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Sebastian Kurz und CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Kurz' Triumph und die Lehren für die CDU: Kramp-Karrenbauers Widersacher sticheln gegen die Parteichefin

„Mut zur Haltung“ und „klares Profil“: CDU-Politiker wie Spahn und Merz loben Österreichs Wahlsieger – und senden doch Botschaften an ihre eigene Vorsitzende.

Von Robert Birnbaum

Unter den Glückwünschen in der Politik gibt es die notgedrungenen, die aufrichtigen und die, die an eine andere Adresse gerichtet sind. Die Wahllokale in Österreich waren gerade eine halbe Stunde geschlossen, da twitterte Jens Spahn einen herzlichen Glückwunsch an Sebastian Kurz. „Mit Mut zu Haltung, klarem Profil und dem Willen zur politischen Führung ist ein beeindruckender Wahlerfolg für die @volkspartei gelungen“, schrieb der Gesundheitsminister.

Ein paar Minuten später kam der nächste Gratulant. „Es hat sich einmal mehr gezeigt: Mit klarem Profil kann eine bürgerliche Partei auch wieder Mehrheiten gewinnen“, twitterte Friedrich Merz. Beides wird Sebastian Kurz gefreut haben. Er war aber gar nicht gemeint.

Auch das Lob, das Armin Laschet anderntags ausspricht, galt nicht so sehr Kurz: „Klare Ideen, kurze Sätze und prägnante Botschaften“ könnten auch für die CDU erfolgreich sein, befand der Nordrhein-Westfale.

Nun ist es der Österreicher gewohnt, dass man ihn im großen Nachbarland aus durchsichtigen Gründen zum Vorbild erhebt. Legendär das Selfie, das ein breit grinsender Spahn in der letzten Wiener Wahlnacht 2017 mit dem Sieger Kurz postete. Damals war die Botschaft ohne Worte an die Kanzlerin gerichtet: So erfolgreich ist ein harter Anti-Flüchtlingskurs!

Angela Merkel reagierte kühl: Ein Bündnis mit Rechtsaußen-Populisten sei kein Vorbild für die Union. Diesmal ist Annegret Kramp-Karrenbauer die Hauptadressatin der verdeckten Botschaften ihrer zwei Ex-Konkurrenten. Die CDU-Chefin reagiert erst einmal gar nicht darauf, sondern twittert Glückwünsche zum „historischen Wahlsieg“ nach Wien und freut sich auf die weitere Zusammenarbeit auf europäischer Ebene – was man eben so sagt unter Geschäftsfreunden. Die Attacke bemerkt hat sie aber. Das soll sich später am Montag noch zeigen.

In Wahrheit ist die Frage, was die CDU aus dem Kantersieg der österreichischen Schwesterpartei lernen kann, gar nicht einfach zu beantworten. Beim Treffen der Spitzengremien im Adenauer-Haus fallen zwar auch wieder Worte wie „Haltung“ und „Profil“. Doch Parteivizes wie Julia Klöckner, Thomas Strobl und Armin Laschet warnen zugleich vor vorschnellen Vergleichen.

Die ÖVP, sagt Laschet, habe schließlich bis zum Bruch der Koalition mit den Rechtspopulisten von der FPÖ zusammen regiert – eine vergleichbare Zusammenarbeit mit der AfD komme für die CDU nicht infrage. Die CDU, betont auch Fraktionschef Ralph Brinkhaus, müsse „in der Mitte stehen bleiben“ und dürfe nicht ins Konservative rücken.

Ziemiak macht sich die Reizworte der Kurz-Fans zu eigen

Andere heben die Sondersituation hervor, die im Nachbarland zur Neuwahl führte. Kurz habe massiv davon profitiert, dass sich die „Freiheitlichen“ durch das Ibiza-Video ihres Ex-Chefs Heinz-Christian Strache erst desavouierten und er sie dann rausgeworfen habe, sagt ein Präsidiumsmitglied. Genutzt habe ihm offenbar auch, dass die Sozialdemokraten im Verein mit den Rechten ihn danach stürzten.

„Die beiden sind abgestraft worden, und Kurz konnte sich als Opfer der Verhältnisse präsentieren“, fasst der Mann zusammen. Ein bisschen erinnert der Wahlgang außerdem an die letzten Landtagswahlen in Ostdeutschland: In Wien genauso wie in Dresden und Brandenburg spitzte sich die Auseinandersetzung zuletzt auf die Alternative zwischen dem Regierungschef und seinen Hauptgegnern zu – im österreichischen Fall die Grünen.

Mit anderen Worten: Als Vorbild für die CDU eignet sich Kurz’ Triumph schon deshalb nicht so richtig, weil sich aus den Umständen kein Rezept herausdestillieren lässt, wie man eine Partei wie FPÖ oder AfD kleinhalten könnte.

Montagmittag steht der nächste Gratulant auf dem Podium im Konrad-Adenauer-Haus. „Eine sehr gute Nachricht“ sei der Sieg der ÖVP, freut sich Kramp-Karrenbauers Generalsekretär Paul Ziemiak. Auf Nachfrage lobt er den Wahlkampf des Kandidaten Kurz. Der habe sich nicht aus der Ruhe bringen lassen, über seine eigenen Ziele gesprochen statt über die Konkurrenten und so für Unterscheidbarkeit zum politischen Gegner gesorgt, und er habe schließlich die ÖVP zusammengehalten.

Aber Ziemiak hat auch eine kleine Botschaft an die twitternden Kurz-Fans vorbereitet. Er macht sich nämlich kurzerhand ihre Reizworte zu eigen: „Mit einer klaren Sprache, mit einer klaren Haltung“ habe der Österreicher sich durchgesetzt. Das ist ein netter kleiner Trick, um die Wortgiftpfeile der Angreifer ein bisschen zu neutralisieren; man darf ja ausschließen, dass Kramp-Karrenbauers General die eigene Chefin kritisieren will.

Die hat am Vorabend im Kreis ihrer Stellvertreter letzte Hand an den Leitantrag für den nächsten Parteitag gelegt – er enthält viel Lob der sozialen Marktwirtschaft, Bekenntnisse zu schwarzer Null und Schuldenbremse und den Ruf nach einer Unternehmensteuerreform, die nachhaltige Investitionen zum Umwelt- und Klimaschutz besonders honoriert. In die Sonntagsrunde war allerlei hineingeheimnist worden, weil Merkel nicht dabei war. Am Abend postet AKK ein Gruppen-Selfie vom „Geheimtreffen“. Geärgert hat sie das Gemunkel also schon.

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