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Der Neue, den alle kennen: Karl Lauterbach (SPD) ist designierter Bundesminister für Gesundheit.

© Michael Kappeler/dpa

Lauterbach im Ampel-Kabinett: Wie viel Mahner steckt noch im Minister?

Viele Deutsche haben sich den mahnenden Experten als Minister gewünscht – daran kam Scholz nicht vorbei. Es kann eine gute Wahl sein. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Thomas Trappe

Eine weit verbreitete Einschätzung hat der künftige Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach direkt schon mal widerlegt: Dass er sich nicht zurechtfindet in den SPD-internen Machtspielen. Wäre dies so, nie wäre Lauterbach in das Amt gekommen, das ihm viele in der Partei, allen voran Olaf Scholz, nur mit Überwindung anvertrauen. Den Karrieresprung verdankt Lauterbach seiner in der Pandemie gestählten Rolle des Corona-Erklärers und -Mahners.

Scholz bestätigte das bei der Bekanntgabe der Personalie nochmal recht unverhohlen. Die meisten Deutschen hätten sich Lauterbach als Gesundheitsminister gewünscht, sagte Scholz. Und ergänzte, fast so, als ergebe er sich: „Er wird es.“

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An Lauterbachs Leidenschaft für Gesundheitspolitik und -wissenschaft kann kein Zweifel bestehen, sie ist es auch, die ihn zu einem der häufigsten Talkshow-Gäste in der Pandemie machte. Gleichzeitig darf das nicht darüber hinwegtäuschen, dass Lauterbach – dem es meist weitgehend egal ist, was andere über ihn denken – seine neue Beliebtheit zu nutzen wusste.

Nämlich als unausgesprochenes Druckmittel in der eigenen Partei, die an ihm zum Schluss nicht mehr vorbeikommen sollte. Der Plan ging auf.

Grüne und FDP wollten das Ministerium nicht

Lauterbach kam zupass, dass weder Grüne noch FDP Lust hatten, das Gesundheitsministerium zu übernehmen, schlicht, weil es politisch dort kaum was zu gewinnen, dafür aber umso mehr zu verlieren gibt. In dieses Bild passt auch, dass etwa Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sich gerade als Lauterbach-Fan outete, wie viele andere in der Union. Sie alle wissen, dass aus dem sehr beliebten Lauterbach sehr schnell ein sehr unbeliebter Gesundheitsminister werden kann.

Zunächst, weil Lauterbach ab sofort nicht mehr das Team Vorsicht in der Corona-Pandemie anführen kann, sondern als Minister dafür zuständig sein wird, den abwägenden Ampel-Kurs zu halten und zu verteidigen.

Erstes Beispiel gleich am Montag: Er wolle, sagte Lauterbach, die Infektionszahlen senken, um über die Weihnachtsfeiertage sichere Reisen zu ermöglichen. Hätte ein Karl Lauterbach, wie wir ihn bisher von Twitter kennen, nicht dringend davor gewarnt, Weihnachten wegzufahren, gar ins Ausland? Genau diese Gegenüberstellung zwischen altem Karl und neuem Minister Lauterbach wird eine beliebte Übung der Unionsparteien werden.

Darüber hinaus hat Scholz nicht einen Corona-, sondern einen Gesundheitsminister vorgestellt. Auf den wartet, neben dem akuten Pandemie-Noteinsatz, die undankbare Aufgabe, ein Gesundheitssystem auf Kurs zu bringen, dass mit dem Eintritt der Babyboomer ins Renten- und bald schon Pflegealter vor einer dramatischen Finanzierungslücke steht, um nur eine der unendlich vielen Baustellen zu nennen.

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Lauterbach hatte hier, als er noch eine Randerscheinung des politischen Betriebs war, recht konkrete Vorstellungen, mit denen man heute nicht zwingend Likes auf Twitter bekommt. Wer zum Beispiel weiß heute in der breiten Öffentlichkeit, dass Lauterbach einer der führenden Verfechter einer radikalen Zentralisierung der Krankenhausstrukturen war, verbunden mit dem Abbau von (Intensiv-)Betten im ländlichen Bereich?

Genau deswegen aber kann Lauterbach der richtige Mann zur richtigen Zeit im richtigen Haus sein. Klare Vorstellungen darüber, was richtig, unvermeidlich und der Bevölkerung zuzumuten ist – das könnten die entscheidenden Voraussetzungen sein, die ein Minister mitbringen muss, der das deutsche Gesundheitssystem zukunftsfest machen soll und muss.

Dass Lauterbach im Amt versuchen wird, unangenehme Entscheidungen aufzuschieben, um sich für den nächsten Karriereschritt zu empfehlen – das soll es in dem Ressort ja schon gegeben haben –, ist eher nicht zu befürchten. Denn Lauterbach ist nun da, wo er immer hinwollte. Wenn er Deutschland nun erst einmal passabel durch die Pandemie bringt, dann wäre das schon mal ein guter Anfang.

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