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Lan-Party? Nein, Parteitag bei den Piraten.

© dapd

Live-Blog vom Parteitag: Piratenpartei: eher links und wenig Frauen

Bedingungsloses Grundeinkommen, Begrenzung der Leiharbeit, gesetzlich festgelegter Mindestlohn - die Piraten positionieren sich als Arbeitnehmerpartei. Der Live-Blog vom Bundesparteitag in Offenbach zum Nachlesen.

18.40 UHR: So, jetzt sind wir endgültig auf der Zielgeraden: Der Antrag P 068 wird angenommen, die Piraten sind damit auch laut Plenum in ihrem Wahlprogramm für eine Begrenzung der Leiharbeit, und profilieren sich damit Stück für Stück - nimmt man auch die knapp gescheiterte Entscheidung für einen gesetzlich festgelegten Mindestlohn - zumindest ein klein wenig als Partei des Arbeitnehmerschutzes. Der parteien- und parteitagserfahrene Kollege drängt nun darauf, an dieser Stelle noch die Anwesenheit des skandalumwitterten und wegen des Besitzes von Kinderpornographie verurteilten Ex-Piraten Jörg Tauss als Pressevertreter für das Portal gulli.de zu erwähnen, dieser Pflicht ist nun genüge getan. Morgen melden wir uns dann zurück mit einem Ergebnisprotokoll, man nennt es auch Artikel - und genügen damit all jenen, die einen Live-Blog vom Parteitag einer kleinen Partei für überzogen halten. Wir wollen den verstanden wissen als einen kleinen Blick in ein Labor der Demokratie, dem man zumindest eins nicht absprechen kann: dass es darin spannend zugeht.

18.20 UHR: Auf drei Zigaretten mit Christopher Lauer, der auch hier den Frontmann der Berliner Fraktion gibt, während der Fraktionsvorsitzende Andreas Baum zumeist friedlich an seinem Tisch sitzt. Was Lauer langfristig will? Virtuelle Parteitage, "dass wir Liquid Feedback ernster nehmen, auch spontan mit Abstimmungen im Netz auf bestimmte Nachrichtenlagen reagieren können". Die physische Präsenz bleibe trotzdem wichtig, allein: Dass man immer wieder zu tagesaktuellen Themen nichts sagen könne, sagen dürfe, weil es dazu noch keinen Parteitagsbeschluss gebe, "das muss nicht sein". Unterdessen wird im nichtvirtuellen Plenum PA 188 unter Mühen durchgebracht, das System der Zwangsmitgliedschaft in Kammern ist danach laut Piraten-Grundsatzprogramm abzulehnen. "Die Piraten sind eine Mittelstandspartei", jubelt der Antragssteller. Kurios: Direkt danach wird ein zumindest ähnlicher Passus für das Wahlprogramm abgelehnt. Ob das im Netz besser gelaufen wäre?

17.36 UHR: Und das gleiche nochmal zum Antrag PA 081: "Wir wollen keine Frontstellung zwischen Unternehmen und Politik aufbauen." (Christopher Lauer) "Wir vertreiben Kapital ins Ausland." "Ich bin nicht hierhin gekommen, um mir Gedanken über das Gehalt von Herrn Ackermann zu machen." In der Frage der Managergehälter sind die Piraten wahrlich keine linke Partei. Der Antrag wird nahezu einstimmig abgelehnt.

17.30 UHR: Spannende Aussprache zu einem Antrag, der die Kappung von Managergehältern fordert. "Wir haben Vertragsfreiheit." "Wir sind eine freiheitliche Partei." "Wir müssen uns vielmehr eine intelligente Steuerung und Besteuerung überlegen." Und immer wieder: "Wir wollen Armut verhindern, nicht Reichtum." Wir halten fest: Die Piraten sind vielleicht in einigen Punkten links. Aufrechte Antikapitalisten sind sie aber nicht. Der Antrag wird zurückgezogen.

