zum Hauptinhalt
Abgang aus der Politik: Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz

© AFP/Joe Klamar

Kurz zieht sich aus der Politik zurück: Ein Unhaltbarer schiebt zum Abschied sein Baby vor

Eben noch Kanzler, dann Parlamentarier – jetzt nimmt Sebastian Kurz Abschied von allem. Österreichs Dauerkrise ist damit aber nicht beendet. Ein Kommentar.

Die zahlreichen Vorwürfe, Hausdurchsuchungen und Ermittlungen wogen am Ende zu schwer. Sebastian Kurz, einst Wunderkind der Konservativen in Europa, musste nicht nur kürzlich das österreichische Bundeskanzleramt räumen, sondern verabschiedete sich nun ganz aus der Politik. Die Geburt seines Sohnes nahm er zum gesichtswahrende Anlass, aber der Hintergrund ist: Er war nicht mehr trag- und haltbar.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Seine parteiinterne Botschaft („Mit mir gewinnt ihr Wahlen“) zog nicht mehr, seine Alleinherrschaft in der konservativen ÖVP ist beendet. Die ständigen Debatten um Korruptionsskandale, in die er und sein engstes Umfeld verwickelt sein sollen, seine jüngst aufgehobene Immunität als Abgeordneter, waren ein unüberwindbares Problem für die Art und Weise geworden, wie Sebastian Kurz Politik macht. Defensive ist sein Ding nicht, seine Leute – sie selbst nennen sich „Prätorianer“ – und er haben in den vergangenen Jahren eine Kommunikationsmaschinerie aufgebaut, die ihresgleichen sucht in der österreichischen Politik.

Kurz' Spindoktoren überspannten den Bogen

In seiner Hochphase bestimmte Kurz wöchentlich die Agenda, politische Gegner und kritische Medien arbeiteten sich ausschließlich an seiner Person ab, die Titelseiten und Schlagzeilen gehörten ihm. Der Opposition fand kaum Wege, um einmal selbst Themen zu setzen. In der Pandemie und bei den zahlreichen Korruptionsvorwürfen, die seit Monaten die mediale Gemengelage prägten, funktionierte das plötzlich nicht mehr. Ganz im Gegenteil: Mit massiven Pauschalangriffen auf die Justiz überspannten seine Spindoktoren den Bogen.

[Lesen Sie hier bei T-Plus: Zur Medienpolitik in Österreich ein Interview mit "Falter"-Chefredakteur Florian Klenk.]

Ältere Parteigranden und die mächtigen konservativen Landeschefs rückten zunehmend von Kurz ab. Bei kommenden Wahlen hätte eine Kurz-ÖVP auch schwer Koalitionspartner gefunden, zu sehr hatte er es sich mit den restlichen Parteien verscherzt, die Gesprächsbasis fehlt seit langem. In den nächsten Jahren werden Gerichtsverfahren laufen, der Rucksack, den Kurz seiner Partei umgehängt hat, hätte zu schwer gewogen.

Die Justiz wertet zudem noch Hunderttausende interne Chats aus seinem Umfeld aus, es werden weitere Skandale das Licht der Öffentlichkeit erblicken. Was bleibt: Kurz-Vertraute sitzen nun immer noch an vielen Schalthebel der Macht – in der eigenen Partei, in der Republik und auch in den Medien. Mit dem aktuellen Innenminister Karl Nehammer soll ein weiterer Verbündeter die Kanzlerposition übernehmen. Die Alpenrepublik befindet sich seit Jahren in einer lähmenden Dauerkrise – die Turbulenzen werden aber weitergehen.

Matthias Punz

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false