auf die das jetzige Regime keinen Zugriff mehr haben soll.

Humanitärer Korridor soll Leid lindern

Auch für Peking und Moskau hatte Guaidó eine Botschaft: Einerseits gelte es zwar über die Auslandsschulden neu zu verhandeln, andererseits garantiere eine neue Regierung die Stabilisierung der Wirtschaft und damit auch eine Absicherung der Milliarden-Investitionen. Peking, so vermeldete es am Freitag der Sender Globovision, stünde bereits mit beiden Seiten in Kontakt. Petro-China habe laut Informationen von Reuters ein gemeinsames Raffinerie-Projekt mit Caracas erst mal gestoppt.

Die Opposition bereitet derweil eine weitere Geste vor. Die Bekämpfung der humanitären Krise in Venezuela habe absolute Priorität, sagte Guaidó. Dazu soll es einen humanitären Korridor geben, der dringend benötigte Lebensmittel, Medikamente und Produkte des täglichen Bedarfs nach Venezuela bringt. Auch das hat eine politische Bedeutung, denn die venezolanische Regierung bestreitet, dass es eine humanitäre Krise im Land gibt. Die Engpässe seien vielmehr das Ergebnis eines Wirtschaftskrieges neoliberaler Kräfte. Vizepräsidentin Delcy Rodriguez bezweifelt sogar öffentlich, dass es einen Massenexodus aus Venezuela gibt.

Am Samstag gibt es wieder einen Protestmarsch

Guaidó will mit seinem Vorschlag der Dynamik vor dem so wichtigen Samstag zusätzlichen Schwung verleihen. Dann sollen alle Venezolaner wieder auf die Straße gehen, es soll der bislang größte Protestmarsch seit Jahresbeginn werden. Guaidó verspricht: „Wir gehen so lange auf die Straße, bis diese Diktatur beendet ist.“

Heinz Dieterich, linker Soziologe und Autor des Buches „Sozialismus des 21.Jahrhunderts“, das in Lateinamerika als eines der wichtigsten politikwissenschaftlichen Bücher gilt, hat eine genaue Vorstellung, wie lange das noch dauern könnte. Im Sender CNN sagte Dieterich, die Ära Maduro könnte in zwei Wochen zu Ende sein. Der venezolanische Staatschef sei inzwischen eine Geisel zweier Kräfte: der eigenen Armee und der USA.

Maduro zeigt sich an der Seite der Militärs

Dazu passt eine andere Wortmeldung: Rafael Ramirez war zu Lebzeiten von Revolutionsführer Hugo Chavez (1999- 2013) einer dessen wichtigster politischer Mitstreiter, weil er als Ölminister den Staatskonzern PDVSA führte. Inzwischen hat sich Ramirez mit den in Caracas herrschenden Eliten überworfen und bringt sich als Nachfolger für einen möglichen Neuaufbau bei den Sozialisten in einer Ära nach Maduro und Diosdado Cabello ins Gespräch. Maduro bleibt derweil standhaft: Er zeigt sich seit Tagen an der Seite der Militärs und wirft den USA einen Putschversuch vor.

Die Nerven liegen blank

Das alles ganz anders laufen könnte, als die euphorische Opposition glaubt, zeigt ein weiterer Vorfall: Als Juan Guaidó seinen „Plan Pais“ vorstellte, sollen Sicherheitskräfte der gefürchteten Einheit FAES zu dem Wohnhaus der Guaidós gefahren sein, und nach dessen Ehefrau gefragt haben. „Sie wollen wieder Angst generieren“, sagte Guaidó, der sich auf Berichte der Nachbarn beruft. Die Polizei widerspricht dieser Darstellung. Die Nerven liegen blank in Venezuela vor einem Wochenende, das Aufschluss darüber geben wird, wohin die Reise gehen wird.

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