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Linken-Vorsitzende Bernd Riexinger, Katja Kipping

© dpa

Linkspartei: Der Kampf um Direktmandate soll die Stimmung bei der Linkspartei heben

16 Direktmandate gewann die Linke bei der Bundestagswahl 2009. Mit Blick auf 2013 nennt Gregor Gysi den Kampf um die Wahlkreise eine Frage "von existenzieller Bedeutung".

Von Matthias Meisner

Berlin - Auch für die neue Führung läuft es nicht ganz ohne schlechte Nachrichten. Nur noch 67 410 Mitglieder hat die Linkspartei, wie die Bundesgeschäftsstelle Anfang der Woche melden musste. Das sind also noch einmal gut 2000 weniger als Ende 2011. Damals war die Partei erstmals unter die Zahl des Fusionsjahres 2007 geschrumpft, in dem sich PDS und WASG vereinigt hatten. Die Linke hat damit zwar immer noch ein paar Mitglieder mehr als ihre Konkurrenten Grüne und FDP. Zentrale Probleme wie eine Überalterung der Mitgliedschaft als Erbe der PDS-Vorgeschichte und auch ein nachlassendes Interesse von jungen Leuten bestehen fort.

Seit gut einem Monat stehen die Sächsin Katja Kipping und der Baden-Württemberger Bernd Riexinger an der Spitze der Linkspartei. Die beiden, die erst auf dem Bundesparteitag in Göttingen zusammenfanden, stehen für eine Harmonie, wie sie dem alten Vorsitzenden-Duo aus Klaus Ernst und Gesine Lötzsch schon lange keiner mehr abgenommen hatte. Streit soll jetzt so gut es geht vermieden werden – und wenn es doch mal Konflikte gibt, werden sie tunlichst heruntergespielt.

So war es auch Anfang Juli, als Gerüchte die Runde machten, Ulrich Maurer, Vertrauter des früheren Vorsitzenden Oskar Lafontaine, solle die Leitung des Bundestagswahlkampfes übernehmen – und damit die Befugnisse des neuen Bundesgeschäftsführers Matthias Höhn beschneiden, der zum Reformerlager gehört. Aufgegangen ist dieser Plan des linken Flügels nicht. Kipping und Riexinger versicherten, es herrsche in der Parteiführung Einigkeit, dass es zu den originären Aufgaben des Parteimanagers gehöre, den Wahlkampf zu organisieren und zu leiten. „Matthias Höhn ist unser Wahlkampfleiter.“ Riexinger ergänzte, das sei nie anders vorgesehen gewesen, dem Disput attestierte er „etwas Irreales“. Immer beabsichtigt gewesen sei aber auch, andere ins Wahlkampfteam zu berufen, etwa leitende Mitarbeiter der Parteizentrale, aber auch Spitzengenossen wie Maurer oder den früheren brandenburgischen Parteichef Thomas Nord.

Riexinger meint, die Stimmung in der Partei sei nach den ersten Wochen unter der neuen Führung „außerordentlich gut“, zum Teil gebe es sogar Aufbruchstimmung. Auf Streit einlassen will er sich deshalb auch nicht um die Frage, wer bei bei der Bundestagswahl 2013 Spitzenkandidat werden soll. Dass Fraktionschef Gregor Gysi seine Stellvertreterin Sahra Wagenknecht in dieser Funktion verhindern will, mag er nicht kommentieren, „zu gegebener Zeit“ werde die Parteiführung nach Konsultationen einen Kandidaten vorschlagen. Riexinger macht klar, dass ihm und Kipping da keiner reinreden solle: „Der wird das dann auch sein.“ Riexinger selbst will 2013 nicht für den Bundestag kandidieren. Als mögliche Spitzenkandidaten gehandelt werden Gysi, Wagenknecht, ihr Lebensgefährte Lafontaine sowie Kipping. Eine herausgehobene Rolle könnte zudem Dietmar Bartsch bekommen, der im Kampf um den Vorsitz auf dem Göttinger Parteitag gegen Riexinger unterlegen war.

Sehen Sie hier: Die Linke - Von der Gründung bis zur Zerreißprobe

Dankbar nimmt die neue Führung auf, dass auch Gysi und Lafontaine Zeichen der Versöhnung setzen, nachdem es in Göttingen zum Zerwürfnis auf offener Bühne gekommen war. Am Wochenende schipperten sie gemeinsam auf der Saar – zur Spitzenkandidatur ließen sie sich keine Empfehlung entlocken. Im parteinahen „Neuen Deutschland“ schrieb ein Leser erleichtert, persönliche Begegnungen seien in der Politik meistens nützlich. Er verglich die Bootsfahrt von Lafontaine und Gysi auf der Saar sogar mit „historischen Waldspaziergängen“, wie sie im Juli 1990 etwa Helmut Kohl und Michail Gorbatschow im Kaukasus unternommen hatten. Gysi selbst beschreibt die Lage der Partei so: „Wir haben in gewisser Weise aufgeräumt.“ Weiteren Streit kann sich die Linke auch kaum leisten: 2009 war sie auf 11,9 Prozent gekommen, in den jüngsten Umfragen liegt sie bei sieben Prozent.

Wie die Strategie für die Bundestagswahl aussieht, ist noch offen. Geschäftsführer Höhn startete eine Umfrage an der Basis und bat zu Wortmeldungen etwa nach Wähler-Milieus, Kernbotschaften und der Frage, ob es für Ost und West, Männer und Frauen, Junge und Alte verschiedene Wahlkämpfe geben müsse.

Was sich bereits abzeichnet: Der Kampf um die Direktmandate wird eine besondere Rolle spielen. 16 hatte die Partei bei der Wahl 2009 gewonnen, in Berlin und allen Ost-Ländern bis auf Sachsen. Gewinnt eine Partei mindestens drei Wahlkreise direkt, zieht sie in Gruppenstärke ins Parlament ein, auch wenn sie die Fünfprozenthürde verfehlt. In Berlin werden sich voraussichtlich neben Gysi noch Gesine Lötzsch, Petra Pau und Stefan Liebich bemühen, ihre Wahlkreise im Ostteil der Stadt zu verteidigen. Der Berliner Landeschef Klaus Lederer spricht von „besonderer Symbolik“. Die Landespartei werde in den Kampf um die Wahlkreise „alles an Energie reinstecken, was wir haben“. Kipping versichert, es gehe nicht um den doppelten Boden, sondern stehe einer Partei generell gut zu Gesicht, Direktwahlkreise zu gewinnen. Auch Riexinger sagt, der Sache gelte „besonderes Augenmerk“. Gysi erhob die Frage mit Blick auf die Umfragen sogar zu einer „von existenzieller Bedeutung“.

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