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Unter Waffen. Soldaten des Generals Haftar kontrollieren den Osten Libyens.

© AFP

Libyen nach zehn Jahren Krieg: Aussöhnung mit Hindernissen

Libyens Konfliktparteien sollen eine Übergangsregierung bilden. Doch ausländische Söldner gefährden den Friedensplan.

In Libyen sollte nach zehn Jahren Krieg jetzt der Übergang zum Frieden beginnen. Doch stattdessen bereiten sich die Konfliktparteien auf weitere Auseinandersetzungen vor. Satellitenbilder aus der libyschen Wüste südlich der Hafenstadt Sirte zeigen neue Gräben und Befestigungen auf einer Strecke von rund 70 Kilometern, wie der US-Nachrichtensender CNN meldete.

Amerikanische Geheimdienste gehen laut CNN davon aus, dass Kämpfer der russischen Söldnerfirma Wagner die Anlagen bauen. Wie andere ausländische Akteure in Libyen ignorieren die Wagner-Truppen eine Frist der Vereinten Nationen zum Abzug aus dem nordafrikanischen Land.

Bis zum 23. Januar hätten sich Russen, Türken und syrische Kämpfer aus Libyen zurückziehen sollen. Doch sie bleiben und demonstrieren damit, wie störanfällig die UN-Friedensbemühungen sind.

Nach jahrelangen Kämpfen hatte die UNO die Konfliktparteien vor einigen Monaten an den Verhandlungstisch gebracht. Seit Oktober gilt ein Waffenstillstand, während Unterhändler der international anerkannten Einheitsregierung in West-Libyen und des rivalisierenden Parlaments im Osten über eine Lösung reden.

Dem UN-Plan folgend wählt eine Versammlung aus 75 Vertretern aller Landesteile in dieser Woche einen dreiköpfigen Präsidialrat und einen Ministerpräsidenten, die das Land bis zu Neuwahlen im Dezember regieren sollen. Unter den Kandidaten sind Innenminister Fatih Baschaga, ein Verbündeter der Türkei, und Aguila Saleh, der Präsident des Parlaments im ost-libyschen Tobruk. Die Wahlfrist endet an diesem Freitag.

Den Krieg beenden

Mit dem Plan will die UNO den Krieg beenden, der mit dem Sturz von Diktator Muammar Gaddafi 2011 begann und 2014 zur Teilung des Landes zwischen der Einheitsregierung in der Hauptstadt Tripolis und dem Parlament in Tobruk führte.

Eine Friedenslösung könnte helfen, die Zahl der Flüchtlinge zu reduzieren, die über Libyen nach Europa kommen. Erst vor kurzem ertranken mindestens 43 Menschen, als ihr Boot auf dem Weg von Libyen nach Italien kenterte. Dass bisher alle Friedensbemühungen gescheitert sind, liegt auch an den ausländischen Mächten, die in Libyen mitmischen.

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Die Türkei und Katar helfen der Einheitsregierung, dagegen stehen Ägypten, Russland und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) auf der Seite des Tobruk-Parlaments und dessen Militärchef Khalifa Haftar. Söldner aus Syrien kämpfen auf beiden Seiten. Die UNO schätzt, dass insgesamt 20 000 ausländische Kämpfer im Land sind.

Die beteiligten Länder kümmern sich weder um die Frist zum Truppenabzug noch um das UN-Waffenembargo für Libyen. Weiterhin kommen Waffen und Kämpfer in dem nordafrikanischen Land an. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete vor einigen Tagen, das russische Söldner-Unternehmen Wagner werbe nach wie vor syrische Kämpfer für Libyen an. Auch die Türkei fliegt demnach weiter syrische Kämpfer nach Nordafrika. Die USA riefen die Türkei, Russland und die VAE in der vergangenen Woche auf, ihre Militärinterventionen in Libyen zu beenden.

Auch Interessen libyscher Gruppen gefährden den Waffenstillstand. Der Libyen-Experte Wolfram Lacher von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin weist darauf hin, dass der politische Prozess zu neuen Konflikten führen könnte.

Störmanöver erwartet

Einige Mitglieder der Eliten im Osten wie im Westen Libyens werden sich laut Lacher dank des UN-Plans den Zugang zu Posten und Geld sichern können. Andere Akteure, die leer ausgehen, könnten deshalb versuchen, die UN-Verhandlungen zu unterminieren, schrieb Lacher auf Twitter.

Die amtierende UN-Libyenbeauftragte Stephanie Williams hat die politische Elite im Osten und Westen des Landes ebenfalls im Verdacht, vor allem an ihren Pfründen und weniger am Wohl des Landes interessiert zu sein. Für die herrschenden Klassen würde ein wirklicher politischer Wandel bedeuten, dass sie nicht mehr in die Staatskasse greifen könnten, sagte die amerikanische Diplomatin dem britischen „Guardian“. Williams erwartet deshalb Störmanöver.

Ein ähnliches Desinteresse an einer Lösung wirft Williams den ausländischen Akteuren vor, die ihre Kämpfer nicht aus Libyen abziehen wollen. Rein technisch sei ein Rückzug schließlich nicht kompliziert: „Wenn man ausländische Truppen einfliegen kann, kann man sie auch wieder ausfliegen.“

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