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Live vom Bundesparteitag der Piraten: "Früher war mehr Lametta"

Der erste Tag des Bundesparteitages der Piraten in Neumünster geht zu Ende. Die Partei hat einen neuen Chef und wir die Erkenntnis, dass es in der Holstenhalle tierisch zieht. Wir berichten am Sonntag wieder live vom Parteitag aus Neumünster.

21:38: Die Piraten machen durch. Es gibt noch eine Party. In der Holstenhalle halten einige die Stellung und wählen jetzt noch einen Generalsekretär. Wir verabschieden uns an dieser Stelle für heute aus dem Blog. Natürlich informieren wir sie auf tagesspiegel.de weiter, wenn noch bahnbrechendes in Neumünster passiert. Auch auf unserem Twitterkanal bleiben wir noch aktiv. Am Sonntag melden wir uns wieder aus Neumünster mit dem zweiten Tag des Bundesparteitags der Piraten. Der erste Tag war geprägt von Geschäftsmäßigkeit, einem kleinen Eklat und der Erkenntnis, dass es in der Holstenhalle tierisch zieht. Bis hierher, vielen Dank für Ihr Interesse, liebe Leserinnen und Leser, und gute Nacht und denken Sie dran: "Früher war mehr Lametta!"

21.26 Auch andere Parteien sind beim Bundesparteitag der Piraten präsent: Die Versammlungsleitung berichtet dem Plenum von Rücktrittsforderungen der Union in Richtung Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Buhrufe.

21:22 Das ist ein sozialistisches Ergebnis: Mit 94 Prozent Zustimmung ist Swanhild Goetze zur Schatzmeisterin gewählt. Sie hat schon in den vergangenen Jahren in der Finanzverwaltung der Partei mitgearbeitet und galt vor der Wahl als Favoritin - zu Recht, wie sich jetzt zeigt.

21:20 Vertreter aus Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen, den Landesverbänden, die gerade im Wahlkampf stehen, haben gesprochen - und wurden vom Plenum mit freundlichem Applaus bedacht.

20.43 Und jetzt ist auch die zweite Stellvertreterwahl absolviert. Markus Barenhoff wird neben Sebastian Nerz zweiter zweiter Vorsitzender.

20.30 Während sich die Kandidaten für das Amt des Bundesschatzmeisters vorstellen, referiert der Berliner Landesvorsitzende Hartmut Semken am Pressetisch über das für diesen Parteitag verschlankte "Kandidatengrillen", bei dem nurmehr die aussichtsreichen Kandidaten mit Fragen gelöchert werden. Das straffe zwar das Verfahren, aber: "Früher war mehr Lametta." Die ganz wilden Zeiten der Piraten - sie sind wohl vorbei.

19:46: Beinahe wäre Martin Delius, Parlamentarischer Geschäftsführer der Piratenfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, doch noch zu einem Amt im Bundesvorstand gekommen. Denn er wurde vom Parteitag vorgeschlagen, sich als Kandidat für den Stellvertreterposten aufstellen zu lassen. Der aber lehnt ab: "Nein danke." Ursprünglich wollte Delius als Politischer Geschäftsführer kandidieren, doch er zog seine Kandidatur nach seinem umstrittenen NSDAP-Vergleich noch im Vorfeld des Parteitags zurück.

19.30 Lang erwartet - und jetzt doch nicht vollständig da: das Ergebnis zur Wahl des stellvertretenden Vorsitzenden. Das Problem: Nur einer der Kandidaten ist über die 50-Prozent-Hürde gekommen - der ehemalige Bundesvorsitzende Sebastian Nerz mit 73,8 Prozent der Stimmen. Das gibt richtig viel Applaus für Nerz - zum ersten Mal an diesem Tag. Jetzt muss aber nochmal gewählt werden - denn seit einem Beschluss vom heutigen Vormittag brauchen die Piraten zwei stellvertretende Bundesvorsitzende. Jetzt aber erstmal Nerz: "Wir können uns auf ein Jahr freuen, das stressig wird, das Spaß machen wird und nachdem die politische Landschaft in Deutschland eine andere sein wird", sagt er und nimmt die Wahl an.

Die Piraten haben einen neuen Chef

18:37 Die Piraten haben einen prominenten Gast: Rick Falkvinge, der in Schweden die erste Piratenpartei gründete. Während die Stimmen ausgezählt werden, spricht er zu den deutschen Piraten.

18:05 Die Geduld der Piraten wird getestet: Etwas ist bei der Auszählung schiefgegangen, die Wahl für die Posten der Stellvertreter muss wiederholt werden. Offenbar ist eine Wahlurne heruntergefallen.

17:50 Die Wahl läuft. Vor den Urnen stehen die Piraten Schlange. Und das heißt auch wieder: Fotografieren und Filmen verboten. Die Wahl soll schließlich geheim bleiben. Auch wenn Simon Weiß, Pirat im Berliner Abgeordnetenhaus, vorhin twitterte: "Wer es schafft, seinen Zettel so auszufüllen, dass eine Kamera die Stimme dokumentieren kann, hat eh nich geheim gewählt."