16.35 UHR: Und weiter geht's, während ein hochzufriedener Christopher Lauer nach der Abstimmung zum Bedingungslosen Grundeinkommen durchs Foyer schwebt. Mit dem Annehmen von PA113 sprechen sich die Piraten nun noch gegen Sanktionen bei Hartz IV aus. Ansonsten: Wurde ein eigener Raucherbereich eingerichtet. Dort amüsiert sich ein Magazinjournalist über die bereits hervorgehobene Berliner Piratin Susanne Graf: Dass die "immer noch an der Garderobe" sitzt, sei doch sehr aussagekräftig für die Rollenverteilung in der Partei. Ebenso die Tatsache, dass der Frauenanteil auf den Tribünen der Stadthalle deutlich höher sei als im Plenum und an den Rednermikrophonen. Wir lassen das mal unkommentiert stehen. Die Beobachtung als solche ist allerdings sicher richtig.

Die Piraten sprechen sich für ein Bedingungsloses Grundeinkommen aus.

16.00 UHR: Der Antrag PA284 macht das Rennen und erreicht nach zähem Ringen und Auszählung auch die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit mit 66,905 Prozent der Stimmen. Damit sprechen sich die Piraten unter großem Jubel dafür aus, in Zukunft offensiv für ein existenzsicherndes Grundeinkommen einzutreten. "Dazu wollen wir eine Enquete-Kommission im Deutschen Bundestag gründen, deren Ziel die konkrete Ausarbeitung und Berechnung neuer sowie die Bewertung bestehender Grundeinkommens-Modelle sein soll. Für jedes Konzept sollen die voraussichtlichen Konsequenzen sowie Vor- und Nachteile aufgezeigt und der Öffentlichkeit transparent gemacht werden. Zeitgleich werden wir uns im Bundestag dafür einsetzen, dass noch vor Ende der Legislaturperiode die gesetzlichen Grundlagen für Volksabstimmungen auf Bundesebene geschaffen werden. Sie sollen den Bürgern ermöglichen, sowohl die in der Enquete-Kommission vorgestellten als auch andere Grundeinkommens-Modelle als Gesetzentwurf direkt zur Abstimmung zu stellen." Vielleicht lag die deutliche Aussprache für den Antrag auch an Protagonisten wie @sleeksorrow. Der schreibt auf Twitter: "Ich war bisher dem #BGE neutral bis leicht optimistisch ggü gestanden. Aber die Gegner haben mich überzeugt. Ich bin jetzt dafür."

15.25 Uhr: Christopher Lauer versucht die Debatte zu drehen: "Die Würde des Menschen hat keine Bedingung. Die Frage ist: Wie verteilt man die reichen Ressourcen dieses Landes gleich?" In einer Zeit, wo Vollbeschäftigung nicht mehr zu erreichen sei. Seine Forderung: das bedingungslose Grundeinkommen in den Programmen festschreiben, aber nicht, wie in einem Antrag gefordert, einen Volksentscheid dazu fordern. "Damit setzen wir die anderen Parteien viel mehr unter Zugzwang." Ein Taktiker und Volkstribun.

15.15 Uhr Jetzt geht's drum - um eine heilige Kuh der Piraten: das bedingungslose Grundeinkommen (BGE). Und die Debatte ist (überraschenderweise?) durchaus kontrovers: Es gibt natürlich die, die das bedingungslose Grundeinkommen, mit dem die Berliner Piraten sogar Wahlkampf gemacht haben, bedingungslos befürworten. Es gibt sogar die, die die Forderung nach einem BGE zu einer "Grundsatzentscheidung" in Richtung einer "neuen sozial-liberalen Kraft" erklären.

Es gibt aber auch Gegenstimmen: etwa der Berliner Gerwald Claus-Brunner, der ein bedingungsloses Grundeinkommen im "nationalen Alleingang" ablehnt. Oder auch die, die dahinter gar "Kommunismus" vermuten. Ob und wie die Piraten die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen in ihr Wahlprogramm, um das es hier geht, aufnehmen - das könnte zu einer Richtungsentscheidung werden.

