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Will regieren, Hubert Aiwanger, Landesvorsitzender der Freien Wähler, spricht im Bayerischen Landtag.

© Lino Mirgeler/dpa

Update

Landtagswahlen in Bayern: Freie Wähler drängen mit Macht in die Regierung

Hubert Aiwangers Freie Wähler gehören zu den Wahlsiegern des Abends - und wollen nun unbedingt mit der CSU regieren. Wer ist die Partei?

Manchmal muss man sich fürchten vor diesem Mann. Vor seinen Augen. Es sieht dann so aus, als würden sie beim Sprechen weit aus seinem Kopf in Richtung des Fragestellers wandern. Das liegt daran, dass er seinen Oberkörper und seinen Kopf weit nach vorne beugt und, wenn es ihm wichtig wird, seinem Interviewpartner sehr nahe kommt. Um so ernster dann der Satz oder das Argument, die er selbst verwendet, um so lauter lacht Hubert Aiwanger dann meist auf.

Der Vorsitzende der Freien Wähler (FW) auf Bundes- und Landesebene und ihr Spitzenkandidat in Bayern ist ein im positiven Sinne politisch Besessener. Und er will endlich dort ankommen, wo er selbst glaubt, dass er und seine Partei hingehören: in Regierungsverantwortung. Als am Sonntagabend die ersten Hochrechnungen öffentlich wurden, und es noch sehr unklar war, ob die FDP nach ihrem Rausschmiss durch den Wähler 2013 dieses Mal wieder in den bayerischen Landtag einziehen können, konnte man wieder diesen unheimlichen Aiwanger-Blick beobachten.

In der ARD sagte er kurz nach 18 Uhr in seiner unnachahmlichen Art zum CSU-Generalsekretär Markus Blume: "Ich bitte die CSU und Herrn Blume, sich jetzt mal langsam zu entscheiden." Auf die Frage des Moderators, ob er, Aiwanger, denn bei der CSU anrufen würde, sagte der: "Wir müssen nicht anrufen. Wir warten auf den Anruf." Später im ZDF steht er in einer Runde mit CSU-Ministerpräsident Markus Söder und wird nach einer Koalition mit der CSU gefragt wird: Er guckt Söder mit ernsten Augen an, lacht aber gleichzeitig dabei und sagt: „Die CSU ist gut beraten, unsere Hand entgegenzunehmen. Wenn sie’s machen, pack ma’s.“ Söder wiederum grinst nur, zuvor hat er erklärt, dass er eine "klare Präferenz für ein bürgerliches Bündnis" habe. Vielleicht wird Aiwanger im Laufe des Abends doch klar, dass er ziemlich arrogant rüberkommen könnte, denn in den späteren Interviews betont er nun, dass die Freien Wähler vor allem "ein vernünftiger Verhandlungspartner" seien.

Wer wird Koalitionspartner der CSU? Die Grüne Katharina Schulze und Hubert Aiwanger von den Freien Wählern neben CSU-Ministerpräsident Markus Söder.
Wer wird Koalitionspartner der CSU? Die Grüne Katharina Schulze und Hubert Aiwanger von den Freien Wählern neben CSU-Ministerpräsident Markus Söder.

© Lukas Barth-Tuttas/Reuters

Aber im großen und Ganzen macht Aiwanger das klar, was er im gesamten Wahlkampf betonte: Man wolle regieren. Man wolle nun in einer künftigen Regierung, die Themen stark machen, die im Wahlkampf bereits erfolgreich waren. Bürgerthemen nennt Aiwanger sie.

"Wir werden der CSU die Arroganz austreiben...", sagt Hubert Aiwanger

Würde Politik wie die Jahrmarktattraktion „Hau den Lukas“ funktionieren, wäre Hubert Aiwanger schon Ministerpräsident Bayerns. Auf dem Rummel steigt beim Lukashauen der Körper umso höher, je mehr Kraft man beim Schlag aufwendet. Der Chef der Freien Wähler (FW) kann sehr hart draufschlagen, er macht mit diesem Prinzip Politik, er haut vor allem auf den politischen Hauptfeind ein: die CSU. So sagte er dem Tagesspiegel kurz vor der Wahl etwa: „Die Arroganz der CSU, den Staat und die Bürger als Beute zu betrachten, werden wir ihr in der Regierung austreiben.“

Trotzdem hat er gleichzeitig immer wieder betont, dass nur seine Partei der richtige Koalitionspartner für die CSU seien könne. Kurz vor der Wahl, als noch alles offen und klar war, dass sehr viele Wählerinnen und Wähler noch unentschlossen sind, hat Aiwanger stoisch erklärt: „Ich gehe davon aus, dass es für CSU und Freie Wähler reichen wird, weil wir unterm Strich immer mehr Direktstimmen bekommen als Zweitstimmen.“

Jetzt könnte es tatsächlich so kommen, und falls nicht, hat Aiwanger auch schon vorgesorgt mit einem eben so nassforschen Satz: „Im schlimmsten Fall muss die FDP dritter Koalitionspartner werden.“

Kann nicht mehr alleine regieren: Markus Söder.
Kann nicht mehr alleine regieren: Markus Söder.