17:41 Und wieder zeigen sich die Piraten effizient: Bei jedem der Kandidaten für den stellvertretenden Vorsitz stimmen sie ab, ob noch Fragen gestellt werden soll. Ständig gehen die roten Karten in die Luft, eine Befragung nach der anderen spart sich das Plenum. Nicht mal an Sebastian Nerz haben die Piraten Fragen. Und auch Julia Schramm bekommt keine zweite Chance in einer Fragerunde.

17:39 Ob er kaputt sei? "Och, nee", sagt Philip Brechler, als er ausnahmsweise mal nicht auf dem Podium sitzt und zur Versammlungsleitung beiträgt. "Die Piraten sind eine Turniermannschaft."

17:31 Auch Julia Schramm gratuliert Bernd Schlömer. "Alles gut :)" schreibt sie auf Twitter. Dort haben sich Bernd Schlömer und Sebastian Nerz nach der Wahl noch nicht zu Wort gemeldet. Im realen Leben geht es weiter - mit dem Grillen von nun noch 12 Kandidaten für das Amt des stellvertretenden Bundesvorsitzenden.

17:22 "Ich gratuliere Bernd sehr herzlich", sagt Sebastian Nerz. Als Parteichef ist er abgewählt, nun wird sich zeigen, ob er es zum Stellvertreter schafft. Er würde seine Aufgabe darin sehen, Schlömer zu unterstützen, man habe im vergangenen Jahr sehr gut zusammen gearbeitet, sagt Nerz. Von der Basis kommt Applaus. Die Vorstellung der Kandidaten zum stellvertretenden Vorsitz läuft, insgesamt treten 15 Personen an.

17:03 Im Plenum geht es nun weiter mit der Wahl zum stellvertretenden Vorsitzenden. Zehn Kandidaten - darunter auch wieder Schramm und der frisch entthronte Bundesvorsitzende Sebastian Nerz - treten an. Währenddessen stellt sich Bernd Schlömer im Nebenraum der Presse. Man wolle nun "erstmal step by step" vorgehen. Immerhin folgten nun die Wahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. "Die Frage nach Regierungsfähigkeit stellt sich nicht." Schlömers eigene Agenda für die nächste Woche: Urlaub, Hund betreuen - vielleicht ein paar Auftritte in Schleswig-Holstein. Außerdem sagt er: "Es ist nicht richtig, meinungslos zu sein. Meinungslosigkeit in der Position, in der wir uns befinden, befördert Politikverdrossenheit."

16.58: Ein Heer von Kameraleuten sowie die Berliner Piratenabgeordneten Christopher Lauer und Martin Delius warten neben der Bühne vor einer Tür, durch die kurz zuvor Bernd Schlömer verschwunden ist. Irgendwann spricht sich herum, dass Schlömer in den Gängen unter der Halle verschwunden ist. Wenig später taucht er bei einer Pressekonferenz in einem Nebenraum wieder auf: "Mir geht es gut, ich bin glücklich." Währenddessen gibt die geschlagene Julia Schramm Interviews. Was sie da sagt? Schlömer sei eine "super Wahl". Die Attribute, die sie ihrem neuen Bundesvorsitzenden zuschreibt: ehrlich, ruhig - und mit einer klaren Kante gegen rechts.

16:53: Großer Jubel unter den Piraten. Ein lautes "Woohooo" ist von Christopher Lauer zu hören, der sich auch im Vorfeld für Schlömer ausgesprochen hatte. Die Piraten beklatschen ihren neuen Vorsitzenden, und der ruft in den Saal: "Vielen Dank! Ich nehme die Wahl an."

16:52 Der Name des neuen Vorsitzenden der Piratenpartei steht fest: Bernd Schlömer hat die Wahl gewonnen. 66,6 Prozent der Piraten haben ihm ihr Vertrauen ausgesprochen. 56,2 Prozent der Mitglieder haben dem nun abgewählten Parteichef Sebastian Nerz ihre Zustimmung gegeben. Bei dem Verfahren, nach dem die Piraten wählen, müssen sie sich nicht für einen einzigen Kandidaten entscheiden, sondern können mehreren ihre Zustimmung geben.

16:44 Gleich gibt es ein Ergebnis. Jetzt steht, auf eine große Wand projiziert, zu lesen: 62 von 62 Wahllokalen sind ausgezählt.

16:01 Ab an die Urnen. Der Wahlgang läuft.

15.50 Das ging schnell: Auch Julia Schramm muss nicht in die 10-minütige Verlängerung der Fragerunde, über die jedes Mal abgestimmt wird, nachdem sechs Fragen gestellt sind. Jetzt wird abgestimmt. Begeisterung hat hier keiner hervorgerufen, aber der Berliner Bernd Schlömer ist wohl derzeit Favorit, erhielt am meisten Applaus - trotz des basiskritischen Aufrufs zu mehr Geschlossenheit.

15.42 Julia Schramm bekommt es mit Lästerattacken zu tun. Ob sie ihre neue Bekanntheit dazu nutzen werde, ihr im Herbst erscheinendes Buch zu vermarkten? Schramm lenkt ab Richtung Urheberrecht: "Ich glaube, dass wir ein freies Internet brauchen." Soll wohl heißen: Mit Büchern Geld zu verdienen, ist ok - für Piraten eine durchaus diskussionswürdige Position. Die Ausweichstrategie zieht Buhrufe nach sich. Dann die Frage: "Wie bist du politisch eingestellt?" Soll wohl heißen: links oder rechts? Schramm gibt die einzig richtige Antwort: "piratig".

