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Sieges-Mienen am Wahlabend - doch nun gehen die Wege ein wenig auseinander: Franziska Giffey, Olaf Scholz, Manuela Schwesig.

© Wolfgang Rattay/Reuters

Linkskoalitionen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern: Köche, Kellner, Kapriolen

Das Land geht vor: Die Linkskoalitionen im Nordosten der Republik machen deutlich, wie wenig die Bundes-Ampel als Projekt betrachtet wird. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Albert Funk

Manuela Schwesig ist so frei. Franziska Giffey hat keine andere Wahl. Und Olaf Scholz weiß, was er schon immer wusste (oder wissen konnte): Die Ampel-Koalition im Bund wird alles andere als einfach. Sie ist kein politisches Projekt, an das andere sich anhängen, weil sie damit eine größere Zukunftsfähigkeit verbinden. Daran ändert die Progressiv-Rhetorik wenig, mit der Rot-Grün-Gelb im Bund derzeit umrankt wird. Was Scholz mit seiner Partei, Grünen und FDP zusammenbastelt, ist eine aus dem Ergebnis der Wahl geborene, pragmatische Lösung mit nicht geringem Konfliktpotenzial.

Die eindrucksvoll bestätigte Ministerpräsidentin im Nordosten und die weniger glanzvoll antretende Bürgermeisterin der Bundeshauptstadt hätten auch Ampeln bilden können. Aber in Schwerin regiert nun eben bald Rot-Rot, in Berlin wird wohl die Linkskoalition weitermachen.

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Wer Koch ist, wer Kellner in Koalitionen, das ist heute nicht immer klar auszumachen. Die souveräne Küchenmeisterin im Nordosten der Republik hat sich für ein Bündnis entschieden, das aus ihrer Sicht am besten funktionieren wird. Die CDU ist auch in Mecklenburg-Vorpommern nicht gut aufgestellt, also scheidet sie aus. Ein Dreierbündnis mit den Kleinparteien FDP und Grüne, die wenig Gewicht einbringen, hätte womöglich geklappt. Aber es gilt noch immer die Regel, dass Regieren im Duo besser ist als Regieren im Trio. Also hat Schwesig sich für die Koalition entschieden, die naheliegt.

Keine Mehrheit im Bundesrat

Rücksichten auf den Bund, die Bundes-Ampel und den Bundesrat liegen dann fern. Eine eigene Mehrheit für die Scholz-Koalition in der Länderkammer ist derzeit weit entfernt, ist derzeit weit entfernt. Ob sie jemals käme in den kommenden vier Jahren, ist ungewiss. Und Schwesig kennt das Bund-Länder-Spiel gut genug, um zu wissen, dass es nicht unbedingt von Vorteil ist, mit einer zum Bund gleichfarbigen Koalition zu regieren. Eine Schweriner Ampel hätte ja folgsam sein müssen, Druck der Parteioberen in Berlin gleich dreifach aushalten müssen. Rot-Rot verschafft Schwesig da mehr Beinfreiheit.

Natürlich wird Scholz sowohl von Schwesig als auch von Giffey erwarten (und erwarten können), dass sie einer von ihm geführten Bundesregierung nicht größere Schwierigkeiten im Bundesrat machen werden. Das wird auch die Grünen-Führung von Bettina Jarasch und den Ihren erwarten.

Kein nachhaltiger Vorteil

Aber mit der Entscheidung für Rot-Rot und Linkskoalition treten in beiden Ländern keine reinen Kellner-Regierungen zum Nutzen der Bundesköche an. Das ist in einem Bundesrat mit schillernden Stimmenverhältnissen kein Nachteil. Da ein nachhaltiger Vorteil für das Scholz-Projekt – eben die Aussicht auf eine eigene Ampel-Mehrheit – nicht zu erkennen ist, sind die Entscheidungen in Schwerin und Berlin nachvollziehbar. Erst das Land, dann der Bund.

Man mag darin Kapriolen erkennen. Aber in Mecklenburg-Vorpommern kann Schwesig so die traditionelle Koch-Kellner-Konstellation nutzen, um ihre Position zu festigen. Und in Berlin haben die Grünen deutlich gemacht, dass es diese Koch-Kellner-Konstellation in der Hauptstadt nicht gibt und dass sie sich nicht durch Koalitionszwänge auf Bundesebene in eine aus ihrer Sicht unangenehme Situation drängeln lassen.

Wenn sich die Sozialdemokraten an der Küste und die Grünen an der Spree nicht hin zur Ampel bewegen, was bedeutet das dann für die Freien Demokraten? Christian Lindner weiß nun erst recht, auf was er sich mit der Bundes-Ampel einlässt. Sie wird bei Sozialdemokraten wie Grünen in den Ländern nicht so hoch verortet, wie man angesichts der Kooperationsschwüre in den Sondierungen vielleicht annehmen könnte. Die FDP kann das nutzen, indem sie Scholz in Koalitionsverhandlungen mehr abverlangt. Der Kanzler in spe wiederum muss schauen, dass er nicht zu weit entgegenkommt – seine Partei und die Grünen wollen und können auch anders, wenn’s geht.

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