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Christian Lindner ist jetzt nicht mehr nur Parteichef.

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Lindners Balanceakt: Welche Herausforderungen 2022 auf die FDP warten

Regieren, profilieren, profitieren? Für die FDP wird 2022 kein einfaches Jahr. Drei zentrale Herausforderungen liegen vor den Liberalen.

Auf die neue Zeit hatte Christian Lindner seine Partei schon im Dezember vorbereitet. „Wir werden als ein unabhängiger Teil der zukünftigen Koalition sichtbar sein“, versprach der FDP-Chef auf dem Parteitag. Aber: „Die Bundesministerin und die drei Bundesminister der FDP werden nicht diejenigen sein, die ganz vorne das Profil der FDP schärfen können.“ Er selbst werde nicht Bundesminister der Ampel, sondern „Bundesminister der Bundesrepublik Deutschland“ sein, erklärte Lindner.

Was staatsmännisch klingt, offenbarte damals schon eine zentrale Schwierigkeit der FDP in den kommenden vier Jahren: Parteichef Lindner – Gesicht der FDP und wichtigster Verkäufer ihrer Inhalte – wird künftig die Politik der gesamten Regierung vertreten. Er kann als Finanzminister der Ampel nicht mehr für „FDP pur“ stehen, was die Liberalen vor strategische Probleme stellt. Lindners Worte waren reines Erwartungsmanagement.

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Dieser Woche dürfte der 42-Jährige das fortsetzen. In Stuttgart findet am Donnerstag mit dem Dreikönigstreffen der politische Jahresauftakt der Partei statt. Zu sehen sein dürfte bei der digitalen Veranstaltung ein eher bedächtiger, denn ein angriffslustiger Christian Lindner. In seinen Worten werden die Herausforderungen herauszuhören sein, die auf die FDP 2022 warten.

1. Profilierung

Von einem „neuen“ Christian Lindner, von seiner Wandlung zum „Staatsmann“ war in den letzten Wochen häufiger die Rede. Tatsächlich hat die Veränderung des Parteichefs schon vor den Sondierungsverhandlungen begonnen, doch von da an fiel es besonders auf: Lindner wirkte ernster, gerade beim Thema Corona las er seine Sätze häufiger ab. Und seit seiner Vereidigung ist Lindner eben immer auch Finanzminister und muss seine Worte besonders wägen. „Die Profilierung der liberalen Stimme in der Koalition, das wird eine Aufgabe insbesondere unserer FDP-Bundestagsfraktion sein“, erklärte Lindner deshalb seinen Parteifreunden im Dezember.

[Das Finanzministerium ist seine „dornige Chance“: Lesen Sie hier bei Tagesspiegel Plus ein Porträt über FDP-Chef Christian Lindner.]

Ob die Rechnung aufgeht, wird sich erst noch zeigen, denn die Fraktion wird sich auch als Stütze der Koalition verstehen. Und der neue Fraktionsvorsitzende Christian Dürr ist der breiten Öffentlichkeit bislang kein Begriff. Für die Profilierung wird auch die Partei gebraucht – allen voran der designierte Generalsekretär Bijan Djir-Sarai, bislang einer der wichtigsten Außenpolitiker der FDP. Er hat schon klar gemacht, dass er - anders als andere Generalsekretäre - kein Freund der „Abteilung Attacke“ ist und Respekt in der Politik als entscheidende Größe sieht.

2. Rolle

Als abschreckendes Beispiel einer Regierungsbeteiligung steht vielen Liberalen immer noch die Zeit von 2009 bis 2013 vor Augen, als die FDP in der schwarz-gelben Koalition von der Union quasi totregiert wurde und aus dem Bundestag flog.

Die Bundestagsabgeordnete und baden-württembergische FDP-Generalsekretärin Judith Skudelny sagt, damals sei man in der Regierung zwar sichtbar gewesen, aber nicht positiv aufgefallen. „In der Ampel wollen wir nicht die Verhinderer sein, nicht die Opposition in der Regierung, sondern die eigenen Projekte umsetzen und die der anderen in gute Bahnen lenken.“

Auch andere Liberale betonen, dass man nicht der Nein-Sager in der Regierung sein wolle. Bereits jetzt ist etwa zu erkennen, dass die FDP einen engen Draht zur SPD sucht und beispielsweise in Sachen Bundespräsident früh Frank-Walter Steinmeiers Wiederwahl unterstützte.

Skudelny, die auf dem Dreikönigstreffen eine Rede halten wird, sagt: „Als Regierungspartei ist es unsere Aufgabe, die gemeinsamen Projekte voranzubringen. Gleichzeitig dürfen wir unser Profil nicht verlieren.“

3. Überzeugungen

Doch immer wieder wird die FDP in der Ampel auch Dinge vertreten müssen, die eigentlich gegen ihre Überzeugungen gehen. Gerade beim Thema Corona kollidiert das liberale Freiheitsversprechen mit der Realität und die Partei musste nachsteuern. Als Umfaller wollen die Freien Demokraten aber nicht dastehen. „Wenn sich die Lage dramatisch verändert, dann wäre man doch ideologisch verbohrt, wenn man nicht nachsteuert!“, sagte Marco Buschmann – mittlerweile Bundesjustizminister – kürzlich dem Tagesspiegel.

In Stuttgart, wo an diesem Mittwoch der Landesparteitag der FDP stattfindet, steht eine emotionale Debatte zur Impfpflicht an. „Wir tun uns als Freie Demokraten schwer mit der Impfpflicht, weil wir für Freiheitsrechte besonders sensibel sind“, meint Skudelny. Es gebe dazu unterschiedliche Haltungen in der Partei und es sei wichtig, dass alle gehört würden. Über die Impfpflicht wird der Bundestag bald ohne Fraktionszwang abstimmen. Parteichef Lindner erklärte im Dezember, er tendiere zu einer allgemeinen Impfpflicht. Ein Teil der Fraktion ist dagegen.

Auch in anderen Bereichen wird die FDP die Erwartungen überzeugter Anhänger nicht erfüllen können. Bekanntlich konnte Lindner zwar durchsetzen, dass es keine Steuererhöhungen mit der Ampel geben wird – aber eben auch keine Senkungen, wie sie sich die FDP gewünscht hat. Folglich muss Lindner jetzt die Entlastungen, die geplant sind - beispielsweise die Abschaffung der EEG-Umlage beim Strom - als möglichst großen Erfolg verkaufen.

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