15.35 Jetzt Bernd Schlömers Befragung. Wie der Regierungsdirektor im Verteidigungsministerium zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr stehe? "Positiv." Aber: "Wenn die Piratenpartei beschließt, Auslandseinsätze nicht zu billigen, schließe ich mich dem an." Ansonsten: geht es Schlömer darum, "mit Herz, Verstand und Leidenschaft" zu diskutieren. Aber: "Wir müssen uns irgendwann einigen!" "Einigkeit durchziehen" - der Slogan kommt an. Und nein, er sei noch nicht für Geheimdienste tätig gewesen.

15.30 Sebastian Nerz wendet sich in seiner Befragung gegen Bestrebungen, die demokratischen Prozesse weiter zu digitalisieren: "Liquid Feedback ist für Meinungsbilder sinnvoll." Solange die Möglichkeit einer geheimen Abstimmung bei dem Demokratietool nicht möglich sei, könne Liquid Feedback nicht für mehr eingesetzt werden. Viele Fragen an Nerz sind eher Polemiken: Warum er in Pressegesprächen zu allem keine Position habe - ob er nicht Kontakt zu den Arbeitsgemeinschaften halte? Und ob er die Entwicklung der Partei behindere? Nerz verneint.

15.26 Damit ist das Thema Holocaustleugnung vielleicht für heute durch: Der Parteitag entscheidet sich gegen eine Befragung des Kandidaten Dietmar Moews. Jubel.

15.15 Das Kandidatengrillen beginnt. Die obligatorische Runde mit schriftlich eingereichten Fragen an die Kandidaten ergibt allerdings bis dato noch wenig Interessantes. Die Regeln: Jeweils sechs Fragen werden aus einem Pool für den Kandidaten gesammelter Fragen ausgelost, die dieser beantworten muss. Danach entscheidet der Parteitag über die weitere Befragung.

15.08 Paul Weiler provoziert als letzter Kandidat den gesamten Parteitag: "Ich würde mir wünschen, dass mehr Substanz in unsere Politik kommt." Man müsse Themen anpacken, die bisher liegengelassen wurden, "Nazi-Sprüche auf der Partei-Homepage" nicht weiter dulden. Und: "Wir brauchen die Themen Wirtschaft- und Finanzpolitik." Nein-Karten gehen hoch, am Ende gibt's Buhrufe. War das denn alles so falsch? Oder ist der Mann anderweitig unbeliebt?

15.05 Julia Schramm spricht: "Wir haben eine Chance, Demokratie zu verändern. Die sollten wir nutzen." Weiter: "Wir sind eine Partei, deren Positionen jeden Teil des politischen und privaten Lebens betreffen." Und: Als Partei gelte es da, sich gegen Sexismus zu stellen. "Wenn wir den Anspruch haben, eine Mitmachpartei zu sein, müssen wir dafür sorgen, dass sich alle willkommen fühlen, die unsere Überzeugungen teilen." Netter Applaus.

15.04 Bernd Schlömer spricht, der bisherige stellvertretende Bundesvorsitzende: "Politik muss leicht und verständlich für jedermann sein", sagt er und erntet Applaus. Schlömer will für Partizipation begeistern, fordert aber konstruktive Zusammenarbeit und Geschlossenheit. "Einzelgänge sind nicht immer hilfreich." Und: "Wehrt euch, wenn rechtsextremistische Meinungen geäußert werden." Ist das der Favorit?

14.58 Nun die erste Frau, Dagmar Schlingmann: "Ich bin erst seit kurzem auf dem Papier Piraten, aber im Herzen schon lange." Ihre Kandidatur wolle vor allem eins stärken: "Ich möchte, dass Neumitglieder mehr Chancen bekommen." Kurzer Applaus.

14.55 Jetzt Marc Salgert: Öffentlichkeitswirksame Themen wie das bedingungslose Grundeinkommen sollen öffentlichkeitswirksamer in die Öffentlichkeit getragen werden. Im Falle seiner Wahl wolle er neue Schwerpunkte setzen, Gräben schließen. Das gemeinsame Ziel solle nicht aus den Augen verloren werden. "Wir müssen klarer sagen, was wir eigentlich wollen." Macht er aber nicht. Wenig Applaus.

14.51 Jetzt Sebastian Nerz: Begeisterung im Saal sieht anders aus. "Ganz ordentlich" habe man sich im letzten Jahr geschlagen. Der Bundesvorstand habe die rasante Entwicklung der Partei gut unterstützt. "Wir haben der Partei dabei geholfen, zu wachsen." Jetzt zur Zukunft: "Wir müssen die Arbeit umstrukturieren - die Last auf mehr Schultern verteilen." Neumitglieder sollen sich schneller einbringen können, die Konstanz gewahrt bleiben. Höflicher Applaus.

