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Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln: Hier lagert auch die Akte zur Linkspartei.

© Oliver Berg/dpa

Linke im Rechtsstreit mit Verfassungsschutz: Bodo Ramelow und Petra Pau fordern Akteneinsicht

Ab damit ins Bundesarchiv? Oder besser vernichten? Die Linken-Politiker Pau und Ramelow ziehen wegen der Verfassungsschutzakte zur Linken vor Gericht.

Von Matthias Meisner

Aufs Prinzip pochen beide Seiten. An diesem Mittwoch geht vor dem nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgericht in Münster ein seit Jahren geführter Rechtsstreit in eine neue Runde. Es geht um die Frage, welche Informationen das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) über die Linken-Politiker Bodo Ramelow, seit 2014 Ministerpräsident von Thüringen, und Petra Pau, seit 2006 Vizepräsidentin des Bundestages gespeichert hat. Und letztlich auch darum, ob diese Datensammlung rechtswidrig war.

Pau, die beim Verfahren am Mittwoch anwesend sein will, hatte 2008 vor dem Verwaltungsgericht Köln erstritten, dass der Geheimdienst ihre Personenakte vorlegen muss. Sie durfte diese dann 2009 in einer Anwaltskanzlei in Marburg einsehen, in der die Prozesse der Linken gegen den Verfassungsschutz betreut werden. Doch was sie zu lesen bekam, war vor allem: geschwärzt. Oder es fehlte ganz.

In einem 41-seitigen Schriftsatz an das Kölner Verwaltungsgericht begründete das Bundesinnenministerium als Dienstherr des Verfassungsschutzes damals, warum so viel fehlte. Aktenzeichen, Organisationskennzeichen, Signaturen und Arbeitstitel wurden demnach geschwärzt, um Rückschlüsse auf die Arbeitsweise der Behörde zu verhindern.

Auch Unterstreichungen oder sonstige Hervorhebungen in Texten sollte Pau nicht zur Kenntnis bekommen – selbst diese könnten aus Sicht der Behörde "Rückschlüsse auf operative Interessen und Ziele" zulassen. Was übrig blieb, waren vor allem Zeitungsartikel. Letztlich habe der Verfassungsschutz das Kölner Urteil einfach ignoriert, erklärt Pau.

Parallel prozessierte Bodo Ramelow, seit den 90er Jahren PDS- und späterer Linken-Politiker in Thüringen. Er wollte erstreiten, dass der Verfassungsschutz ihm Auskunft zu allen seine Person betreffenden Informationen erteilt, auch zu denen außerhalb seiner Personalakte. Der Fall ging 2010 vor das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Dort argumentierte der Anwalt der Bundesrepublik, im Sinne der Arbeit der Behörde müssten eben auch Spitzenfunktionäre einer verdächtigen Partei ins Visier genommen werden, selbst wenn sie nicht Zusammenschlüssen angehören, die der Verfassungsschutz als offen extremistisch einstuft.

Die Überwachung Ramelows galt zunächst als rechtmäßig, weil der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht verletzt worden sei. Erst 2013 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass der Verfassungsschutz Ramelow nicht hätte überwachen dürfen.

Petra Pau (Linke) ist seit 2006 Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages.
Petra Pau (Linke) ist seit 2006 Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages.

© Thilo Rückesi

Einlenken will nun keiner. In Münster - Aktenzeichen: 16 A 1010/14 (VG Köln, 20 K 6717/12) und 16 A 1009/14 (VG Köln, 20 K 6112/09) - wollen Pau und Ramelow erzwingen, dass ihnen auch Auskunft zu den über ihre Person gespeicherten Daten in den beim Bundesamt für Verfassungsschutz angelegten Sachakten zur PDS beziehungsweise zur Linkspartei gegeben wird. Beide Linken-Politiker wollen nicht hinnehmen, dass die Akte zur Partei weiterhin beim Geheimdienst in Köln aufbewahrt wird, obwohl die Beobachtung der Gesamtpartei Die Linke - weiter im Visier sind einzelne Gliederungen - 2012 eingestellt wurde.

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) Mitte Juli auf seiner Sommertour.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) Mitte Juli auf seiner Sommertour.

© Martin Schutt/dpa-Zentralbild

2018 hatten die Anwälte der Bundesrepublik auf 54 Seiten begründet, warum sie die Klagen von Pau und Ramelow für unbegründet halten. Ergänzend teilten sie im Juli 2019 dem Oberverwaltungsgericht in Münster mit, dass die Sachakte zur Linkspartei bislang "weder vernichtet noch dem Bundesarchiv zur Übernahme angeboten wurde".

Angeblich nutzt Verfassungsschutz die Akte nicht mehr

Aktiv genutzt wird sie nach amtlicher Darstellung allerdings auch nicht: "Die Akte steht der Fachabteilung des Bundesamtes für Verfassungsschutz zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr zur Verfügung", versichern die Anwälte der Bundesrepublik. Sie erklären, die Papierakte zur Linkspartei werde "abgetrennt von den übrigen Aktenbeständen in einem Aktensicherungsraum verwahrt". Die elektronische Akte wiederum sei mit einem Sperrvermerk versehen. Ein Zugriff sei "technisch ausgeschlossen", was nur nach Zustimmung des Datenschutzreferates aufgehoben werden könne.

Die Linken-Politiker Pau und Ramelow halten das für irrwitzig. "Es ist und bleibt absurd", sagte Pau am Dienstag dem Tagesspiegel. Wieder einmal zeige sich, dass der Verfassungsschutz als Instrument zum Schutz der Verfassung denkbar ungeeignet sei. "Die Ämter für Verfassungsschutz agieren rechtswidrig, sie sind Relikte des Kalten Kriegs und als Geheimdienste Fremdkörper der Demokratie." Die dienstälteste Parlaments-Vizepräsidentin fordert: Das "ganze Theater" hätte längst beendet werden müssen. Das Urteil wird noch am Mittwoch erwartet.

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