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Ein Teammitglied einer UN-Oragnisation nimmt Maß am Oberarm eines Kindes, das von seiner Mutter auf dem Arm gehalten wird.

© Uncredited/UNICEF/dpa

Leere Lager, fehlender Nachschub: Mehr als 100.000 Kinder in Tigray sind vom Hungertod bedroht

Unicef warnt vor weiterer humanitärer Katastrophe. Alle Vorräte der Hilfsorganisationen sind aufgebraucht. Lastwagen auf gefährlichen Straßen unterwegs.

Die Nahrungsmittelvorräte des Welternährungsprogramms WFP in der äthiopischen Bürgerkriegsprovinz Tigray sind aufgebraucht, ohne dass bislang ein neuer Konvoi in der Hunger-Region eintraf.

UN-Berichten vom Wochenende zufolge konnten zwar insgesamt 200 Lastwagen den Flughafen in Semera in der benachbarten Afar-Provinz verlassen. Ob sie die rund 300 Kilometer lange unwirtliche und umkämpfte Strecke tatsächlich passieren können, steht zur Stunde allerdings nicht fest.

Um den tatsächlichen Bedarf an Hilfsgütern in Tigray zu decken, müssten täglich 100 Lastwagen in die Bürgerkriegsprovinz gelangen, teilte WFP-Sprecher Tomson Phiri mit. WFP-Chef David Beasley gab vergangene Woche bekannt, dass die Lagerbestände des UN-Hilfswerks am Freitag aufgebraucht wurden.

Die schlimmsten Befürchtungen haben sich bestätigt

Mehr als 100.000 Kinder seien in den kommenden Monaten vom Hungertod bedroht, teilte das Kinderhilfswerk Unicef unterdessen mit.

„Unsere schlimmsten Befürchtungen haben sich bestätigt“, sagte Unicef-Sprecherin Marixie Mercado nach ihrer Rückkehr aus der Region am Freitag in Genf. Eine aktuelle Untersuchung habe ergeben, dass eine von zwei schwangeren oder stillenden Müttern „akut unterernährt“ sei.

Derzeit leben 400.000 Menschen in Tigray „unter den Bedingungen einer Hungersnot“, teilten die UN mit. Fast fünf Millionen seien auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen.

Regierung: Versorgung ist gesichert

Äthiopiens Regierung besteht weiterhin darauf, dass sich in Tigray keine Hungersnot abzeichne.

Bei ihrem Abzug Ende Juni hätten die Regierungstruppen 44.000 Tonnen Weizen und 2,5 Millionen Liter Pflanzenöl zurück gelassen, sagte die Sprecherin des Regierungschefs Abiy Ahmed. Wo sich diese befinden und wer sie verteilen soll, wurde nicht mitgeteilt.

Premierminister Abiy, der 2019 den Friedensnobelpreis erhalten hatte, beharrt darauf, dass seine Regierung die Versorgung der Bevölkerung Tigrays mit Nahrungsmittelhilfe „in keiner Weise“ behindere.

Internationale Hilfswerke tun sich schwer, die Blockade Tigrays seitens der äthiopischen Regierung zu kritisieren. Sie fürchten, von Addis Abeba als parteiisch hingestellt zu werden: Ihre Mitarbeiter vor Ort würden so noch zusätzlich gefährdet.

Von der Außenwelt abgeschnitten

Die Tigray-Provinz ist von der Außenwelt fast vollständig abgeschottet. Mobilfunk- und Internetverbindungen sind unterbrochen, ausländische Journalisten werden nicht mehr in die Region gelassen.

Unterdessen weiten sich auch die Kämpfe in der Region weiter aus. „Tigrays Verteidigungsstreitkräfte“ (TDF) drangen bereits in die beiden benachbarten Provinzen Amhara und Afar vor.

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Dort liefern sie sich Gefechte mit der äthiopischen Armee und den Provinz-Milizen. Beobachter vermuten, dass die TDF die Eisenbahnlinie zwischen Addis Abeba und dem Hafen in Dschibuti unterbrechen will. Auf ihr werden rund 95 Prozent der Ein- und Ausfuhren des 110 Millionen Einwohner zählenden Landes befördert.

Das Land soll auch "mit Steinen" verteidigt werden

Die Präsidenten der Afar- und Amhara-Provinzen riefen ihre Bevölkerung inzwischen zu den Waffen. Jeder über 18-jährige Mann solle sich dem „Kampf ums Überleben“ anschließen, sagte Amharas Präsident Agegnehu Teshager. Während sein Amtskollege in Afar, Mohammed Dersa, die Bevölkerung dazu aufrief, das Land „mit Gewehren, Stöcken oder auch Steinen“ zu verteidigen.

Auch die Regierung in Addis Abeba startete in der vergangenen Woche eine Rekrutierungskampagne. Er werde in den kommenden Wochen „100 000 trainierte Spezialkräfte“ in den umkämpften Norden des Landes zu schicken, kündigte Premierminister Abiy an.

Bei einer TDF-Offensive im Juni kamen Tausende, womöglich sogar Zehntausende äthiopischer Soldaten ums Leben.

Johannes Dieterich

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