zum Hauptinhalt
Fluggäste warten am Düsseldorfer Flughafen vor einem Check-In-Schalter auf ihre Abfertigung.

© dpa/Roland Weihrauch

Luftverkehrs- und Reisebranche in Sorge: Deutsche Flughäfen steuern auf Chaos zu

Nur noch wenige Wochen, dann beginnen in einigen Bundesländern die Sommerferien. Sind die Flughäfen diesem Ansturm gewachsen? Nein, meinen Experten.

Nicht nur der BER macht dieser Tage von sich reden: Flughäfen in ganz Deutschland sorgen mit enorm langen Wartezeiten und ausgefallenen Flügen für viel Verdruss bei den Reisenden.

Die Lufthansa streicht allein für Juli 900 innerdeutsche und europäische Flüge an den Drehkreuzen in Frankfurt und München. Dies trifft Flüge am Freitag, Samstag und Sonntag - und zwar fünf Prozent der geplanten Kapazität an den Wochenenden.

Auch die Lufthansa-Billigtochter Eurowings kappt mehrere hundert Verbindungen und begründet dies mit der „zur Stabilisierung des touristischen Angebots.“ Die genaue Zahl stehe noch nicht fest.

Verbände der Luftverkehrs- und Reisebranche warnen vor langen Wartezeiten an Flughäfen während der Sommermonate. Auslöser für die kritische Situation an deutschen Flughäfen ist vor allem Personalmangel: Nach Angaben des Flughafenverbandes ADV sind in den Sicherheitskontrollen, beim Check-in sowie in der Flugzeugabfertigung rund 20 Prozent der Stellen unbesetzt.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

„Die Wiederbelebung des Flugverkehrs führt zu Steigerungsraten von über 250 Prozent bezogen auf die Vorjahresmonate. Während im Januar dieses Jahres die Zahl der Reisenden an den deutschen Flughäfen bei lediglich 30 Prozent des Vorkrisenniveaus lag, waren es zu Ostern bereits 65 Prozent und an Pfingsten über 70 Prozent“, sagte Ralph Beisel, ADV-Hauptgeschäftsführer, dem Geschäftsführer.

20 Prozent der Stellen an Flughäfen sind derzeit unbesetzt

Dieser schnelle Hochlauf des Luftverkehrs führe in den Sommermonaten an Spitzentagen zu Belastungen, die von den vorhandenen Beschäftigten nur schwer bewältigt werden könnten. Bundesverkehrsminister Volker Wissing rechnet nicht mit einer baldigen Entlastung an deutschen Flughäfen.

„Kurzfristige Lösungen wären zwar äußerst wünschenswert, sind aber nicht sehr wahrscheinlich“, sagte Wissing der Bild am Sonntag mit Blick auf den Personalmangel an den Flughäfen sowie Verspätungen und Streichungen von Flügen. Die Situation im europäischen Luftverkehrssystem sei für alle „eine enorme Herausforderung“. Der Fachkräftemangel erreiche den Alltag der Menschen immer stärker.

Die Bundesregierung habe während der Pandemiekrise insbesondere mit umfangreichen Regelungen zur Kurzarbeit versucht, das personelle Know-How der Luftverkehrsbranche aufrecht zu erhalten, erklärte ein Sprecher des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr dem Tagesspiegel auf Anfrage. Allerdings sei es während der letzten beiden Jahre auch bei den Unternehmen aufgrund der Coronakrise zu Personalrückgang gekommen, ohne dass dafür rechtzeitig und ausreichender Ersatz gewonnen werden konnte.

„Daher bestehen jetzt an vielen Stellen Personalengpässe, die nicht kurzfristig kompensiert werden können. Dies gilt auch für die Bodenabfertigungsdienstleister und das Kontrollpersonal an der Luftsicherheitskontrolle. Derzeit laufen auf vielen Ebenen innerhalb der Bundesregierung Gespräche hierzu mit den Systempartnern und weiteren Beteiligten.“ Ein Austausch des Bundesverkehrsministers mit anderen Vertreter*innen der Branche stehe unmittelbar bevor.

Von einem Chaos an deutschen Flughäfen will der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft indes nicht sprechen. Man habe die Osterreisewelle gut überstanden, das gleiche gelte für Himmelfahrt und Pfingsten.

„Für Bodendienste und Sicherheitskontrolle wird Sommer herausfordernd“

Mit zusätzlichen Maßnahmen ließe sich auch die weiter ansteigende Nachfrage in den Sommermonaten bewältigen.

„Die Buchungszahlen liegen vor, natürlich wird das für die Bodendienste und Sicherheitskontrolle eine Herausforderung“, sagte Hauptgeschäftsführer Matthias von Randow im Gespräch mit dem Tagesspiegerl Das Problem sei nicht das insgesamt zunehmende Luftverkehrsaufkommen, sondern die geballten Urlauberzahlen an einzelnen Tagen. Personaltechnisch sei deswegen noch bestehender pandemiebedingter Engpässe sehr schwer abzubilden. 

„Unsere Unternehmen versuchen mit aller Kraft die Personallücke, die durch den massiven Verkehrseinbruch in der Corona-Zeit entstanden ist, zu schließen. Und das gilt für die Flugzeugabfertigung, für den Check-in und bei den Crews. Die massiven Engpässe an den Sicherheitskontrollen aber liegen außerhalb unserer Reichweite. Deren Durchführung, auch personell, liegt vollständig in der Zuständigkeit der Polizeibehörden und ihren Dienstleistern“, sagte Hauptgeschäftsführer Matthias von Randow im Gespräch mit dem Tagesspiegel.

Wegen der Pandemie hatte es sehr lange gar keinen Flugverkehr gegeben, auf den kurzfristigen Neustart und die enorme Reiselust der Urlauber*innen war die Luftfahrt nicht ausreichend vorbereitet gewesen. Es ist die Kombination aus Personalmangel und sprunghaftem Anstieg der gebuchten Flugreisen, die dem Luftverkehr derzeit zum Verhängnis wird.

Für Matthias von Randow sind nun schnelle Entscheidungen von Politik und Behördegefragt. „Das Personal an den Flughäfen kann nicht von der Straße eingestellt werden, es braucht eineZuverlässigkeitsüberprüfung. Die ist Sache des Bundesinnenministeriums und der Landesbehörden und kann rund zwei Monate in Anspruch nehmen. Digitalisierung Fehlanzeige und auch ansonsten läuft alles immer noch sehr bürokratisch.“

FDP-Fraktionsvorsitzender fordert mehr Bundespolizei an Flughäfen

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr hatte im Gespräch mit dem Tagesspiegel gefordert, dass die Bundesinnenministerin Nancy Faeser mehr Bundespolizei in die Flughäfen bringen müsse, um die Schlangen dort zu verringern.

Er nahm noch einen weiteren SPD-Minister in die Pflicht: Es liege an Bundesarbeitsminister Hubertus Heil dafür zu sorgen, „dass die Bodendienstleister schnell und unbürokratisch Leute einstellen können - gegegebenenfalls mit befristeten Verträgen“.

Auch neues Personal aus dem Ausland wäre denkbar. Dafür wäre es sinnvoll, wenn die Bundesländer die erforderlichen Sicherheitsüberprüfungen unter Bündelung aller Kräfte durchführen. „Damit die Menschen möglichst bald wieder ohne Probleme reisen können.“

Ein Vorschlag, den der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft unterstützt. „Der Bundesarbeits- und der Bundesverkehrsminister haben uns zugesichert, diese Möglichkeiten kurzfristig zu prüfen und wir hoffen sehr auf ein für uns zufriedenstellendes Ergebnis.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false