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Steffen Kailitz vom Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung an der TU Dresden steht am Freitag vor Beginn einer mündlichen Verhandlung im Landgericht in Dresden.

© dpa

Landgericht Dresden: Dresdner Politologe darf NPD-Kritik wieder äußern

Das Landgericht Dresden hat eine einstweilige Verfügung gegen den Extremismusforscher Steffen Kailitz aufgehoben. Sie hatte ihm bestimmte kritische Äußerungen über die rechtsextreme NPD untersagt..

Die NPD ist mit ihrem Versuch vorerst gescheitert, dem Wissenschaftler Steffen Kailitz kritische Aussagen über die Neonazi-Partei zu verbieten. NPD-Anwalt Peter Richter nahm am Freitag vor dem Dresdner Landgericht den Antrag auf eine entsprechende einstweilige Verfügung zurück. Zuvor hatte Richter Jens Maier Bedenken geäußert, ob das Anliegen der NPD wirklich dringlich sei und deshalb in einem Eilrechtsschutz-Verfahren geklärt werden müsse. Die NPD, für die auch ihr derzeitiger Bundesvorsitzender Frank Franz erschienen war, kündigte an, umgehend Klage in einem Hauptsacheverfahren zu erheben. Dann muss das Landgericht in einigen Monaten erneut über den Fall entscheiden.

Kailitz hatte der NPD in einem Beitrag für die Wochenzeitung "Zeit" Anfang Mai vorgeworfen, Millionen Bürger aus Deutschland vertreiben zu wollen. Er meint, die NPD plane damit ein "Staatsverbrechen". Richter Maier verbot diese Aussagen zunächst, Kailitz widersprach der Verfügung jedoch. Der Fall erregte Aufsehen, weil Kailitz seine Aussagen auch als Sachverständiger im NPD-Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht vorgetragen hatte. Zudem hatte der Richter, der in Dresden als AfD-Mitglied bekannt ist, die Verfügung erlassen, ohne Kailitz und seinen Anwalt anzuhören.

Dies hat Maier mittlerweile nachgeholt - und Zweifel bekommen, ob hier ein eilbedürftiger Fall vorliegt. Denn der Wissenschaftler hatte seine Aussagen bis in die Wortwahl hinein in den vergangenen Jahren mehrfach publiziert, ohne dass die NPD dagegen vorgegangen wäre. "Da war ich selbst überrascht", sagte der Richter. Er habe zudem nicht gewusst, welche Funktion Kailitz im Karlsruher Verbotsverfahren gehabt habe, ihm sei der Wissenschaftler nicht bekannt gewesen. "Ich beschäftige mich hier auch nicht schwerpunktmäßig mit der NPD". Üblicherweise besteht die zuständige Kammer am Gericht aus drei Berufsrichtern. Sie hatte den Fall Maier als Einzelrichter übertragen, weil sie ihn für einfach gelagert hielt. Der NPD-Antrag sei ihm plausibel erschienen, sagte Maier.

Inhaltlich hält der Richter aber offenbar an seiner Position fest, dass Kailitz unzulässige Tatsachenbehauptungen über die Partei aufgestellt habe. Er wolle sich jetzt nicht in "Abgrenzungsschwierigkeiten" hineinbegeben, sagte er, aber es sei doch wohl so, dass die NPD ihre Politik auf rechtlichen Grundlagen durchführen wolle. So sei es im aktuellen Parteiprogramm auch dargestellt. Zum Vergleich zitierte Meier aus einem Parteiprogramm der Nationalsozialisten aus den zwanziger Jahren. Das, sagte er, höre sich doch etwas anders an.

Kailitz und sein Anwalt verwiesen dagegen auf die Meinungsfreiheit und die Freiheit der Wissenschaft. Vertreibungen müssten nicht rechtswidrig sein, um Vertreibungen zu sein. Zudem wolle die NPD auch Menschen mit deutschen Papieren wieder ausbürgern, wenn sie hier nicht geboren seien. "Dann müsste auch Helene Fischer das Land verlassen, die ist in Sibirien geboren", sagte Anwalt Jörg Nabert. Die Ansichten von Richter Maier ließen ihm "die Haare zu Berge stehen". Die Einstweilige Verfügung gegen seinen Mandanten hätte nie erlassen werden dürfen.

Im nächsten Prozess wird Richter Maier nicht mehr allein entscheiden, dann urteilt die Kammer in voller Besetzung. Sollten die Aussagen dennoch verboten werden, will Kailitz durch alle Instanzen gehen. "Die NPD fordert für sich Meinungsfreiheit, um ihre rassistischen Thesen zu verbreiten. Aber anderen will sie den Mund verbieten."

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