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Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko schickt Flüchtlinge nach Litauen weiter.

© Nikolay Petrov/dpa

Lukaschenko setzt Migranten als Waffe ein: Die Aufnahme von Flüchtlingen darf kein Tabu sein

Falls Litauen angesichts der Zahl der Flüchtlinge aus Belarus überlastet sein sollte, müssen die Migranten in der EU verteilt werden. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Es ist eine neue Flüchtlingsroute, die der belarussische Diktator Alexander Lukaschenko eröffnet hat. Seit Wochen kommen Migranten überwiegend aus dem Irak über Belarus nach Litauen. Lukaschenko beteiligt sich an der Menschenschlepperei, indem er die Migranten zunächst als „Touristen“ einlädt, um sie nach Litauen weiterzuschicken. Gegen diese Art der hybriden Kriegsführung müssen die europäischen Partner gewappnet sein – und dem kleinen EU-Mitgliedsland Litauen notfalls Flüchtlinge abnehmen.

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Als Ursula von der Leyen Ende 2019 ihr Amt als EU-Kommissionschefin antrat, rief sie eine „geopolitische Kommission“ aus. Der Anspruch der Brüsseler Behörde lautet, dass die Gemeinschaft auf der Weltbühne selbstbewusst das Gewicht zum Einsatz bringen soll, das sich aus ihrer Wirtschaftsmacht ergibt. Dazu gehört allerdings auch eine gewisse Krisenfestigkeit, die nun von Lukaschenko auf den Prüfstand gestellt wird.

Erinnerungen an den Februar 2020

Zunächst hat die EU so reagiert, wie die Gemeinschaft dies auch im Februar 2020 tat. Damals ließ der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan Tausende Migranten an die griechische Grenze karren, um die EU zu einer stärkeren finanziellen Unterstützung für Syrien-Flüchtlinge zu zwingen. Die EU schickte – so wie auch jetzt im Fall Litauens – Beamte der Grenzschutzagentur Frontex ins Krisengebiet. Auch in diesen Tagen zielt die Strategie der Gemeinschaft in erster Linie darauf ab, die Migranten schon an ihrer Außengrenze zu stoppen.

Entscheidender Unterschied zwischen Lukaschenko und Erdogan

Allerdings gibt es einen entscheidenden Unterschied zwischen Erdogan und Lukaschenko. Mit dem Machthaber von Minsk kann die Gemeinschaft, anders als seinerzeit mit Erdogan, nicht verhandeln. Der türkische Präsident kann inzwischen mit zusätzlichen EU-Milliarden bei der Flüchtlingshilfe kalkulieren. Es gibt hingegen nichts, was die EU Lukaschenko anbieten kann und darf. Im Gegenteil: Angesichts der Instrumentalisierung der Migranten aus dem Irak ist sogar eine Verschärfung der bestehenden Sanktionen denkbar.

Auch Polen und Lettland könnten in den Fokus geraten

In dieser Situation ist nicht auszuschließen, dass Lukaschenko noch weit mehr Flüchtlinge als bisher Richtung Westen lenkt. Der litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis hat bereits davor gewarnt, dass bis zum Ende des Sommers weitere 18.000 Menschen in den baltischen Staat gelangen könnten. Was passiert, falls er als Nächstes Migranten nach Lettland schleust? Und auch Polen hat eine Grenze zu Belarus.

Panik hilft der EU angesichts solcher Szenarien nicht, sondern nur ein kühles Nachdenken über ihre Möglichkeiten. Dazu gehört die Option, dass sich einzelne Staaten auf freiwilliger Basis zusammentun, wie das auch regelmäßig bei der Aufnahme von Flüchtlingen im Mittelmeer der Fall ist. Die Bundesregierung verweist darauf, dass die litauische Regierung bislang bei den EU-Partnern nicht um die Übernahme von Flüchtlingen gebeten habe. Trotzdem sollten „willige“ Staaten wie Deutschland und Frankreich jetzt schon überlegen, wie viele Flüchtlinge sie gegebenenfalls übernehmen könnten – ohne das verheerende Signal auszusenden, dass Lukaschenkos neue Route in jedem Fall in die EU führt.

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