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Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) im Bundestag

© AFP/John Macdougall

Lauterbachs erste Rede als Minister: „Ich weiß, dass wir das schaffen werden“

Karl Lauterbach mutiert im Eiltempo vom TV-Warner zum Minister Zuversicht. Für seine Jungfernrede im Bundestag macht er Anleihen bei Angela Merkel.

Von Robert Birnbaum

Karl Lauterbach entpuppt sich als Freund der listigen Kontinuität. „Man soll ja nicht sagen: Wir schaffen das“, frotzelt der frischbackene Gesundheitsminister.

Im Plenarsaal kommt, so ernst das Thema ist, gedämpftes Kichern auf. Der Bundestag beschließt am Freitag die Impfpflicht in Praxen, Kliniken und Heimen und die zweite Nachbesserung am Infektionsschutzgesetz der Ampel.

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Das Gesetz durchläuft ein Eilverfahren. Lauterbach auch. Aus dem Talkshow-Mahner der Nation wird der Tröster im Ministerrang: „Ich glaube nicht nur, ich weiß, dass wir das schaffen werden.“

An seinem festen Willen zweifelt niemand. An ihm liegt es ja auch nicht, dass die Wandlung vom „Professor Doktor Karl Lauterbach“, wie Bundestagspräsidentin Bärbel Bas den Parteifreund korrekt aufruft, zum braven Koalitionär nicht ruckelfrei verläuft.

Es war schließlich die FDP, die die „epidemische Notlage“ gründlich beenden wollte. Erst nach tagelanger Bearbeitung hinter den Kulissen und dem „Bundesnotbremse“-Urteil des Bundesverfassungsgerichts drehten die Freidemokraten bei.

„Wir haben keine Zeit zu verlieren“

Als Lauterbach vor Parteipolitik warnt, die Verbesserung eines Gesetzes als „nicht ehrenrührig“ verteidigt und mahnt: „Wir haben keine Zeit zu verlieren“, sorgt das bei der Union denn auch für gelinden Spott.

Das Nachbesserungsgesetz repariere nur, was die Ampel überflüssigerweise selbst angerichtet habe, merkt der CSU-Abgeordnete Volker Ullrich an. Es gebe aber immer noch nicht den „vollen Instrumentenkasten“ zurück.

Tatsächlich können Länder ab nächster Woche zwar wieder Restaurants schließen und Messen und Kongresse untersagen. Allerdings gilt das nur bis Ende Februar, und Ausgangssperren und andere flächendeckende Kontaktverbote bleiben verboten.

Niemand wolle drastische Schritte, versichern die Redner der Union. Nur: „im Krieg sollte man nicht abrüsten“, zitiert der CDU-Abgeordnete Hendrik Hoppenstedt einen Experten aus der Anhörung zu dem Gesetz.

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Hoppenstedt war im Kanzleramt Angela Merkels Länder-Koordinator. Damals, sagt er, habe die Kanzlerin die Länderchefs zu Maßnahmen drängen müssen; jetzt wollten die Ministerpräsidenten mehr tun dürfen, aber die neue Regierung „die zögert, die zaudert, die verhindern“. Die Union stimme der Neufassung zu nach dem Motto „Besser als nichts.“ Aber in wenigen Wochen werde man doch wieder nachbessern müssen.

Lauterbach widerspricht dem so wenig wie sein Kanzler.

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Olaf Scholz hatte am Vorabend zum ersten Mal die Ministerpräsidenten zu Gast. Er sicherte den Länderchefs zu, dass nächste Woche sein neuer Krisen- und Beraterstab die Lage prüfen und dann die Regierung, wenn nötig, erneut reagieren werde.

Lauterbach verweist vorsorglich auf die Omikron-Variante. Es gelte nicht nur, die aggressive Delta-Welle zu brechen, sondern die nächste Welle mit der Virusmutante zu verhindern.

Die Grünen-Abgeordnete Maria Klein-Schmeink nimmt Omikron ebenfalls her, um durchscheinen zu lassen, dass ihre Partei nur um des Koalitionsfriedens Willen dabei mitgemacht hatte, die „epidemische Notlage“ zu beenden. „Wir müssen uns darauf einstellen, dass wir weitere Maßnahmen brauchen“, sagt die Grüne.

Im „Spiegel“-Interview mahnt Minister Lauterbach alle Bürger eindringlich, sich um die dritte Booster-Impfung zu kümmern – gegen Omikron schütze die bisher als sicher geltende Doppelimpfung möglicherweise „gar nicht“ mehr.

In dem Gespräch ist der Mahner Lauterbach ohnehin noch deutlich präsenter als der koalitionstreue Minister. Im Bundestag geht er zum Beispiel nicht auf die Forderung von Unionsrednern ein, die Impfpflicht für medizinisches und Pflegepersonal gleich auf Lehrer und Kita-Betreuer auszuweiten. Im Interview bekennt er sich als „klarer Befürworter“ einer Impfpflicht für alle Erzieher. Omikron befällt nämlich verstärkt Kinder und Jugendliche; in Südafrika mussten auffällig viele Junge sogar ins Krankenhaus.

Ansonsten herrscht in puncto Impfpflicht im Parlament aber mit der üblichen Ausnahme der AfD große Einigkeit. Nach fast zwei Jahren in der Pandemie sei es „in keiner Weise akzeptabel“, dass in Heimen und Kliniken Personal immer noch nicht geimpft sei, schimpft Lauterbach, und dass deswegen „dort noch Menschen sterben“.

Die Impfpflicht für Einrichtungen greift allerdings erst ab Mitte März. Scholz hatte das am Tag zuvor begründet: Jeder Beschäftigte solle die Chance bekommen, sich bis dahin noch impfen zu lassen. Tatsächlich wäre ein früherer Zeitpunkt rechtlich kaum zu halten gewesen. Schließlich sieht das Gesetz ein Arbeitsverbot für Ungeimpfte in diesen Jobs vor.

Bei einer allgemeinen Impfpflicht würden die Folgen nicht so weit gehen. Lauterbach stellt im Interview klar: „Ins Gefängnis muss niemand. Aber die Verhängung von Bußgeldern ist unvermeidbar.“ Und wenn jemand nicht zahlen wolle, müssten die Strafen „empfindlich erhöht“ werden. Aber Lauterbach, Scholz und die anderen Befürworter erhoffen sich von einer Impfpflicht ohnehin vor allem einen sanften Druckeffekt, der all die an die Spritze bringt, die sich bloß aus Nachlässigkeit, falschem Heldenmut oder Weißkittel-Phobie fern halten.

Doch über diesen Plan wird am Freitag noch nicht abgestimmt. Alle haben schon genug damit zu tun, die kleine Impfpflicht-Variante im Eiltempo auf den Weg zu bringen.

Am Nachmittag musste der Bundesrat dafür extra zusammenkommen. Und auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier durfte erst ins Wochenende, nachdem er unterschrieben hatte.

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