© Foto. Reuters/Wolfgang Rattay

Der schlimmste Fall für Aiwanger wäre Schwarz-Grün. Das wiederum ist der Grund, warum er seit Monaten öffentlich die Bereitschaft zu einer Koalition mit der CSU erklärt und ebenso wie Söder, den er duzt, vor Instabilität warnt. Man muss dazu wissen, dass viele Mitglieder der Partei früher bei der CSU waren. Aiwanger selbst schloss sich aus Ärger über die CSU in seinem Dorf 2001 den Freien an. Diese sind in Bayern vor allem im ländlichen Raum verankert, wo sie viele Bürgermeister stellen.

2008 gelang es der Partei mit Aiwanger an der Spitze, mit damals sensationellen zehn Prozent in den Landtag einzuziehen. Es war das erste Mal seit 1957, dass die CSU die absolute Mehrheit verlor, doch anstatt mit den FW zu koalieren, suchte sich die CSU die FDP aus – die machte weniger Ärger und fügte sich brav. Aiwanger war der CSU suspekt, galt als Populist und „Politprolet“.

Die CSU-Abgeordneten haben ihn verhöhnt und verspottet, haben seinen niederbayrischen Dialekt, das kantige O statt des langen A, verlacht und gerufen, „red deutsch“, als er zum ersten Mal im Landtag sprach. Aber Aiwanger ist stoisch, stolz und dickköpfig. Er lässt nichts an sich heran, schon gar nichts Negatives. Außerdem glaubt er fest daran, dass er die Politik mit seiner kommunalen, bürgernahen Ausrichtung besser machen könne. In Bayern, wie auch in Baden-Württemberg und anderswo, stellen die Freien Wähler Tausende Bürgermeister. Es gibt also Wurzeln, die wachsen müssten. So denkt Aiwanger. 

Hubert Aiwanger mit seinem Sohn.
Hubert Aiwanger mit seinem Sohn.

© Armin Weigel/picture alliance / dpa

Damals war eine Zeit angebrochen, in der Bürger wie bei Stuttgart 21, der schwarz-grünen Hamburger Schulreform oder auch wegen der Flugrouten des BER wieder massiv auf die Straße gingen. Die Piraten sorgten für Furore, und Aiwanger sah die Chance gekommen, um auch in die Bundespolitik zu gehen. 2013 sollten die FW in den Bundestag einziehen – mit Hans-Olaf Henkel, dem ehemaligen BDI-Präsidenten, als Spitzenkandidaten. Doch die AfD wurde plötzlich groß und verpasste vor fünf Jahren nur knapp den Sprung in den Bundestag. Von Aiwangers Freien Wählern wollte außerhalb Bayerns kaum jemand etwas wissen. Und Henkel wanderte schnell zur AfD weiter.

Sie haben ihn verhöhnt - er hat das einfach überhört

Aiwanger konzentriert sich seitdem auf Bayern, reizte die CSU beispielsweise mit den Volksentscheiden zu den Straßenausbaubeiträgen oder zum Wechsel zurück vom achtjährigen zum neunjährigen Gymnasium. Im bayerischen Fernsehen ist er kürzlich gefragt worden, welches Ministerium für die Freien Wähler interessant wäre. Normalerweise antworten Politiker, es gehe ihnen nicht um Posten, sondern darum, die eigenen Ideen umzusetzen. Hubert Aiwanger sagte: „Wir können uns jedes Ministerium vorstellen, es gibt überall viel zu verbessern.“

Seine politische Sozialisation entspringt dem Widerstand gegen die CSU. Er erzählt, wie er in seinem Heimatort mitansehen musste, dass sich die Leute der CSU, jahrzehntelang an der Macht, persönlich bedient hätten. Das machte ihn wütend, er sagt: „Wir müssen die absolute Herrschaft der CSU brechen. Um die Politik zu korrigieren, müssen wir das Risiko eingehen, als kleinere Partei in die Regierung einzutreten.“

Aiwanger will unbedingt beweisen, dass er es besser kann; er will die CSU quasi erziehen zu einer „weniger arroganten“, wie er sagt, zu einer den Problemen der Menschen zugewandten Politik. Aiwanger will kostenfreie Kitas, mehr Geld für Lehrer, den ländlichen Raum stärken, um die Städte etwa beim Thema Wohnungsnot zu entlasten. Thematisch könnten die Freien Wähler sich in vielen Punkten mit der CSU treffen – das Problem liegt eher im gegenseitigen Misstrauen. Doch Aiwanger will regieren – unbedingt. Dafür wird er viele Kompromisse machen. Im Zweifel auch noch mit der FDP. Die regierte 2008 mit der CSU, dieses Mal könnte Aiwanger eine andere Partei dazwischenfunken: die Grünen.

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