Wenn nicht noch allzu viele mitten in der Debatte gestellte Geschäftsordnungsanträge zur Änderung der Geschäftsordnung - "Daran erkennt man die Unerfahrenheit", raunt der parteien- und parteitagserfahrene Kollege - dazwischen kommen.

14:30 UHR Der Antrag PA052 wird angenommen, die Piraten bekennen sich nun in ihrem Grundsatzprogramm, unter anderem zur doppelten Staatsbürgerschaft für Arbeitsmigranten. Die vorangegangene Aussprache darf getrost als interessant bezeichnet werden: Wer ist Deutscher? Und was bedeutet eigentlich Integration? Können sich die deutschen Sozialsysteme ein liberales Einwanderungsrecht leisten?

Die Piraten hören alle Argumente, die es in dieser Buntheit sonst bei wohl wenigen Parteien gibt - und positionieren sich schließlich - auch wenn sie sich selbst auch heute wortreich außerhalb des traditionellen politischen Felds sehen - links.

14:15 UHR Erneut droht Gefahr für die Berichterstattung: Über 1300 Parteimitglieder sind jetzt in der Halle, und mehr wollen rein. Ein Meinungsbild wird erstellt: Sollen zuerst Besucher oder Pressevertreter den Saal verlassen? Ergebnis: Die Presse darf bleiben.

14:10 UHR Beobachtungen am Rande des Parteitags gibt es zur Genüge: Da ist die Ex-Grüne Angelika Beer, die mit den Worten "Ich muss zurück zu meinen Piraten" den Pressebereich verlässt. Da ist auch Heute-Show-Korrespondent Carsten van Ryssen, dessen lästerliche Fragen der Bundesvorsitzende der Piraten, Sebastian Nerz, in einer Ecke des Saals gekonnt abtropfen lässt. "Es ist eben ein Prozess", sagt Nerz. Aus solchen Aussagen ist schwer Satire zu machen - van Ryssen dürfte hier aber genügend dankbare Opfer finden, denn auch Exzentriker gibt es nicht zu knapp: Da ist der bärtige Alte im Piratenkostüm (komplett mit verschlissenem Gehrock), auf dessen Hut "Junge Piraten" steht. Und da ist die Frau, die ihren kleinen Mischlingshund auf das eigens aufgefahrene Piratensegelschiff vor der Halle setzt und das verstörte Tier aus allen Lagen ablichtet.

14:00 UHR Einen sehr besonderen Auftritt legt bei diesem Bundesparteitag die Berliner Piratenabgeordnete Susanne Graf hin: Erst verteilt sie morgens bei der Presseakkreditierung Bändchen, nun sitzt sie an der Garderobe und verteilt Infomaterial. Eitel ist anders.

Was bisher geschah...

13:30 UHR Jetzt eine kurze Ansprache von Marina Weisband, politische Geschäftsführerin der Partei, bekannt aus Funk und Fernsehen und erste Frau, die auf dem Podium spricht. Auch sie beschwört die vorangegangenen Erfolg und die Einigkeit, fordert, "unsere Ideen auch verständlich zu formulieren":  "Wir müssen Ahnung haben von dem, von dem wir sprechen, und wir müssen unsere internen Strukturen bilden." Das sei - eine Spitze Richtung Berlin? -  "langweiliger, als in Kameras zu sprechen und Wahlpartys zu veranstalten".

Und dann zielt auch sie aufs große Ganze: "Wir sind eine Bewegung, die für eine Idee steht. Wenn wir diese Ideen für die Menschen klar kriegen, dann können wir sie verwirklichen." Der Mensch müsse frei und glücklich sein. "Indem wir bilden, aufklären, Informationen zur Verfügung stellen", könne dieses Glück erhalten bleiben.

