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Ein Schiff wird kommen - es bringt aber keine Entlastung. Das Lazarettschiff „USNS Comfort“ vor der Skyline von Manhattan.

© Angela Weiss / AFP

Lazarettschiff vor New York nimmt nur 20 Patienten auf: „Wenn ihr uns nicht helfen könnt, was soll das dann?“

Die „USNS Comfort“ werde New Yorks überfüllte Krankenhäuser entlasten, versprach Präsident Trump. Doch von 1000 Patientenplätzen sind bisher nur 20 belegt.

Die Bilder gingen um die Welt: US-Präsident Donald Trump steht vergangenen Samstag am Kai des Marinestützpunktes Norfolk, Virginia, und verabschiedet das Lazarettschiff mit dem Trost versprechenden Namen „Comfort“ beim Auslaufen nach New York. Das schwimmende Lazarett kann tausend Kranke aufnehmen. Das wäre eine signifikante Entlastung für die Metropole, die zum Brennpunkt der Corona-Krise geworden ist. Ihre Krankenhäuser sind mit Infizierten überfüllt. Trump spricht von einer „Botschaft der Hoffnung und der Solidarität“.

Es waren Bilder, die anderswo Bewunderung und Neid auslösten. Die USA mögen schwer von der Pandemie getroffen sein, die größte Volkswirtschaft und Militärmacht der Welt verfüg aber auch über einzigartige Ressourcen.

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Am Montag hat die „Comfort“ in New York festgemacht und wurde dort begeistert empfangen. Lokale Medien nannten es einen der wenigen lichten Momente in einer düsteren Zeit.

Doch im Lauf der Woche hat das Lazarettschiff nur 20 Patienten aufgenommen. Die versprochene Entlastung, der „Comfort“, lässt auf sich warten. Warum?

„Follow the protocol“ und „You know the drill“"

Zu viel Bürokratie, zu enge Vorschriften, lautet die kurze Antwort. Bei den Verantwortlichen für die städtischen Krankenhäuser löst das Bitterkeit aus. „Das ist doch ein Witz!“, beschwert sich Michael Dowling, Chef von „Northwell Health“, New Yorks größtem Krankenhausbetreiber, in der „New York Times“. Es sei ja schön, dass diese wunderbare Infrastruktur vorgeführt werde, aber „wir sind hier auf dem Schlachtfeld“ und „wenn ihr uns nicht helfen könnt, was soll das dann?“

Wer in den USA gelebt hat und mit dem Militär zu tun hatte, kennt diese Bürokratie und kann sich die Abläufe und die Dialoge zwischen den Militärs und den Zivilisten lebhaft vorstellen. Für jede Situation gibt es Handlungsanweisungen, das so genannte „Protocol“. Alle Abläufe werden eingeübt, damit sie auch unter extremem Stress abgerufen werden können. Redewendungen wie „Follow the protocol“ und „You know the drill“ sind in die Alltagssprache der Zivilisten übergegangen. Nur: Wer traut sich, in Ausnahmesituation aus „Drill“ und „Protocol“ auszubrechen?

Das Schiff ist nicht für Corona-Patienten gedacht

Die „Comfort“, das muss man der Fairness halber klarstellen, war nicht nach New York beordert worden, um Corona-Patienten aufzunehmen. In der räumlichen Enge von Schiffen wäre die Ansteckungsgefahr zu groß. Das zeigt nicht zuletzt das Schicksal des Flugzeugträgers „Theodore Roosevelt“, an dessen Bord sich das Virus verbreitete - sowie das Schicksal seines Kommandanten, dem das Pentagon nun die Befehlsgewalt entzogen hat, weil er sich an die Öffentlichkeit wandte.

Lazarettschiffe sind dazu gedacht, andere Verwundete und Kranke zu versorgen. Die „Comfort" war zum Beispiel nach dem Erdbeben in Haiti eine große Hilfe. Nun sollte sie New Yorks Krankenhäuser entlasten, indem sie Nicht-Corona-Patienten übernimmt und so deren Betten an Land für Corona-Patienten frei macht. Käme das Virus an Bord der „Comfort“ und würden sich unter der Mannschaft ausbreiten, wären ihre zwölf Operationssäle, das Medizinische Labor und ihre 1000 Betten auch bald keine Hilfe mehr.

Hintergrund-Informationen zum Coronavirus:

In der Praxis sieht das „Protocol“ so aus: Ambulanzen dürfen Patienten, die auf die „Comfort“ verlegt werden sollen, nicht direkt dorthin bringen. Erst muss ihr Gesundheitszustand in einem städtischen Krankenhaus untersucht und festgehalten werden. Dazu gehört auch ein Test auf den Coronavirus. Die Richtlinien listen 49 Gesundheitsbeeinträchtigungen auf, die einen Patienten von der Verlegung auf das Lazarettschiff ausschließen. „Wir nehmen Patienten auf so schnell es geht“, sagt die Sprecherin der Kriegsmarine. Kapitän Patrick Amersbach, der den Krankenhausbetrieb auf der „Comfort“ leitet, erläutert: „Ich habe den Befehl, nur Patienten an Bord zu lassen, die negativ auf Corona getestet sind.“ Wenn sich die Anordnungen ändern und er Corona-Patienten aufnehmen solle, werde er den Betrieb an Bord daran anpassen.

Konflikt zwischen militärischen und zivilen Spitalen

Im Kontrast zu den Ausnahmezuständen in den Krankhäusern an Land wirkt das militärische Vorgehen nach Protokoll auf die Verantwortlichen dort skandalös langsam. Die Zahl der Covid-19-Patienten in Dowlings größtem Krankenhaus ist seit dem 20. März von 100 auf 2800 emporgeschnellt. Flure, Zimmer, Säle werden provisorisch umgebaut, um Platz für möglichst viele Betten zu schaffen. Patienten sterben auf Korridoren. Die von der Regierung gelieferten Beatmungsgeräte sind zum Teil defekt. Schutzmasken kommen nicht in ausreichender Zahl.

Andrew Cuomo, der Gouverneur des Bundesstaats New York, verhandelt mit Präsident Trump über einen Ausweg. Das Javits Convention Center in Manhattan, das vom Militär zu einem provisorischen Krankenhaus mit 2500 Betten umgebaut wurde - ähnlich wie das in Berlin mit den Messehallen geplant ist -, soll ab sofort Covid-Patienten aufnehmen.

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