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Großer Jubel. In Beirut feiern Anhänger von Michel Aoun dessen Wahl zum Präsidenten.

© AFP

Libanon: Michel Aoun: Ein Ex-General wird Staatschef

Michel Aoun gehört seit Langem zu Libanons Machtelite. Nun soll der 81-Jährige als Staatschef dem Land Stabilität geben. Aber er ist auch ein Präsident von Gnaden der Hisbollah. Eine Analyse.

Es war ein langer, beschwerlicher Weg. Doch nun ist Michel Aoun am Ziel. Das Parlament in Beirut hat den 81-Jährigen unter strengen Sicherheitsvorkehrungen zum Staatschef des kleinen Libanon gewählt. Ein bedeutendes Ereignis. Denn seit Mai 2014 hatte das Land keinen Präsidenten mehr. 45-mal waren die Volksvertreter zusammengekommen, um ein neues Staatsoberhaupt zu benennen – erfolglos. Die zerstrittenen Parteien hatten sich nicht auf einen Kandidaten verständigen können. Der Zedernstaat war politisch fast vollständig gelähmt. Nun ist es an Aoun, dem Libanon endlich wieder Stabilität, Einheit und Sicherheit zu verschaffen. Die Frage lautet jedoch: Hat der maronitische Christ das Zeug, die Probleme des Landes zu lösen? Kann er eine Identifikationsfigur für das religiös extrem heterogene Sechs-Millionen-Volk werden? Nur wenige Libanesen glauben daran.

Fünfzehn Jahre Exil

Das liegt auch an Aoun selbst. Er ist ein Repräsentant des Establishments, ein gewiefter Strippenzieher, der im blutigen Bürgerkrieg (1975–1990) zu den zentralen Akteuren gehörte. Als damaliger Chef der libanesischen Armee leistete Aoun nicht zuletzt der syrischen Besatzungsmacht erbitterten Widerstand. Doch er unterlag und musste 1990 ins französische Exil gehen. Erst nach dem Abzug der syrischen Armee 2005 konnte Aoun in seine Heimat zurückkehren.

Dann gab es eine Kehrtwende, die alle überraschte: die Aussöhnung mit Syriens Baschar al Assad. Damit nicht genug ging Aoun außerdem ein Bündnis mit der schiitischen Hisbollah ein. Dies sollte ihm den Weg an die Staatsspitze ebnen. Vielen Libanesen gilt Aoun daher als Präsident von Gnaden der Hisbollah, die zu Assads wichtigsten Unterstützern gehören.

Härterer Kurs gegenüber Flüchtlingen?

Das dürfte auch Saad Hariri umtreiben. Aber der Sunnit und Vorzeigepolitiker des prowestlichen Lagers wird gemäß einer Absprache mit Aoun wohl Libanons nächster Ministerpräsident. Dafür ist er offenbar bereit, die Vergangenheit ruhen zu lassen: Hariri macht die vom Iran abhängige Hisbollah und Syrien für die Ermordung seines Vaters Rafiq 2005 verantwortlich.

Doch bei aller Nähe zu Damaskus wird Aoun als Präsident alles daran setzen, dass sein Land nicht weiter in den Krieg im Nachbarland hineingezogen wird. Schon heute machen dem Libanon 1,5 Millionen syrische Flüchtlinge zu schaffen. Aoun könnte ihnen gegenüber einen härteren Kurs einschlagen. Er will, dass die Schutzsuchenden möglichst bald sein Land verlassen.

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