14.48 Dietmar Moews, der es nun doch auf die Liste geschafft hat, spricht und ist unter den Buhrufen kaum zu verstehen. Ein Exodus aus dem Saal setzt ein. Die Versammlungsleitung bittet um Ruhe. Moews spricht unbeirrt - über Wahlkämpfe, in denen die Piraten unter Beobachtung stehen. Eigentlich eine normale Bewerbungsrede - an deren Ende aber totale Stille steht.

14.46 Die Kandidatenvorstellungen beginnen. Jürgen Erkmann stellt sich vor: Seit 2007 sei er Mitglied - das kommt an. Ansonsten: "Wir brauchen eine Alternative zu den bisherigen Kandidaten."

14.40 Plötzlich geht es ganz schnell: Die Versammlungsleitung beendet die Versammlungsunterbrechung, unterbricht den Wahlgang unter verliest eine Erklärung: Ein Parteimitglied habe gegenüber der Presse Aussagen getätigt, darunter auch jene, dass Holocaustleugnung von der Meinungsfreiheit gedeckt sei. Stellvertretend für den Parteitag distanziert sich die Versammlungsleitung und drückt ihr "Befremden über derartige Berichterstattung in der Presse" aus. Es folgt ein Antrag der Versammlungsleitung: "Der Holocaust ist unbestreitbar Teil der Geschichte. Ihn zu leugnen oder zu relativieren, widerspricht den Grundsätzen der Partei." Der Antrag wird ohne Gegenstimmen angenommen. Donnernder Jubel, Standing Ovations. Indes: Ein Versammlungsausschuss für das namenlose Mitglied folgt nicht - er ist in der Satzung der Partei nicht vorgesehen.

14.28 Und da ist es wieder, das Problem der Piratenpartei mit dubiosen Mitgliedern: Aus Parteikreisen wird verlautet, dass nicht nur die Kandidatur Carsten Schulz' zur Unterbrechung geführt hat. Ärger gibt es offenbar auch um den Kandidaten Dietmar Moews, der in seinem Youtube-Channel schonmal nicht satzungskonforme Begriffe wie "Weltjudentum" verwendet. Offenbar wurde seine Unterstützerliste zurückgezogen, als Unterstützer erfuhren, dass ihre Namen in die Wahlunterlagen aufgenommen werden. Spannend.

14:05 Die Namen der Kandidaten für den Bundesvorsitz werden gesammelt. Wer alles antritt oder das zumindest vor dem Parteitag angekündigt hatte, können Sie übrigens hier sehen. Erst einmal wird jetzt die Versammlung für zwanzig Minuten unterbrochen. Der Grund: Auch Carsten Schulz will als Vorsitzender antreten. Er ist heftig umstritten, weil er gefordert hatte, Holocaust-Leugnung zu legalisieren und Adolf Hitlers "Mein Kampf" für den freien Verkauf zuzulassen. Der Landesvorstand der Piraten in Niedersachsen hat deshalb seine Wahl zum Direktkandidaten für die Landtagswahl annuliert. Nun, hier in Neumünster, ist unklar, ob Schulz die zwanzig Unterschriften von Unterstützern beisammen hat, von denen die Piraten heute früh beschlossen haben, dass sie notwendig sein sollen.

Kuriosum zur Mittagszeit

13:55: Aber auch am Streit um die Urnen wird die Wahl nicht scheitern. Sie sollen im Pressebereich so aufgestellt werden, dass sie auch von außen gesehen werden können. Bald kann's also losgehen mit der Vorstellung und Befragung der Kandidaten.

13:47 Gleich stellen sich die Kandidaten für den Bundesvorstand vor. Jetzt wird erst einmal erklärt, wie die Wahl funktioniert. Und es gibt Streit um das Prozedere: Auch im Pressebereich, der nicht für alle Piraten zugängig ist, sollen Wahlurnen stehen, damit auch die Piraten wählen können, die dort mithelfen. Dagegen protestieren manche, schließlich sei die Wahl so nicht für alle nachvollziehbar.

13:32: Jetzt kommt erstmals so etwas wie Stimmung auf. Bisher ist doch alles sehr auf Ordnung bedacht, auf Pragmatismus. Regelrecht mit angezogener Handbremse verlaufen die Reden, keiner will zuviel persönliche Meinung preisgeben. Jetzt aber lautes Grölen, langer Applaus. Denn dem Bundesvorstand wird für seine Arbeit in dem zurückliegenden Jahr gedankt und das war ein besonderes für die Partei. Und die Mitglieder spüren - es ist ein dicker Dank nötig. Und deshalb gibt es nun viel Beifall - und Geschenke: Bier für die Damen im Vorstand und Blumen für die Männer. Marina Weisband wird zusätzlich beklatscht und mit einem Plakat verabschiedet, auf dem steht: "Willkommen zurück an der Basis".

13:20: Der Bundesvorstand muss sich den Fragen der Mitglieder stellen und eine geht in Richtung Nerz und Schlömer nach dem Umgang mit ehemaligen NPD-Mitgliedern. "Rechtsextremes Gedankengut, ausländerfeindliche und antisemitische Gesinnung hat in der Piratenpartei keinen Platz", sagt Nerz. Er fügt aber an. "Wir müssen uns beim Umgang mit Mitgliedern an rechtstaatliche Grundzüge halten."

