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Bei mehreren Demonstrationen in ganz Frankreich war am Sonntag die Antwort auf den islamistischen Anschlag zu lesen: "Je suis Samuel".

© imago images/Hans Lucas

Lehren aus dem Lehrermord in Frankreich: Schulen brauchen ein Extremisten-Frühwarnsystem

Dem Attentat wegen der Mohammed-Karikaturen war massives Mobbing vorangegangen. Schulen müssen lernen, so etwas richtig zu deuten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Frank Jansen

Grausiger kann ein Attentat kaum sein. Der Lehrer Samuel Paty wurde vergangenen Freitag in einem Vorort von Paris von einem Islamisten auf offener Straße enthauptet. Der gerade mal 18 Jahre alte Mörder veröffentlichte zudem bei Twitter ein Foto des Opfers und Parolen voller Hass. Nicht nur Frankreich ist geschockt, das Entsetzen ist global. Das hat der Täter gewollt.

Der barbarische Anschlag ist eine klassische Fanaltat mit brutaler Ansage: Wer es wagt, wie Paty es im Unterricht tat, die von Muslimen weltweit verabscheuten Mohammed-Karikaturen als Ausdruck von Meinungsfreiheit zu thematisieren, muss um sein Leben fürchten.

Vermutlich werden nun über Frankreich hinaus Lehrerinnen und Lehrer genau überlegen, ob sie ein ähnliches Risiko eingehen wie Paty. Zumal die Wut radikalisierter Muslime über die Karikaturen schon seit 15 Jahren anhält. Nachdem die dänische Zeitung „Jyllands Posten“ 2005 die von Kurt Westergaard gezeichneten Bildchen mit einer satirischen Darstellung des Propheten Mohammed veröffentlicht hatte, haben Islamisten viele Gewalttaten verübt. Dänische Botschaften gingen in Flammen auf, und in Köln platzierten junge Libanesen Kofferbomben in Regionalzügen, als Rache für den Nachdruck der Karikaturen in deutschen Zeitungen.

Im Januar 2015 erschossen Terroristen in Paris Redakteure des Satire-Magazins „Charlie Hebdo“, das ebenfalls Mohammed-Karikaturen publiziert hatte. Vor wenigen Wochen verletzte ein ebenfalls erst 18-jähriger Islamist in Paris zwei Journalisten, die sich in der Nähe der früheren Räume von „Charlie Hebdo“ aufhielten. Und jetzt starb Samuel Paty. Darauf kann es nur eine Antwort geben: die unüberhörbare Solidarität der Zivilgesellschaft mit den Opfern und ihren Angehörigen. 2015 kursierte die Parole „Je suis Charlie“, heute lautet sie „Je suis Samuel“.

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Das hätte in Patys Heimatort Conflans-Sainte-Honorine offenbar schon vor dem Mord gelten müssen. Der Lehrer war einem Mobbing ausgesetzt, vor allem im Internet, nachdem er im Unterricht die Mohammed-Karikaturen thematisiert hatte. Der Vater eines muslimischen Mädchens aus Patys Schule soll ihn massiv unter Druck gesetzt haben. Es ist leider fraglich, ob die Schulleitung Paty beistand. Und ob die Sicherheitsbehörden erkannten, was sich zusammenbraute. Auch wenn die Fragen noch offen sind, ist der Fall eine Lehre auch für Deutschland: Schulen dürfen Lehrer nicht im Stich lassen, wenn diese von Extremisten und Wutbürgern bedroht werden. Polizei und Verfassungsschutz müssen früh eingeschaltet werden, um einer Eskalation vorzubeugen. Und es wäre zu überlegen, ob Schulen mit eigenen Extremismusbeauftragten ein Frühwarnsystem installieren.

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