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Janine Wissler, Spitzenkandidatin der Linkspartei in Hessen.

© Frank Rumpenhorst/dpa

Landtagswahl in Hessen: Linke hofft auf rot-rot-grüne Regierung

Zweimal hat es mit Rot-Rot-Grün in Hessen nicht geklappt. Schafft es die Spitzen-Linke Janine Wissler jetzt im dritten Anlauf?

Von Matthias Meisner

Das sei "schon ein Signal", sagt Janine Wissler. Die 36-Jährige ist Spitzenkandidatin der Linkspartei bei der Landtagswahl in Hessen - und erstmals vor der Abstimmung am Sonntag in einer Woche zeigt das Politbarometer die realistische Chance für eine Regierung von Grünen, SPD und Linken auf - rechnerisch. "Alle reden vom Rechtsruck. In Hessen sieht es so aus, als ob es für #r2g eine Mehrheit geben könnte", freut sich Wissler.

Im Gespräch mit dem Tagesspiegel wirbt sie für die Option: "Die CDU ist jetzt seit 20 Jahren an der Regierung. Es ist Zeit für eine Ablösung. Die Grünen müssen sich fragen lassen, ob sie weiter Mehrheitsbeschaffer für die CDU sein wollen."

Mehr als auf die SPD kommt es der jüngsten Umfrage zufolge tatsächlich auf die Grünen an, wenn es um die Frage einer #r2g-Regierung in Hessen geht. Denn nach ihrem Hoch bei der Landtagswahl in Bayern Mitte Oktober könnten die Grünen auch in Hessen die SPD überholen - und dann wählen zwischen einer Jamaika-Regierung aus CDU, Grünen und FDP, einer Ampel-Regierung aus Grünen, SPD und FDP. Oder eben Grün-Rot-Rot. Reizvoll könnte die Option Linksbündnis für die Grünen deshalb sein, weil sie, anders als bei Jamaika, den Regierungschef stellen könnten, wie Strategen in der Linkspartei betonen. Hessens Spitzen-Grünen Tarek Al-Wazir halten sie für ambitioniert.

Umgekehrt wäre eine grün-rot-rote Regierung mit der SPD als Juniorpartner für die eine echte Herausforderung. Das schätzen Politiker von SPD und Linkspartei in Hessen übereinstimmend ein. In Baden-Württemberg hat die SPD als Juniorpartner der Grünen schlechte Erfahrungen gemacht, inzwischen regiert dort unter Winfried Kretschmann Grün-Schwarz. "Grün-Rot-Rot" würde "weh tun", meint eine Funktionärin der Hessen-SPD. In der Linkspartei werden diese Sorgen nachvollzogen.

Ob es nach dem Wahlsonntag trotzdem ernsthafte Sondierungen über eine #r2g-Regierung gibt? Die Vorgeschichte lassen das als nicht ganz leicht erscheinen. 2008 versuchte die damalige SPD-Landesvorsitzende Andrea Ypsilanti eine solche Konstellation durchzusetzen, entgegen dem Wahlversprechen der Hessen-SPD. Vier Abweichler in der SPD-Landtagsfraktion vereitelten den Plan. Es kam zu Neuwahlen - und Schwarz-Gelb an die Regierung.

Auch der zweite Versuch 2013 war nicht vom Erfolg gekrönt. Zwar sondierten SPD, Grüne und Linke ein Bündnis. Letztlich aber entschieden sich die Grünen, lieber als Juniorpartner die CDU-geführte Regierung unter Volker Bouffier möglich zu machen.

Die Annäherung von SPD, Grünen und Linken vor fünf Jahren wurde seinerzeit in der Linkspartei wohlwollend betrachtet. Der damalige Wortführer der Reformer, Benjamin-Immanuel Hoff, nannte Hessen 2013 das "spannendste politische Labor im Land." Er stellte fest: "In keinem Bundesland haben die drei Parteien bislang so ernsthaft, unaufgeregt und insgesamt offen über ein rot-grün-rotes Bündnis verhandelt." Hoff ist heute Staatskanzlei-Chef in der vom Linken-Politiker Bodo Ramelow geführten rot-rot-grünen Regierung in Thüringen.

Die Ex-Vorsitzende der Hessen-SPD, Ypsilanti, ist seit Jahren Hinterbänklerin im Landtag. Die rot-rot-grüne Idee verfolgt sie weiter - und plädierte erst vor ein paar Monaten in einer von ihr verfassten Streitschrift gegen "alberne und hochmütige Abgrenzungsrituale".

Im Westen einer der erfolgreichsten Landesverbände

Für westliche Verhältnisse steht die Linke in Hessen überdurchschnittlich gut da. In den Wahlumfragen liegt sie seit Monaten stabil bei acht Prozent. Bessere Ergebnisse bei Landtagswahlen erzielte sie Linke im Westen bisher nur in den Stadtstaaten Bremen und Hamburg sowie im Saarland, der Heimat von Ex-Parteichef Oskar Lafontaine.

Janine Wissler, die aus einer trotzkistischen Splittergruppe zur Linken kam, gilt längst als sehr pragmatisch - in den parteiinternen Auseinandersetzungen steht sie der Vorsitzenden Katja Kipping deutlich näher als der Fraktionschefin Sahra Wagenknecht. Sie mache eine "super Arbeit" und sei "unheimlich diszipliniert", heißt es aus dem linken Flügel der Hessen-SPD über die Politikerin, die in Langen im Kreis Offenbach geboren ist: "ein kluger Kopf."

Der Linken-Bundesvorsitzende Bernd Riexinger sagt: "Rot-Rot-Grün in Hessen ist sowohl 2008 als auch 2013 nicht an uns gescheitert." Er sieht jetzt neue Chancen für einen politischen Wechsel. Gemeinsam könnten die drei Parteien des Mitte-Links-Spektrums Forderungen nach mehr bezahlbarem Wohnraum, einer sozial gerechten Bildung und einer Wende in der Verkehrspolitik umsetzen. Auch bundesweit wäre der Erfolg einer solchen Konstellation aus seiner Sicht ein hervorragendes Signal.

Einen Lagerwahlkampf will die Linke nicht

Einen Lagerwahlkampf wollen die Linken in Hessen im Schlussspurt dennoch nicht - denn bisher sei ein solches Lager noch nicht zu erkennen, heißt es aus der Partei. In der SPD, die mit der Linken auf den Oppositionsbänken des Wiesbadener Landtags sitzt, wird dennoch betont: "Das Verhältnis zwischen SPD und Linkspartei hat sich sehr entspannt. Man geht ordentlich miteinander um, um nach der Wahl eine mögliche Gesprächsebene zu haben." Frühere Feindseligkeiten seien "total abgebaut" worden.

Wissler formuliert es so: "Ich will die Differenzen zwischen uns und der SPD und auch den Grünen nicht klein reden. Doch wenn man die Programme nebeneinander legt, gibt es viele Übereinstimmungen."

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