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Ralph Brinkhaus zieht sich in die hinteren Reihen zurück - aber wird er einsam werden in der CDU/CSU-Fraktion?

© imago images/Political-Moments

Machtkampf in der Union vermieden: Brinkhaus' Rückzug ist nicht frei von Tragik

Der Wegbereiter hat den Weg zum Fraktionsvorsitz frei gemacht. Merz muss sich fragen: Wäre er heute CDU-Chef, wenn Brinkhaus nicht mutig gewesen wäre?

Als Ralph Brinkhaus am 25. September 2018 zum neuen CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag gewählt wurde, dürfte sich Friedrich Merz bestätigt gefühlt haben. Und auch herausgefordert.

Der ehemalige Fraktionschef, damals im politischen Exil bei der Finanzfirma Blackrock, konnte in dem Erfolg des bis dahin eher unscheinbaren Finanzpolitikers vor allem eines erkennen: Es gab eine Mehrheit jenseits der Politik der Kanzlerin in der CDU.

Zunächst galt die Kampfkandidatur gegen Merkels Vertrauten Volker Kauder eher als Signal für verbreiteten Unmut unter den Abgeordneten, dem der Fraktionsvize Brinkhaus tapfer ein Gesicht geben wollte. Ein Jahr nach der Bundestagswahl waren die Umfragewerte der Union noch schlechter als das ohnehin schon miese Wahlergebnis von gut 32 Prozent.

Es war ein Herbst des Missvergnügens, die Kanzlerin galt als nicht mehr so zugkräftig. Aber noch schien es so, dass sie genügend Zugriff auf die Fraktion hatte, um einen Erfolg der im August angekündigten Bewerbung von Brinkhaus abwenden zu können. Allerdings kursierte schon Tage vor der Abstimmung eine Zählung, nach der Brinkhaus die Mehrheit hatte. Was sich an jenem Dienstag Ende September dann in einer denkwürdigen Fraktionssitzung bestätigte.

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Mit 125 zu 112 Stimmen wurde Brinkhaus, der Abgeordnete aus dem Wahlkreis Gütersloh I, zum neuen Fraktionschef gewählt. Es folgte bald darauf die Ankündigung Merkels, beim Parteitag im Dezember 2018 nicht mehr für den Parteivorsitz anzutreten. Einige Tage später gab Merz bekannt, neben Annegret Kramp-Karrenbauer und Jens Spahn für die Nachfolge an der Parteispitze zu kandidieren. Aber ihm gelang nicht, was Brinkhaus gelungen war – zu gewinnen. Noch nicht. Denn Merz ließ nun nicht mehr locker, bis zu seinem Erfolg beim Digitalparteitag am vergangenen Wochenende.

Ob Brinkhaus selbst jemals Ambitionen über den Posten an der Spitze der Fraktion hinaus hatte, ist ungewiss. Für den Parteivorsitz hat er nie kandidiert. Als er im April 2021 angesichts des Streits zwischen Armin Laschet und Markus Söder als weiterer möglicher Kanzlerkandidat ins Gespräch gebracht wurde, hielt er sich bedeckt.

Beide in der gleichen Strömung

Die CDU ist keine Partei mit ausgesprochenen Flügeln, aber sie hat ihre Strömungen. Brinkhaus gehört zur Truppe der Wirtschaftspolitiker, der Freunde des deutschen Mittelstands, die gerade in der Bundestagsfraktion großes Gewicht haben. Einige sind betont konservativ, andere moderater, manche gehören zum Merkel-Lager.

Brinkhaus war immer ein Mann der Mitte im wichtigen Parlamentskreis Mittelstand. Merz gehört auch in diese Strömung, die beiden unterscheidet nicht gar so viel – Merz ist allenfalls der ausgeprägtere Marktwirtschaftler. Und Merz war eher der Mann von Wolfgang Schäuble, der grauen Eminenz dieser Gruppe in der Partei.

Was heute allerdings weitgehend vergessen ist: Es war Laschet, der Merz 2017 (acht Jahre nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag) wieder in einer politischen Aufgabe reaktivierte. Er machte ihn zum Beauftragten für die Folgen des Brexits und die transatlantischen Beziehungen, ein Seitenjob in der NRW-Landesregierung.

[Lesen Sie dazu bei Tagesspiegel Plus: Friedrich Merz und sein Gegenspieler]

Die Tage von Brinkhaus an der Spitze der Fraktion waren gezählt, als Merz nun Parteivorsitzender wurde. In der Opposition ist es das Fraktionsamt, das in der Tagespolitik der wichtigere Posten ist. Selbst wenn Merz die nächste Kanzlerkandidatur der Unionsparteien jetzt noch gar nicht ins Auge fassen würde und tatsächlich erst einmal nur die Partei nach der krachenden Wahlniederlage von 2021 wieder aufrichten will – ohne die Aufmerksamkeit, die er als oberster Parlamentsredner und Widersacher des Kanzlers im Bundestag bekommt, würde das nicht gelingen.

"Kein persönlicher Dissens"

Brinkhaus ist nun der Einsicht gefolgt, dass Merz eine Kampfwahl in der Fraktion gewonnen hätte. So ist sein Brief vom Montag, in der er zwar unterschiedliche Auffassungen „bezüglich des Fraktionsvorsitzes zwischen Friedrich Merz und mir“ erwähnt, aber daraus keinen persönlichen Dissens ableitet, das Abschiedsschreiben einer etwas tragischen Figur. Denn letztlich war es Brinkhaus mit seiner mutigen Kandidatur in der Fraktion vor gut drei Jahren, der Merz den Weg bereitet hat.

Nun ist der Wegbereiter wieder in die zweite Reihe gerückt. Man wird sehen, ob und wie Merz es ihm danken wird. Brinkhaus werde ein wichtiges Mitglied der Fraktion bleiben, teilte er nach der Entscheidung mit. Er werde dessen "Fähigkeiten und seine Unterstützung gern in Anspruch nehmen". Am 15. Februar soll Merz zum neuen Fraktionschef gewählt werden.

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