13:00: Ein Kuriosum zur Mittagszeit: Lange Schlangen bilden sich nicht nur bei der Essensausgabe, sondern auch vor dem Herren-WC, das hier - genderpolitisch vorbildlich - "WC mit Pissoir" heißt. Bei den Damen läuft's.

12:57 Zusammenfassend lässt sich zu den Satzungsfragen sagen: Im Prinzip sagen die Piraten "Ja" zur Professionalisierung, aber die Basis bleibt bockig, wenn ihr Modelle etablierter Parteien übergestülpt werden sollen. Das Scheitern des ehemaligen Bundesvorsitzenden Jens Seipenbusch, mit der Etablierung eines Beirats mehr Kontinuität in die Führung der Partei zu bekommen, ist in der Halle weiter Thema. Man brauche "keine Gremien und so'n Schnullikram", sagt Christopher Lauer. Sondern: "Mehr Liquid Feedback." Aber auch das sehen viele Piraten wiederum anders. Fazit: Alles im Fluss.

12:45 "Hallo, ich bin der anonyme Beisitzer im Bundesvorstand", sagt Matthias Schrade. Er habe es wohl als einziges Mitglied im Bundesvorstand neben Gefion Thürmer kein einziges Mal in eine Talkshow geschafft. Übrigens: Beide treten zur Wiederwahl an. Wer außerdem alles in den Bundesvorstand gewählt werden will und mit welchen Argumenten die Kandidaten für sich werben, können Sie hier sehen.

12:43 "Im Oktober ist mir die ganze Sache ein bisschen um die Ohren geflogen", sagt Marina Weisband mit Blick auf die Dynamik nach dem Überraschungserfolg der Piraten bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl. Seitdem habe sie so viel repräsentieren müssen, dass einiges liegengeblieben sei, was sie sich vorgenommen habe. "Es war nicht perfekt, aber ich bin selbst zufrieden", sagt Weisband. Die Piraten spenden ihr den bisher größten Applaus.

12:41 Rene Brosig verabschiedet sich. Der allseits geschätzte Schatzmeister tritt nicht wieder an, er hatte kurz vor dem Parteitag seine Kandidatur überraschend zurückgezogen und das mit Überlastung begründet. Ihm danken die Piraten mit einem warmem Applaus.

12:32 Unter mäßigem Applaus tritt Nerz vom Mikrofon ab. Bernd Schlömer, Vizevorsitzender der Piraten, spricht jetzt. Er wird später gegen Nerz um den Vorsitz kandidieren. Auch für Schlömer klatschen nur wenige. Mitreißend ist schließlich in der Tat nicht, was in diesem Rechenschaftsbericht vorgetragen wird.

12:29 Zum ersten Mal tritt Sebastian Nerz ans Mikrofon. Der Parteichef bekommt keine große Bühne, eine Bilanz seiner Erfolge zu ziehen, wie es wohl in anderen Parteien üblich wäre. Nur ein paar Minuten sind es, in denen Nerz für den Gesamtvorstand Rechenschaft ablegen will. "Es gab eine Umstellung der Verwaltung auf Bundesebene", sagt er. Mit Sätzen wie diesen lassen sich keine politischen Visionen entwerfen. Dafür bliebe Nerz nur seine Vorstellung als Kandidat, die später, bei der Wahl des neuen Vorstands, auf der Tagesordnung stehen wird. Und dann wird Nerz auch nicht mehr Zeit für sich beanspruchen können als jeder andere, der antritt.

12:27 Die Satzungsänderungsanträge sind durch. Jetzt geht's daran, Rechenschaft abzulegen: Der bisherige Vorstand tritt aufs Podium, darunter Bundeschef Sebastian Nerz, Marina Weisband und Vize Bernd Schlömer. Der muss aber extra noch einmal ausgerufen werden, bevor er sich auf der Bühne einfindet.

12:26 "Das geht gar nicht. Wir sind vor dem Zeitplan. Ich muss die Basis austauschen", sagt Aleks Lessmann aus dem Presseteam. In Wahrheit ist er wohl, das ist ihm anzusehen, ziemlich stolz.

12:25 Stolz auf dem Podium: Man sei dem Zeitplan sechs Minuten voraus, heißt es.

12:23 Die Basis setzt auf sich selbst: Mit großer Mehrheit lehnen es die Piraten ab, einen Beirat einzurichten. Außerdem gibt es jetzt eine Überblicksseite im Wiki der Piraten: Hier lassen sich die bisherigen Ergebnisse im Überblick ansehen.

Bilder: Diese Piraten wollen in den Bundesvorstand

12.20 Die Piraten sind keine Grünen - auch nicht in ihrer Satzung. Die Forderung nach einer Trennung von Amt und Mandat fällt durch. Es muss sich also niemand entscheiden - zwischen Parteiamt und Parlamentsmandat. Die wählenden Mitglieder müssen sich keinen Hoffnungsträger bei Vorstandswahlen für eventuelle Parlamentswahlen "aufsparen". Ansonsten heißt es weiter: Die Piraten streiten mit Satzungsänderungsanträgen um ihre Professionalisierung. Soll ein Beirat des Vorstands eingerichtet werden, soll es hauptamtliche Mitarbeiter geben?