Genau deshalb sei die Piratenpartei eine Partei des Informationsflusses. Und dann auch noch das: "Streitet weiter - aber tut es produktiv und auf einer sachlichen Ebene. Tut es dafür, dass wir Politik möglichst gut machen: indem wir möglichst viele Menschen möglichst glücklich machen."

Wir halten - im Sinne des kleinen Philosophieseminars - fest: Marina Weisband glaubt an Freiheit, Glück und daran, dass möglichst viele Leute daran partizipieren sollen. Erreicht werden kann das durch Informationsflüsse. Das wäre eine Art Informationsutilitarismus in Zeiten der Netzwerke. Das Plenum applaudiert.

13:15 UHR Und doch scheitert der Antrag. Entscheidend vielleicht noch die letzten Gegenredner: Das im Antrag festgeschriebene Menschenbild, wonach die Würde des Menschen sich in seiner Fähigkeit gründe, sein Wesen und Wollen selbst zu bestimmen und dass er von Natur aus frei in der Wahl seiner Ziele und der inneren Gesetze sei, nach denen er handele und entscheide, sei falsch.

Ein Hauch von Philosophieseminar in Offenbach - und weiterhin keine Präambel im Programm der Piraten.

Ungemach derweil im rein Profanen: Aus brandschutztechnischen Gründen ist der Saal voll, doch draußen stehen noch Parteimitglieder. Fliegt jetzt doch die Presse raus? Möglich bleibt hier alles.

13:00 UHR So, jetzt geht's langsam weg von Programmänderungsanträgen und hinein in die inhaltlichen Tiefen der verabschiedeten Tagesordnung und des konkreten Fahrplans für diesen Samstag: Zum Anfang werden grundsätzliche weltanschauliche Anträge zu einer möglichen Festschreibung unveräußerlicher Werte als Präambel des Bundesparteiprogramms diskutiert.

Am aussichtsreichsten scheint der Antrag PA094 des Berliner Piratenabgeordneten Pavel Mayer: "Freiheit in all ihren Dimensionen ist die Grundlage jeder gerechten Gesellschaftsordnung. Nur durch die freie Entscheidung seiner Bürger erwirbt ein Staat rechtmäßige Gewalt. Nur der freie Mensch kann das Gesetz achten, und nur wer frei ist, kann Verantwortung tragen. Gerechte Vereinbarungen sind nur unter Freien möglich. Wir Piraten wollen eine Gesellschaft, die Vertrauen in den Einzelnen setzt und ihm seine Freiheit lässt, damit er in Verantwortung für sich und die Gemeinschaft leben kann. Wir treten allen Bestrebungen entgegen, die Freiheit des Einzelnen einzuschränken, wenn bei der Abwägung gegen andere Grundrechte oder die Freiheit anderer der geringste Zweifel an der Notwendigkeit dieser Einschränkungen besteht."

Interessant: Vor allem die "sprachliche Schönheit" wird immer wieder hervorgehoben. Und da sage noch jemand, Nerds hätten ein Nichtverhältnis zur Poesie.

12:20 UHR Während die konkrete inhaltliche Diskussion aufgrund eher formaler Anträge zur Art und Weise der Antragsstellung von Programmsänderungsanträgen auf sich warten lässt, berichten wir hier ein bisschen Buntes aus dem Umfeld.

TOP 1 (in eigener Sache): Dieser Liveblog hat es - zumindest zeitweise - ganz oben in die Google-Newsliste geschafft. Ein Tusch.

TOP 2: Im Foyer spricht Christopher Lauer zur Presse - über Mitgliederwachstum und erhöhte Aufmerksamkeit: "Es verselbständigt sich grad ein bisschen." Gibt es da etwa doch an einigen prominenten Stellen Unmut über das zuvor im Plenum umjubelte Alleinstellungsmerkmal der Piraten, dass nach wie vor alles transparent und basisdemokratisch über die Bühne gehen soll?

