zum Hauptinhalt
Greiz ist aktuell Deutschlands Corona-Hochburg.

© picture alliance/Bodo Schackow/dpa-Zentralbild/dpa

Update

Landkreise reißen neue Virus-Obergrenze: Greiz und Coesfeld haben Corona-Regeln bisher nicht verschärft

Eigentlich haben sich Bund und Länder auf eine Obergrenze für Neuinfektionen geeinigt. Die betroffenen Kreise beraten derzeit, wie sie darauf reagieren.

Der Kreis Greiz in Thüringen bleibt bundesweiter Brennpunkt neuer Corona-Nachweise. Stand Donnerstagnacht 0 Uhr zählte der Kreis in den vergangenen 7 Tagen insgesamt 75,4 Neuinfizierte pro 100.000 Einwohner.

Damit gehört der Ostthüringer Landkreis zusammen mit Coesfeld in Nordrhein-Westfalen (73,2 Neuinfizierte in den vergangenen 7 Tagen je 100.000 Einwohner) unter allen Kreisen und kreisfreien Städten zu den beiden einzigen bundesweit, wo der kritische Wert von 50 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner derzeit überschritten wird. Diese Quote gilt als Obergrenze, bei deren Überschreitung Bund und Länder künftig strikte Beschränkungen zur Eindämmung der Pandemie vorsehen.

[In welchen Landkreisen in Deutschland die Corona-Obergrenze überschritten ist, sehen Sie in unserer interaktiven Grafik]

Welche Folgen das Infektionsgeschehen in Greiz für geplante Lockerungen der bisherigen Corona-Maßnahmen etwa in der Gastronomie konkret hat, bleibt aber vorerst unklar. Auf Anfrage des Tagesspiegels hieß es am Donnerstagabend: "Im Landkreis Greiz gilt wie im gesamten Freistaat die Thüringer Verordnung vom 2. Mai 2020."

Eigentlich sieht die neue Corona-Obergrenze vor, dass lokal strengere Eindämmungsmaßnahmen umgesetzt werden, wenn der kritische Wert überschritten wird. Der Krisenstab in Greiz will darüber bis Montag entscheiden.

Der Fokus liegt nach Angaben des Landratsamtes vom Freitag weiter auf Pflegeheimen. In sechs solcher Einrichtungen und einer Geriatrie-Klinik wurde zuletzt das Coronavirus bei Bewohnern oder Personal nachgewiesen. So könnten die in ganz Thüringen geplanten Lockerungen bei Besuchen in Alten- und Pflegeheimen für den Ostthüringer Landkreis ausfallen. Zudem wurde nach Angaben einer Behördensprecherin die Bundeswehr um Unterstützung der mobilen Abstrichteams angefragt.

Landrätin von Greiz: "Können unserer Wirtschaft keine weiteren Blockaden aufbürden"

Die Landrätin des Landkreises Greiz, Martina Schweinsburg, sagt: "Entscheidungen verantwortungsbewusst und mit Augenmaß zu treffen. Abstimmung mit Fachleuten im eigenen Haus und den Fachbehörden sowie Gründlichkeit gehen für mich da ganz klar vor Schnelligkeit.“

Weiter sagte sie am Donnerstag: "Einerseits ist es wichtig, die weitere Ausbreitung des Virus zu verhindern, andererseits können wir unserer Wirtschaft, unserer Gastronomie keine weiteren Blockaden aufbürden." Ziel sei es, das der Kreis sich soweit als möglich an der für nächste Woche angekündigten Thüringer Verordnung orientiere. "Denn es macht in meinen Augen wenig Sinn bei uns alles zu verbieten, was wenige Kilometer weiter möglich ist", so die CDU-Politikerin.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Zu Wochenbeginn hatte die Quote im Kreis Greiz noch bei 59,1 gelegen. Allerdings hatte es am Wochenende einen Massentest auf das Coronavirus mit 855 genommenen Abstrichen gegeben, bei dem ersten Ergebnissen zufolge etliche Infektionen festgestellt wurden.

Der Kreis ist seit Ausbruch der Corona-Pandemie ein Hotspot in Thüringen mit bisher mehr als 500 nachgewiesenen Infektionen und mehr als 30 Todesfällen in Zusammenhang mit einer Corona-Infektion. Als Ausgangspunkt gelten größere Familienfeiern Ende Februar und Anfang März.

Kreis Coesfeld will auf Verordnung warten, die Details regelt

Auch in Coesfeld in NRW wollen die Behörden ersteinmal abwarten. Das Virus hatte sich zuletzt vor allem in dem fleischverarbeitenden Betrieb Westfleisch in Coesfeld ausgebreitet. 129 Infizierte waren am Donnerstag nach Kreisangaben erfasst worden. Alle 1200 Beschäftigten des Standortes sollten auf das Virus getestet werden.

Der Kreis Coesfeld erklärte am Freitagmorgen, dass die Situation fortlaufend bewertet und über Maßnahmen beraten werde. „Natürlich ist die Sorge in der Bevölkerung groß“, erklärte der Coesfelder Landrat Christian Schulze-Pellengahr den “Westfälische Nachrichten”. Und weiter: „Abgesehen von dem Ausbruch bei Westfleisch waren die Zahlen zu den Neuansteckungen in der Bevölkerung des Kreises in den letzten Tagen stagnierend oder leicht rückläufig.“

Der Kreis warte auf eine Verordnung, die Näheres regelt. Coesfeld will flächendeckende Verschärfungen vermeiden und stattdessen lokal agieren. Bei Westfleisch scheint das aber nicht zu funktionieren. Der Betrieb in dem Unternehmen soll vorerst mit Einschränkungen weitergehen.

Scharfe Kritik an der neuen Obergrenze kommt vom Bundesverband der Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes. Er kritisiert den Wert als viel zu hoch. „Wie die Gesundheitsämter damit klar kommen sollen, ist mir ein Rätsel. Das ist nicht zu schaffen“, sagte die Verbandsvorsitzende Ute Teichert dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Die Gesundheitsämter werden ohne dauerhafte Personalunterstützung in die Knie gehen.“ Teichert sagte dem „RND“ weiter: „Die Zahl 50 ist eine mir nicht bekannte Zahl. Uns ist schleierhaft, wo sie herkommt.“ (Tsp, mit dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false