12.10 Einmal mehr bemerkenswert: wie zügig die Piraten durch die Flut der Satzungsänderungsanträge pflügen. Rednerlisten werden schnell geschlossen, die Diskussionsatmosphäre ist pragmatisch. Zügellose Basisdemokratie sieht allerdings anders aus - es gibt hier klare Wortführer - und mit dem Berliner Piraten Philip Brechler alias "Plaetzchen" einmal mehr einen rigide durchgreifenden Vertreter der Versammlungsleitung am Mikrofon.

Ein erster kleiner Nazi-Aufreger und eine Zigarette mit Christopher Lauer

12.05 Währenddessen im Saal: Die Piraten stimmen mit der nötigen 2/3-Mehrheit für den Satzungsänderungsantrag 032. Der Vorstand wird um einen Stellvertreter und einen Beisitzer vergrößert, "um den Workload besser verteilen zu können". Eines der Argumente: Stellvertretende Vorsitzende seien attraktiv für die Presse. Sehen die Piraten doch einen Professionalisierungsbedarf in ihren Strukturen?

11.55 Alle Jahre wieder die beliebte Rubrik "Auf eine Zigarette mit Christopher Lauer". "Schön" fand der prominente Berliner Piratenabgeordnete die Rede seiner scheidenden Bundesgeschäftsführerin Marina Weisband. Ob er das euphorische Menschenbild teile? "Es ist Grundkonsens in dieser Partei, dass die Menschen besser werden, wenn man sie gut behandelt und ernst nimmt", sagt Lauer. Am Ende sei es wie in der Schule: Ein Lehrer, der die Schüler ernst nehme, könne sie viel weiter bringen. Der Staat als Lehrer, das Volk als Schüler? Über dieses Bild wird noch nachzudenken sein.

11:40 Engagiert streiten die Piraten darum, wie viele Richter in Zukunft dem Bundesschiedsgericht angehören sollen und nach welchen Regeln es arbeiten soll. Dieses Gremium ist gar nicht mal unwichtig. Schließlich hatten die Piraten in jüngster Zeit mehrfach zu entscheiden, ob sie Mitglieder aus der Partei werfen wollen, die etwa durch zweifelhafte rechtslastige Äußerungen oder durch eine Vergangenheit als NPD-Mitglied aufgefallen sind.

11:28 Es bleibt dabei: Die Piraten wählen auch künftig einmal pro Jahr ihren Vorstand neu. Das haben die Piraten mit großer Mehrheit beschlossen.

Fotoreportage: Die Pannen der Berliner Piraten

11:15 Den ersten kleinen Nazi-Aufreger mussten die Piraten meistern: Horst Bartels, 62 Jahre alt und mit weißem Stoppelbart, hat seinen großen Auftritt. "Du linkes Arschloch" rufen sie ihm aus den Reihen entgegen. Und er antwortet: "Ich bin Pirat, du Idiot!" Was ist passiert? Die Linkspartei hat am Bahnhof Neumünster Plakate aufgestellt, auf denen zusammen mit dem Piratenlogo „Keine Stimme den Nazis“ steht. Bartels hat eines der Plakate mit in die Halle gebracht und demonstrativ durch den Saal getragen. Schnell bildet sich das, was die Piraten wohl ein Rudel Kameraleute nennen würden. Aufregung. Die Versammlungsleitung ist genervt. Bartels soll den Saal verlassen. Offizielle Begründung: Er kann Interviews geben und sein Plakat hochhalten, aber nicht den Parteitag stören. Also geht er raus und sagt: "Wir haben uns nicht klar genug gegen Nazis abgegrenzt und laufen Gefahr, unterwandert zu werden." Unmut schlägt ihm entgegen. Er bekommt ein grünes T-Shirt geschenkt mit der Aufschrift "Antifaschistische Piraten". Bartels findet die Linken-Plakate gut. Er selbst war mal Mitglied der Linken, "da hieß die Partei aber noch PDS", sagt er. Wieder Unmut: " Du Kommunist", schallt es ihm entgegen. Eigentlich will Bartels für den Bundesvorsitz kandidieren. "Aber das überlege ich mir nochmal."

11:08 Satzungänderungsantrag: Dafür müsste die Abkürzung doch eigentlich SÄA lauten. In der Tagesordnung, die an die Wand projiziert wird, heißt es aber SAÄ. Nun ja, vermutlich weiß jeder, was gemeint ist.

11:05 Jetzt wird's spannend, die Satzungsänderungsanträge kommen. Unter anderem: Soll der Vorstand künftig zwei statt nur ein Jahr im Amt sein? Diese Frage ist durchaus nicht trivial, denn eine längere Amtszeit wäre ein Signal für eine Professionalisierung der Partei. Prominenter Fürsprecher des Antrags: Christopher Lauer, Mitglied des Abgeordnetenhauses.

11:03 Nun gibt es die ersten offiziellen Zahlen: Rund 1500 Piraten sind bisher nach Neumünster gekommen. Und es gibt noch eine Ermahnung an die Presse: keine Rudelbildung vor dem Podium. "Das ist eine Parteiveranstaltung und kein Fernsehprogramm", sagt dazu Gerhard Anger, Ex-Landeschef der Berliner Piraten.

