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Jagd im Netz: Blick in ein Europol-Büro in Den Haag.

© pa-dpa/Ilvy Njiokiktjien

Linken-Vorwurf: „EU-Behörden spionieren widerrechtlich Migranten aus“

Europol forscht soziale Netzwerke aus, um gegen Fluchthelfer vorzugehen – eine Überschreitung ihres Auftrags, sagt der Linke Andrej Hunko.

Die Linke wirft europäischen und deutschen Behörden vor, im Einsatz gegen Fluchthelfer widerrechtlich soziale Netzwerke auszuspähen. Dem Linken-Abgeordneten Andrej Hunko hatte die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage unter anderem mitgeteilt, dass die Bundespolizei auch die eigentlich für die Terrorbekämpfung eingerichtete „Meldestelle für Internetinhalte“ IRU (Internet Referral Unit) der europäischen Polizeibehörde Europol dafür nutzt.

Dies erfolge schwerpunktmäßig „zur Bekämpfung der Schleusungskriminalität“, heißt es in der Antwort der Regierung. Die dabei ausgewerteten „Informationen können u. a. personenbezogene Daten wie Namen, Telefonnummern, Lichtbilder umfassen“.

Der Auftrag der IRU sei der Kampf gegen islamistischen Terrorismus gewesen, „jetzt werden auch Webseiten von Fluchthelfern mit Hilfe von Europol entfernt“, sagte Hunko dem Tagesspiegel. Das sei ein „Missbrauch“ der Meldestelle IRU, der bei ihrer Einrichtung enge Grenzen gesetzt wurden. Genau davor habe man stets gewarnt. „Im Jahr 2018 lag die Erfolgsquote der Löschbitten zur Migrationsabwehr bei 98 Prozent und damit weitaus höher, als im Bereich des Terrorismus.“ 

Wenn Internetauftritte von Fluchthelfern gelöscht würden, so Hunko, werde das Flüchtende nicht aufhalten. „Allerdings werden Fluchten dadurch erschwert, noch mehr Tote sind die Folge.“

Erst im November musste das EU-Unterstützungsbüro für Asylfragen Easo eine solche Überwachung einstellen, nachdem der EU-Datenschutzbeauftragte eingeschritten war, weil er keine rechtliche Grundlage dafür sah. Easo hatte 2017 ein Rechercheprojekt des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR übernommen, das die sozialen Netze bis dahin allerdings beobachtet hatte, um Flüchtlinge gezielt vor Falschinformationen zu schützen.

EU über Trends von Fluchtbewegungen informiert

Easo forschte stattdessen Fluchthelfern und Schleppern nach und versorgte die EU-Länder regelmäßig mit Berichten über Trends der Fluchtbewegungen. Dazu stellte EU-Datenschützer Wojciech Rafal Wiewiorowski fest: „Informationssammlungen zu grenzüberschreitender Kriminalität, etwa Migrantenschmuggel oder Menschenhandel, sind (…) nicht Teil des Mandats von Easo.“

Aus der Antwort an Hunko geht auch hervor, dass die EU-Sicherheitsbehörden Messengerdienste nutzen. „Nach Kenntnissen der Bundesregierung“ würden sie zwar derzeit weder von Europol noch von der Grenzagentur Frontex überwacht. „Eine Ausnahme bilden freizugängliche Informationen, die über offene Gruppen oder Kanäle verbreitet werden und durch Europol im Rahmen von Ermittlungsverfahren ausgewertet werden.“

Die Social-Media-Beobachtung des Auswärtigen Amts diene nicht der Überwachung, die Steuerungsgruppe beobachte lediglich „den Diskurs auf Facebook zum Thema Flucht und Migration“. Was sie dabei finde, mache es der Bundesregierung möglich, „gezielt auf Informationsbedarfe einzugehen und Fehlinformationen richtigzustellen, u. a. im Rahmen der Informationskampagne „Rumours about Germany. Facts for Migrants“.

EU-Datenschützer warnt vor Social-Ausforschung

EU-Datenschützer Wiewiorowski hatte in seinem Schreiben an Easo allgemein vor den Gefahren gewarnt, die Analyse-Tools für Social Media mit sich brächten: „Die Beobachtung von Nutzern sozialer Netze ist ein Zugriff auf persönliche Daten, der individuelle Freiheitsrechte einem hohen Risiko aussetzt. Sie nutzt persönliche Daten in einer Weise, die über das hinausgehen, was die Nutzer vernünftigerweise einkalkulieren müssen. Sie führt oft dazu, dass persönliche Daten jenseits von ursprünglicher Absicht und Kontext genutzt werden (..).“

Dabei könnten auch Informationen in den Blick geraten, „die die einzelne Person nicht aktiv freigegeben hat, was dann ihre Möglichkeit unterhöhlt, die Kontrolle über ihre persönlichen Daten zu behalten.“

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