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Der Präsident Venezuelas Nicolas Maduro - eine freie Wahl würde er verlieren. Das weiß er.

© Federico Parra/AFP

Machtkampf in Venezuela: Alle Hoffnung richtet sich auf die Militärs

Neuwahlen sind nicht die Lösung im Konflikt zwischen Maduro und Guaidó – die Generäle müssen zum Frontwechsel gebracht werden. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Die Konfrontation in Venezuela lässt eine ferne Vergangenheit wieder aufscheinen: der Kalte Krieg, Länder am Rande des Bürgerkriegs, Washington unterstützt die eine Seite, Moskau die andere. Rutschen die USA und Russland, die auch in Syrien und der Ukraine die Kräfte messen, in eine neue Ära der Stellvertreterkriege wie einst die Sowjetunion und die USA rund um den Globus, zum Beispiel in Nicaragua und El Salvador (Lateinamerika), in Angola (Afrika), in Korea und Vietnam (Asien)?

Kein neuer Stellvertreterkrieg mit Moskau

Eine direktes Aufeinandertreffen ihrer Streitkräfte ist nicht zu befürchten. Auch ein jahrelanger Konflikt, geschürt durch Waffenlieferungen und Militärberater, ist in Venezuela unwahrscheinlich. Die Konstellation ist eine andere. Moskau ist keine Weltmacht mehr, hat nicht die Ressourcen für eine aktive Lateinamerikapolitik. Und kaum noch Verbündete dort, nur das kriselnde Kuba und Bolivien. Sie haben nicht die Mittel, um den Sturz des Diktators Nicolás Maduro zu verhindern. Der Latinosozialismus hat sich diskreditiert, auch durch den Verfall des Lebensstandards und der Ordnung in Venezuela. Linker Populismus ist in Lateinamerika im Abschwung, zentristische bis rechtskonservative Kräfte gewinnen Zulauf.

Eine große Koalition von Staaten in Nord- und Südamerika sagt, Nicolás Maduro sei ein Usurpator, er müsse abtreten. Der Anstoß ging nicht von Donald Trump aus, sondern von Kanadas liberaler Außenministerin Chrystia Freeland. Sie tritt unerschrocken für Demokratie und Grundrechte ein, von Saudi Arabien bis China. Die Machtgewichte der Region (Brasilien, Argentinien, Chile, Peru) unterstützen den jungen, moderaten Oppositionsführer Juan Guaidó. Nachbarn wie Kolumbien und Ecuador spüren seit Jahren die Last des Niedergangs in Venezuela. Trotz des Ölreichtums ist es zum Armenhaus geworden, Millionen sind ins Ausland geflohen, arbeiten als billige Hilfskräfte, die sozialen Spannungen an den Zufluchtsorten wachsen. Deshalb sehnt sich die Region nach einem Ende des Alptraums der Maduro-Diktatur.

Wo ist die Solidarität mit Demokraten, die einiges riskieren?

Eigentlich ist klar, wer da im Recht ist. Also auch, wen Deutschland und die EU unterstützen sollten. Sie reagieren aber vorsichtig. Maduro sei zwar kein legitimer Präsidenten. Guaidó wollen sie aber auch nicht anerkennen. Sie fordern Neuwahlen. Das ist verständlich – und wirkt zugleich ein wenig feige. Wo ist die Solidarität mit Demokraten, die einiges riskieren?

Für Zurückhaltung spricht: Die Lage ist gefährlich. Das Militär hält, noch, zu Maduro, eine Konfrontation auf der Straße kann zum Blutbad führen. Freilich stehen die Generäle nicht aus Überzeugung zu ihm, sondern weil sie vom System profitieren. Guaidó will sie durch Amnestie gewinnen. Er darf zudem hoffen, dass untere Ränge sich weigern, auf Landsleute zu schießen.

Ein weiteres Risiko ist Donald Trump. Hätten die USA einen umsichtigen Präsidenten, der sich der Verantwortung bewusst ist und in enger Abstimmung mit den Verbündeten in der Region handelt, wären die Chancen auf eine rasche, unblutige Lösung größer. Trump ist unvorbereitet und hat innenpolitische Motive. Er will sich aus der Defensive im Budgetstreit befreien, wo er eine Niederlage einstecken musste. Und möchte wieder stark erscheinen.

Die deutsche Vorsicht hat Nachteile

Die deutsche Vorsicht hat freilich auch Nachteile. Das Angebot von Neuwahlen wäre ein Geschenk für Maduro. Er will Zeit gewinnen, den Machterhalt organisieren. Er kontrolliert die Massenmedien und den Staatsapparat. Neuwahlen wären nur eine Option, wenn Maduro sofort zurücktritt und eine neutrale Übergangsregierung den Urnengang organisiert. Freie Wahlen würde Maduro verlieren. Das weiß er. Da kann man ihm auch gleich straffreies Exil anbieten und Guaidó die Macht übergeben. Alle Hoffnung richtet sich auf die Einsicht der Militärs.

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