11:02 Offiziell: Die Presse ist zugelassen.

10.55 Uhr: Christopher Lauer spricht - und erntet Applaus. "Wir wählen hier den Bundesvorstand einer Partei, die höchstwahrscheinlich in den Bundestag einziehen wird." Der Antrag, dass nur solche Kandidaten für den Bundesvorstand auf dem Podium vorsprechen dürfen, die mindestens 20 Unterschriften unter Parteimitgliedern gesammelt haben, wird mit großer Mehrheit angenommen.

10:50: In einem Vorraum gibt es tatsächlich ein kleines Bällebad für Kinder - oder auch badewütige Große. Wenn man diversen Twitter-Nachrichten glauben darf, haben es schon einige erwachsene Piraten ausprobiert. Susanne Graf, Piratin im Berliner Abgeordnetenhaus, ist eine derjenigen, die sich heute um die Kinderbetreuung kümmern.

10:45: Fazit des Auftakts: Die Piraten als Volksbeglücker - der Idee von der avantgardistischen Elite, die der Gesellschaft in eine neue Zeit voranschreitet, hat Marina Weisbands emphatische Rede ordentlich Nahrung gegeben. Die Kehrseite dieses Erweckungsbewusstseins: der Spott über all jene, die nicht so smart und technikkompetent sind wie die Piraten. Als durchgesagt wird, dass Pressevertreter (nicht die des Tagesspiegels!) vergessen haben, LAN-Kabel mitzubringen, und jetzt auf Hilfe angewiesen sind, erhebt sich höhnischer Jubel.

10:37: Nichts Neues bei den Piraten: Am Anfang wird wie immer erstmal über das Prozedere diskutiert. Wie viel Redezeit erhält jeder und wie läuft die Abstimmung.

10:31 Das ging schnell: Per Kartenzeichen ist die Versammlungsleitung gewählt, Weisband ist mit ihrer sehr kurzen Rede schon wieder fertig.

10:29: Auf dem Podium ist Weisband umringt von Journalisten und Fotografen. Da bekommt sie Unterstützung: Ein Pirat ergreift das Wort und bittet die Presse, das Podium zu verlassen.

10:28 "Lasst uns uns einen geilen Vorstand wählen", sagt Weisband. Sie selbst, obwohl intern sehr beliebt und mittlerweile auch einer breiten Öffentlichkeit bekannt, tritt nicht wieder an, denn sie will ihr Studium beenden. "Wir tragen eine Riesenverantwortung, weil wir merken, dass sich etwas ändert", sagt sie und fragt: "Wie machen wir das mit Arbeitsplatzen, Familien, was müssen Kinder lernen?"

10:26 Weisband sagt: "Es gibt ein paar Dinge, für die ich kämpfen will. Das ist der Glaube daran, dass alle Menschen wertvoll sind. ... Es ist der Glaube daran, dass wir Menschen mehr zutrauen können, als das im Moment geschieht. ... Es ist der Glaube daran, dass wir Menschen vernetzen müssen."

10:25 "Hallo, liebe Menschen". Mit diesen Worten eröffnet Marina Weisband ihre Rede. "Wir waren jung, wir waren klein, aber wir haben schon Geschichte geschrieben. In dieser Geschichte beginnt dieses Jahr, wie jedes Jahr, für uns ein neues Kapitel. Jetzt werden wir ernst genommen, und es wird gegen uns geschossen."

10:24 Nun noch einmal höchst offiziell: "Der Parteitag ist eröffnet."

10:18 Ausdauer ist gefragt. "Der Parteitag wird wohl etwas länger dauern als angekündigt", heißt es nun. Und deshalb wird auch direkt zu weiteren Spenden aufgerufen, um die Veranstaltung zu finanzieren. Eine Minute Parteitag kostet 44 Euro, rechnet die Organisation vor. Es seien 1000 Tische im Einsatz und 2800 Stühle - nicht alle davon sind besetzt.

10:13 "Neumünster ist da". Die Piraten bejubeln sich selbst. "Berlin!" Ein großes "Hej" schallt durch den Saal. "Bremen?" Nur Schweigen ist die Antwort. Ob sich aus der Hansestadt keine Piraten auf den Weg gemacht haben? Oder sind sie nur schüchtern?

10:08 "Wir können jetzt wirklich anfangen", heißt es nun. Szenenapplaus. Der Parteitag beginnt.

10:06 Eigentlich hätte es vor ein paar Minuten losgehen sollen. "Es wäre hilfreich für den Ablauf der Veranstaltung, wenn Ihr Euch jetzt auf Eure Plätze begeben würdet", heißt es vom Podium. Noch wuseln viele durch die Halle, aber immer mehr Piraten setzen sich hin.

9:49 Gleich geht's los. Der Saal ist groß, voll und kalt. Noch gibt es keine Zahl, wie viele Piraten nach Neumünster gekommen sind, aber bisher scheint die Saalgröße ziemlich genau zu genügen. Die Pressetische stehen im toten Winkel des Podiums. Wie viel hier von dem, was auf dem Podium geschieht wird, zu hören sein wird: Wer weiß. Sehen können wir die Redner auf jeden Fall nur im Profil.