TOP 3: Flyer werden verteilt, die unter kegelklub.net eine Umfrage zur Thematik "Geschlecht in der Piratenpartei" ankündigt, die in den nächsten Wochen starten soll. Ziel sei es, die "innerparteiliche Diskussion" zu versachlichen. Zumindest auf dem Parteitag hat die bisher nicht stattgefunden. Aber das kann ja alles noch kommen.

TOP 4: In den Kommentaren zu diesem Blog wird bereits eifrig dessen Sinn und Unsinn diskutiert. Weiter so, liebe Leser!

TOP 5: Jetzt lobt der parteien- und parteitagserfahrene Pressekollege zur Rechten gar die Piraten: Die Wortbeiträge seien "angenehm prägnant" und "nicht so verlabert" wie bei anderen Parteien. Das werden einige im Saal gerne hören/lesen. Das könnte aber natürlich auch einfach mit

TOP 6 zu tun haben: Dem Verbleib der Presse im Saal wurde von der Mehrheit der Piraten zugestimmt. Dann kann es ja weitergehen.

Der Vormittag in Offenbach: Willkommen beim #bpt112

11.45 Uhr Die Tagesordnung der Antragskommission hat es geschafft. Damit kann es normal weitergehen, wären da nicht die Satzungsänderungsanträge. Desweiteren noch eine umjubelte Rekordmeldung: 1255 Piraten beim Parteitag. Das sind bald Ausmaße wie beim Volkskongress in China - wir steigen kurz aus.

11.35 Uhr Nachdem noch die Rentnerinnen- und Rentnerpartei begrüßt wurde, geht's nun endlich an die Arbeit. Zunächst wird über die Geschäftsordnung abgestimmt: Das ging erstaunlich schnell. Vorsitz und Wahlleitung werden gewählt - bisher nur Männer, was, wie die Versammlungsleitung anmerkt, auch via Twitter bemängelt wird.

Gerne würden wir hier übrigens selbst ab und an nachgucken, was nebenher unter #bpt112 so alles bei Twitter passiert - allein: Wir kommen wegen Überlastung nicht rein.

Und jetzt: Die von Bundesvorstand und Wahlkommission vorgeschlagene Tagesordnung scheint reibungslos gegen die Gegenanträge durchzukommen - nein, doch nicht: Es wird interveniert. Nun kommt es tatsächlich zur Aussprache: Kommt es am Ende tatsächlich zur Tagesordnung per erweitertem Losverfahren? Immerhin ist die Rednerliste jetzt geschlossen.

10.55 Uhr Nerz geißelt weiter: die EU-Finanzpolitik, die Machtlosigkeit der Parlamente - und ganz besonders Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, dem unter Jubel ein zunächst nachlässiger, dann alarmistischer Umgang mit Rechtsterrorismus unterstellt wird.

Die Schlussfolgerung des Piratenvorsitzenden. "Wir brauchen eine neue liberale Politik in Deutschland." Und genau die solle die Piratenpartei machen.

Das also ist die Vorgabe des Bundesvorsitzenden und Ex-CDU-Mitglieds Nerz - die Piraten als neue liberale Kraft, und - wie eigentlich seit jeher - als Korrektiv konservativer Innenpolitiker.  "Mein Name ist Sebastian Nerz, ich bin stolz darauf, Pirat zu sein."

Jubel. Jetzt weitere Grußworte, es spricht der Offenbacher Oberbürgermeister Horst Schneider - wohlwollend. Wir blenden kurz aus.

10.50 Uhr Jetzt spricht der Bundesvorsitzende Sebastian Nerz. Zunächst Dank. Dann Resümee: "Wenn man sich umschaut, sieht man viele neue unbekannte Gesichter." Jetzt geht's drum: eine Partei im Umbruch, innerhalb eines Jahres um die Hälfte gewachsen, über 150 Mandatsträger deutschlandweit, die jetzt beklatscht werden. "Wir dienen uns langsam Stück für Stück nach oben", sagt Nerz.

