zum Hauptinhalt
Philipp Amthor ist Abgeordneter der CDU.

© imago images/Future Image

Lobby-Affäre um CDU-Mann Amthor: Eine Untersuchungskommission muss her

Philipp Amthor steht nach seiner Nebentätigkeit bei einem New Yorker Start-Up in der Kritik. Er sollte jetzt sein Amt ruhen lassen - vorläufig. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Was bringt den Abgeordneten des Wahlkreises „Mecklenburgische Seenplatte I - Vorpommern-Greifswald II“ dazu, für ein in New York beheimatetes Start-up-Unternehmen Lobby-Arbeit zu betreiben und sich dafür Aktien-Optionen andienen zu lassen?

Dass direkt gewählte Parlamentarier Wirtschaftsbetriebe ihres Wahlkreises unterstützen und versuchen, sie in Berlin ins Gespräch zu bringen, zu empfehlen, ist das tägliche Brot der Abgeordneten. Sie stärken damit die Wirtschaftskraft ihres Wahlkreises, sichern Arbeitsplätze.

Das ist, zumal in einer ökonomisch nicht gerade verwöhnten, aber landschaftlich wunderschönen Region Mecklenburg-Vorpommerns genau das, was die Wählerinnen und Wähler von ihren Abgeordneten erwarten - wenngleich ohne Aktienbelohnung.

Aber was haben das Engagement des CDU-Abgeordneten Philipp Amthor und seine Lobbyarbeit für ein Start-Up im fernen New York mit dem Gedeihen von Anklam und Ueckermünde zu tun? Was bringt der wirtschaftliche Erfolg der Firma Augustus Intelligence mit Sitz an der Ostküste der USA auf dem Gebiet der Gesichts- und Objekterkennung und der künstlichen Intelligenz, der KI, den Menschen in Heringsdorf und am Stettiner Haff?

Antichambrieren bei Altmaier

Diese Fragen zu stellen, ist kein kleinkariertes Misstrauen, sondern der Versuch, herauszufinden, was den 27-jährigen politischen Senkrechtstarter bewogen haben muss, bereits wenige Monate nach dem Einzug in den Bundestag im Herbst 2017 erste Kontakte zu Augustus zu pflegen. Mehr noch: wegen eines Gesprächs mit Vertretern der Firma gleich bei seinem Parteifreund, dem Wirtschaftsminister Peter Altmaier, überaus erfolgreich zu antichambrieren.

Immerhin empfing der parlamentarische Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Christian Hirte, die Firmenvertreter. Die waren über diese Chance geradezu außer sich, wie der „Spiegel“ berichtet, der die ganze Geschichte ans Licht brachte.

[Die Coronavirus-Krise ist auch für die Politik eine historische Herausforderung. Jeden Morgen informieren wir Sie, liebe Leserinnen und Leser, in unserer Morgenlage über die politischen Entscheidungen, Nachrichten und Hintergründe. Zur kostenlosen Anmeldung geht es hier.]

Philipp Amthor ist als Politiker-Typus ein Unikat. 27 Jahre, ehrgeizig, fleißig, ein guter Debattenredner, wie er im Parlament im Februar 2018 mit einer Attacke gegen die AfD bewies, die im Netz zum Renner wurde. Gegen die Rechtspopulisten, aber selber überzeugt konservativ – diese Haltung pflegte Amthor wie ein Markenzeichen. In Habitus, Bekleidungsstil und persönlichem Auftritt wirkt er wie eine Karikatur des wertebewussten, honorigen Mannes.

Verstoß gegen das eigene Leitbild?

Im Tagesspiegel hat er am 11. August 2019 über sein politisches und gesellschaftlichen Weltbild geschrieben: „In der Mitte stehen vor allem diejenigen, die das Fundament unserer Gesellschaft bilden: Bürger, die als Unternehmer, Angestellte und Beamte täglich fleißig für unser Land arbeiten, Bürger, die als Mütter und Väter mit Herzblut für ihre Familie sorgen, Bürger, die sich im Ehrenamt für ihre Heimat engagieren“.

Es ist billig, Amthor wegen seines Auftretens nun lächerlich zu machen und ihm vorzurechnen, dass er mit seinen Geschäftspartnern auf Reisen war, dass es Champagner und Austern gab. Aber er macht es sich, fast schon arrogant, zu einfach, wenn er nun meint, die Hintergründe seines merkwürdigen Engagements selber aufklären zu können – er habe die Nebentätigkeit ja ordnungsgemäß angemeldet.

Ambitionen auf das Amt des Ministerpräsidenten

Es geht um mehr: Die Aktienoptionen, die ihm zugesagt wurden, hätten um so mehr an Wert gewonnen, je erfolgreicher er hätte Lobbyarbeit leisten können. Das wäre weder zum Nutzen seines Wahlkreises gewesen, noch dem des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern, dessen Ministerpräsident er gerne nach der nächsten Wahl werden würde.

Nein, Amthor sollte beim Bundestagspräsidenten um die Einrichtung einer Untersuchungskommission bitten und sein Amt so lange ruhen lassen.

Und seine Partei, die CDU, sollte ihren Widerstand gegen ein Lobby-Register aufgeben, wie es zur Klarheit in der parlamentarischen Demokratie beitragen könnte. Wer den Ruf der Konservativen von anrüchigen Verdächtigungen freihalten will, sollte ein solches Register unterstützen. Das wäre übrigens auch ohne Künstlichen Intelligenz möglich. Dafür reicht der ganz normale Verstand.

Zur Startseite