Die letzten Aufbauarbeiten laufen, um 10:10 Uhr soll dann Marina Weisband, scheidende Bundesgeschäftsführerin, ihre Rede halten. Sie habe noch nichts vorbereitet, twitterte sie in der vergangenen Nacht. Wir werden sehen, ob ihr noch etwas eingefallen ist.

Merkel: "Die Piraten sind eine interessante Erscheinung"

9:30 Begleitet von hohen Erwartungen startet in Neumünster der Bundesparteitag der Piraten. Rund 2.000 Mitglieder sind gekommen, knapp 200 Anträge und die Wahl eines neuen Vorstands stehen auf der Tagesordnung. Im Vorfeld kommentierten zahlreiche Spitzenpolitiker der etablierten Parteien das Ereignis: Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnet die Piraten als „interessante Erscheinung“. Merkel sagte der „Leipziger Volkszeitung“: „Die Piraten sind eine relativ neue Partei, die das politische Spektrum jetzt noch vielfältiger macht. Und sie sind eine interessante Erscheinung, von der wir noch nicht wissen, wie es mit ihr weitergeht.“ Sie widersprach der Vermutung, die Piraten kämen der Union als nützliche Helfer entgegen, weil dadurch die Mehrheitsverhältnisse für klassische Bündnisse unsicherer geworden seien. In der in Bielefeld erscheinenden „Neuen Westfälischen“ wies sie aber auch auf starke Defizite der jungen Partei hin. „Die Piraten machen deutlich, dass sie auf viele Fragen noch gar keine Antworten haben“, kritisierte die CDU-Vorsitzende.

Die Genderumfrage der Piratenpartei:

SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann erklärte, er halte die Piratenpartei für „die neuen, besseren Liberalen“. Die Piraten könnten eine historische Mission erfüllen, indem sie FDP und Linke aus den Landtagen von Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein heraushalten, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Die FDP nannte der SPD-Politiker nicht mehr regierungsfähig. Bevor die Piraten in eine Regierung eintreten könnten, werde allerdings noch einige Zeit vergehen.

Die stellvertretende Vorsitzende der Linken, Sahra Wagenknecht, erklärte, sie könne sich unter bestimmten Voraussetzungen sogar eine Zusammenarbeit mit der Piratenpartei vorstellen. „Wenn sie eine linke, aufmüpfige, angriffslustige Partei werden würden, die für ähnliche soziale Inhalte streitet wie wir, wäre das wunderbar“, sagte sie und fügte hinzu: „Dann hätten wir endlich einen Partner in den Parlamenten.“ Zuvor allerdings müsse sich die junge Partei auch inhaltlich stärker positionieren, monierte Wagenknecht. Sie sieht aber bereits jetzt auch positive Ansätze bei den Piraten: „Beispielhaft sind ihre innerparteilichen Kommunikationsformen.“

Auch die FDP sieht die Piraten in einigen Punkten als vorbildhaft an. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr rief seine Partei auf, sich bei Transparenz und Dialogformen im Internet die Piratenpartei zum Vorbild zu nehmen. Hier könnten sich die Liberalen „von den Piraten ruhig eine Scheibe abschneiden“, sagte Bahr. Ob die Piraten Bestand haben oder nur eine flüchtige politische Erscheinung blieben, werde sich allerdings noch zeigen müssen. „Mit nur einem Thema kann man kaum Erfolg haben“, sagte Bahr. Die Leute wollten irgendwann wissen, wofür die Partei stehe, die sie wählten. „Doch um Antworten drücken sich die Piraten bislang erfolgreich“, sagte der FDP-Politiker. Zudem zeige sich, „dass die Partei durch ihre Struktur sehr viele Extreme von links und rechts anzieht“.

Derweil gab es in der Piratenpartei Streit über ihre Regierungsfähigkeit. „Wenn keine andere Konstellation möglich ist und wir Gelegenheit erhalten, unsere Inhalte umzusetzen, sollten wir bereit sein, auch Regierungsverantwortung zu übernehmen“, sagte der Parteivorsitzende Sebastian Nerz der „Frankfurter Rundschau“ mit Blick auf die Wahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen.

Dagegen plädierte die politische Geschäftsführerin Marina Weisband dafür, erst einmal auf den Oppositionsbänken weitere Erfahrung zu sammeln. „Der Sprung von gar nicht im Parlament zum Regieren ist viel zu groß. Auch wir lernen noch“, sagte sie der „Passauer Neuen Presse“. Allerdings räumte auch Nerz ein, sinnvoller sei es, sich zunächst in die Parlamentsarbeit einzugewöhnen.

Nerz wies den Vorwurf zurück, es gebe rechtsextreme Tendenzen in seiner Partei. „Wir lehnen Diskriminierung, Rassismus und Sexismus klar ab“, sagte Nerz der „Frankfurter Rundschau“. Die Partei lasse sich ohnehin nicht in das klassische Rechts-Links-Schema einordnen, sondern erhalte Zulauf aus allen politischen Richtungen. (mit dpa)

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