Nächstes Ziel: die Schleswig-Holstein-Wahl. "Dort werden wir allen beweisen, dass wir keine Eintagsfliege sind." Aber: "Die viel härtere Zeit liegt vor uns. Wir müssen jetzt richtig arbeiten, wir müssen unter Beobachtung arbeiten. Die Piratenpartei ist in der Realpolitik angekommen." Nun gelte es, sich neue Themen zu erarbeiten und zugleich piratische Grundsätze zu verteidigen.

Nerz beschwört die Einheit, entgegen der oftmals die Differnzen betonenden Berichterstattung: "Wir sind eine Partei - weil wir uns auf gemeinsame Grundsätze geeinigt haben." Der Gegenüber sei ein Freund. Und jetzt wird Nerz konkret: Streits dürften nicht mehr so exzessiv offen im Netz ausgetragen werden, die Anspielung geht wohl auch nach Berlin.

10.35 Uhr Die Landesverbände werden begrüßt, auch das mit krachender Musikunterlage. Besonderer Jubel für Berlin, das war klar. Und jetzt: Dunkelheit, Kunstnebel, Flaggen werden aufs Podium getragen (und geschwenkt), Stroboskopblitze, noch mehr laute Musik, "etwas ungelenk" findet es der parteitagserfahrene Kollege nebenan im Gegensatz zu den Parteitagen anderer Parteien. Und tatsächlich: Mit der anschließenden Ansage "Jetzt erstmal ein paar Orga-Durchsagen" wird die Stimmung gekonnt wieder runtergeholt.

Wir kommen jetzt zum ersten Mal zur Genderthematik: Nach ein paar Bierwitzen durch einen Vertreter der gastgebenden hessischen Piratenpartei ("Wir nennen es Liquid Feedback") fängt es durchaus geschmacklos an: "Die Orga-Leute haben lila T-Shirts an, die Farbe der unbefriedigten Frau - weil sie so viel zu tun haben". Vereinzelte Buh-Rufe der auch hier wieder recht vereinzelten Frauen.

10.25 Uhr Ein erstes Rambazamba, das Intro des Parteitags startet. Erstes Element: eine Toninstallation, bei der auf eine Musikschleife Zitate, offenbar aus den Reihen der Piratenpartei, verlesen werden: "Die etablierten Parteien haben Angst." "Was ich kann, fehlt der Partei." Etc ...

Dann über die Hallenleinwand Grußbotschaften von Piraten weltweit. Besonderer Applaus für die leidgeprüften russischen Piraten. Jubel für eine Nachricht aus Somalia. Es menschelt ironisch.

10.15 Uhr Herzlich willkommen zum Live-Blog vom Bundesparteitag der Piratenpartei in Offenbach, in gewisser Weise der Bewährungsparteitag der recht frisch ins Licht der Öffentlichkeit geratenen Partei. Wir versuchen das hier einfach mal mit einem Blog, vielleicht lohnt es sich ja, die Piraten bleiben unberechenbar.

Bisher ist allerdings noch nicht allzu viel los, das heißt: Es ist schon sehr viel los - in der Stadthalle Offenbach, fast alle Plätze sind besetzt, und ja, auf den Tischen reiht sich Laptop an Laptop. Lan-Party-Feeling - wie man sich das halt so vorstellt. Aber eine große Zahl Teilnehmer steht auch noch vor der Halle - die ehrenamtlichen Akkreditierer bekommen den Ansturm nicht ganz bewältigt, weshalb sich auch der für zehn Uhr geplante Beginn der Veranstaltung noch verzögert.

Bisher: Betont witzige Mikrophon-Durchsagen des Berliner Piratensprechers ("Der kleine Kevin möchte aus dem Smalland abgeholt werden") und - natürlich - Netzwerkprobleme.

Desweiteren: Der optisch wie üblich mit oranger Latzhose und Palästinensertuch auffällig gekleidete Gerwald Claus-Brunner zieht eine Spur von Kameraleuten hinter sich her. Später mehr.

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