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Geschwächt nach der Niederlage bei der Europawahl: Linken-Parteichefs Bernd Riexinger, Katja Kipping.

© Annegret Hilse/Reuters

Links! Zwo! Drei!: Wie bündnisfähig Wagenknecht und Genossen wirklich sind

Die Stimmung für Rot-Rot-Grün im Bund wird besser, glauben Funktionäre der Linkspartei. Außenpolitische Differenzen halten sie für überwindbar. Eine Analyse.

Von Matthias Meisner

Der Berliner Linken-Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich hatte kräftig Werbung gemacht für das Treffen der SPD-Denkfabrik. In Prenzlauer Berg traf sich am Mittwoch vergangener Woche dieser Zirkel der SPD-Bundestagsfraktion zum Sommerfest, gemeinsam mit Mitstreitern aus Grünen und Linkspartei. Schon seit 15 Jahren kämpft der Zirkel für eine rot-rot-grüne Annäherung. In diesem Jahr waren mit Rolf Mützenich (SPD), Anton Hofreiter (Grüne) und Dietmar Bartsch (Linke) drei Fraktionschefs vertreten. Auch die sächsische Bundestagsabgeordnete Caren Lay, die als mögliche Nachfolgerin von Sahra Wagenknecht gehandelt wird, drehte neben einer Reihe von anderen Linken-Politikern die Runde.

Die Nachricht über die Entscheidung der Bremer Grünen, das erste rot-rot-grüne Bündnis in einem West-Bundesland anzustreben, platzte mitten in die Party – und wurde mit Applaus der Vertreter aus allen drei Parteien aufgenommen. „Wir müssen Hoffnung verbreiten“, sagte Bartsch zu den Festgästen, eine auch auf ein mögliches Linksbündnis im Bund bezogene Bemerkung. Liebich ist nach dem Treffen deutlich entspannter als noch vor Monaten, was die Chancen für #r2g angeht, wie der Code für diese Konstellation heißt. Rot-Rot-Grün sei in der SPD „vollkommen enttabuisiert“, sagt er – und als Option beliebter als die Fortsetzung der Groko oder eine Ampel-Regierung. „Es gibt in der SPD eine ganz andere Stimmung, auch wenn das noch nicht alle offen sagen.“

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In der Grünen-Fraktion „möchte die Mehrheit der Fraktion nach links“, glaubt Liebich. Auch in den eigenen Reihen beobachtet er eine Verschiebung: „Die Gruppe derjenigen, die das überhaupt nicht wollen, ist sehr, sehr klein geworden. Dank Sahra Wagenknecht ist auch ein großer Teil des linken Flügels eher aufgeschlossen für eine Regierungsbeteiligung.“

Alternative zum Rechtsruck und zur „langweiligen Groko“

Caren Lay, bisher Fraktionsvize, wirbt ebenfalls mit Leidenschaft für die Konstellation: „Wenn SPD und Linke jetzt aus dem Knick kommen, können sie ihre Wählerschaft auch wieder besser mobilisieren.“ Als Alternative zum Rechtsruck und zur „langweiligen Groko“ brauche es eine „gesellschaftliche Vision“. Falsch ist es aus Sicht der Linken-Politikerin gewesen, die Debatte über ein Linksbündnis von den realen Umfragewerten abhängig zu machen.

Doch würde ein solches Bündnis auch inhaltlich funktionieren? Schnittmengen gibt es durchaus, zum Beispiel was die Frage der Umverteilung von oben nach unten oder sozialpolitische Fragen wie den Abschied von Hartz IV oder eine Kindergrundsicherung angeht. Als Hemmnis regelmäßig angeführt wird die Außen- und Sicherheitspolitik.

Parteichefin Katja Kipping gibt zu: „Kriegseinsätze gehören zu dem Trennenden. Aber womöglich ist ja unsere konsequente Friedenshaltung auch eine Chance für SPD und Grüne.“ Denn: „Inzwischen dürfte sich rumgesprochen haben, dass die Nato wahrlich kein Wertebündnis ist. Man muss sich ja nur das Agieren von Trump und Erdogan anschauen.“ Auch unter den Fachleuten in der SPD und bei den Grünen gebe es kaum noch einen, der die laufenden Auslandseinsätze mit voller Begeisterung verteidige. „Womöglich gibt es auch bei SPD und Grünen die Aussicht auf eine Neuorientierung, weil sich in der Weltpolitik so viel verändert hat.“

„Die Linke koalitionsfähig? Nein“, sagt Stratege Michael Brie

Das sieht auch Michael Brie so, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Gesellschaftsanalyse der parteinahen Rosa-Luxemburg-Stiftung. Er sagt: „Die außenpolitischen Differenzen sind überwindbar“, es gebe „keine unüberbrückbaren Hindernisse“. Sicherlich müsse über einige Punkte gestritten werden. Aber: „Einen weiteren Anstieg der Rüstungsausgaben mitzutragen, wäre schwer für die Linkspartei, aber auch für die SPD.“ Grundsätzlich hält es Brie für richtig, dass Parteichefin Kipping einen Richtungswechsel auf die Tagesordnung gesetzt habe. Es gehe dabei um den Gebrauchswert der Partei, „für die Linke wirklich eine Überlebensfrage“.

Das größte Problem sehen Strategen in der Krise von SPD und Linken. Brie sagt, beiden Parteien fehle eine strategisch orientierte Führung. Die Linken-Bundestagsfraktion sei „tief gespalten“, auch die Parteichefs seien durch die aktuelle Krise geschwächt. „Wenn Sie fragen, ob die Linke in ihrer jetzigen Verfasstheit koalitionsfähig ist, würde ich sagen: Nein.“

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